Metropolis
Metropolis
Lichtbild-Bühne, Nr. 9, 11.1.1927
(...) Das Zentrum des Films bildet die Gestalt der Maria, die bald Heilige Jungfrau, bald die babylonische Kurtisane ist. Nicht nur der Name ist bezeichnend. Und diese schwierige Aufgabe wurde in die Hände einer jungen Novize gelegt, Brigitte Helm – und sie wurde in einer Weise gelöst, die nicht nur alles Lob für die junge Darstellerin, sondern auch allen Respekt für den Regisseur Fritz Lang fordert. Es ist ein Kunststück, ohne Zuhilfenahme auch nur der geringsten äußeren Mittel zwei völlig verschiedene Figuren darzustellen, und wie Brigitte Helm die reine Jungfrau wie sie die hemmungslose Hetäre glaubhaft macht, – das ist eine große darstellerische Leistung. Man hält es für unmöglich, daß das Mädchen im schlichten grauen Kleid, das eben noch Worte der Liebe für die armen Sklaven der Arbeit hat, in demselben Kleid die mondäne Lebewelt des Yoshiwara bezaubert. Ihre Geste, ihr Gesicht, wenn sie plötzlich das Kleid hebt und ihr Strumpfband in die gierige, entzündete Menge von Lüstlingen wirft – das wird man nicht vergessen!
Unter den übrigen Gestalten macht den lebendigsten Eindruck Rasp als Agent Joh. Fredersens. Er ist ”Der Schmale”, und in seiner seltsamen, dunklen Eckigkeit, die nie ganz durchsichtig wirkt, hat er auch etwas von einer Bewachungsmaschine. Der ”Erfinder” Klein-Rogges ist allzusehr in dem gleichen Gesichtsausdruck verankert, er bietet zu wenig Gestaltetes, als daß man zu einem starken Eindruck kommt. Gustav Fröhlich, der den Sohn und den Liebhaber darstellt, bringt Wärme und Herzlichkeit mit, aber zu tiefgreifenden menschlichen Gestaltungen kommt er in dem Film kaum. Es liegt an der auf einen Ton abgestellten Zeichnung der Figur, aus der wahrscheinlich nur ein fertiges Genie einen wirklich plastischen Charakter herausgeholt hätte. Auch Alfred Abel entläßt nicht mit der Bewunderung, mit der er sonst den Zuschauer erfüllt. Allerdings hat er auch rein im Äußeren nicht das Format des Metropolis-Riesen, für den man eher Jannings oder Wegener gewünscht hätte. Ausgezeichnet ist der ”Meister der Herzmaschine” Groth von Heinrich George, eine wirklich gesehene Figur, die in all ihren Regungen geheilt und durchgebildet ist. Hier ist das Schematische durch kräftige Einzelzüge überwunden, die ihren Eindruck nicht verfehlen.
Ein Wort über die besonders wohlgeordnete Komparserie. Sie funktioniert so einwandfrei wie das Leben in der Wunderstadt Metropolis. Lang hat sie entindividualisiert, er hat ihr das natürliche Dasein genommen und sie in ”Hände” umgewandelt, eine willenlose, dunkle Masse, sie im rhythmischen Gleichschritt ewig unverändert ihr Leben vollendet, immer nur Masse und nie ein einzelner. (...)