Vor 70 Jahren am 17. Mai 1946 startete die DEFA (Deutsche Filmaktiengesellschaft) als erste deutsche Nachkriegs-Filmproduktionsfirma. Bis zum 2. Juni würdigt das Babylon dies mit acht künstlerisch herausragenden Spiel- und vier Dokumentarfilmen großer Regisseure und Schauspieler als authentischen Spiegel eines untergegangenen Landes.
Zum Gespräch zu Gast sind die Regisseure Jürgen Böttcher mit "Jahrgang 45" (20.05. 18 Uhr), Winfried Junge mit "Anmut sparet nicht noch Mühe" (24.05. 18 Uhr) und Volker Koepp mit "Leben in Wittstock" (01.06. 18 Uhr).
Am Jubiläumstag, den 17. Mai, feiert der ARTE-Dokumentarfilm "Großes Kino made in DDR" von André Meier mit zahlreichen Gästen seine Premiere im Babylon (geschlossene Veranstaltung). Regisseur Jürgen Böttcher hat eine besondere Beziehung zum Babylon: Hier haben seine Filme noch vor dem Internationalen Leipziger Dokumentarfestival ihre Premiere gefeiert. Auch sein einziger Spielfilm "Jahrgang 45" feierte hier am 11. Oktober 1990 seine verspätete Premiere.
Timothy Grossman, Babylon Geschäftsführer und ehemaliger DEFA-Dramaturg (1988-1990) über seinen DEFA-Lieblingsfilm: "Jahrgang 45 ist die Antwort Jürgen Böttchers und der DEFA auf Godards 'Außer Atem'. Ja, und der weitgehend unbekannte Rolf Römer, der später hauptsächlich durch seine negativen Rollen in Indianer-Filmen von sich reden machen sollte, spricht und agiert genauso cool wie Jean-Paul Belmondo. Dieser Film hätte internationale Preise abgeräumt, wenn er nicht im Keller verschwunden wäre. Rolf Römers Incontro mit einer Daunenfeder allein erzählt alles über eine Generation, die das versäumte Leben ihrer Eltern gleich mit nachholen wollte. Die Gammler sitzen auf den Stufen der Ruinen und schauen den schicken, blonden, westlichen Touristinnen entgegen. Das auch war Ost Berlin 1966! Die Leitbilder meiner Jugend."
Mit Volker Koepp und Winfried Junge sind die zwei bekannten Regisseure der DEFA-Langzeitbeobachtungen im Babylon zu Gast: Fast ein Vierteljahrhundert, von 1974 bis 1997, drehte Koepp in Wittstock an der Dosse, einer brandenburgischen Kleinstadt nördlich von Berlin. Über diesen langen Zeitraum begleitete der Regisseur drei Frauen aus einem Textilgroßbetrieb. "Leben in Wittstock" von 1984 war zunächst als Abschluss der Reihe gedacht, erhielt in Leipzig 1984 die Silberne Taube und war 1985 auf dem Forum der Berlinale zu sehen.
Winfried Junge hatte seine "Kinder von Golzow" im Oderbruch 1961 kurz nach dem Mauerbau begonnen. Die älteste Langzeitdokumentation der Filmgeschichte ging im Jahr 2008 mit knapp 43 Spielstunden zu Ende. "Anmut sparet nicht noch Mühe" (1979) war eine erste Gesamtsicht auf 18 Jahre Leben im Oderbruch und das Portrait einer Generation.
Große Namen, große Filme – zu sehen sind außerdem bis zum 2. Juni: Konrad Wolfs "Ich war neunzehn", Egon Günthers "Der Dritte", Heiner Carows "Die Legende von Paul und Paula", Frank Beyers "Spur der Steine" und "Jakob der Lügner", die einzige Oscar-Nominierung für die DEFA, und Rolf Römers Berlin-Film "Hostess" sowie der Spionagethriller "for eyes only" von János Veiczi. Das reale Vorbild für den Film, der Doppelspion Horst Hesse, stahl an Pfingsten vor 60 Jahren eine komplette US-Agentendatei.
Das Babylon feierte in seiner langen Kinogeschichte zahlreiche DEFA-Premieren, so z.B. Wolfgang Staudtes Klassiker "Rotation" (16.09.1949) und "Der Untertan" (31.08.1951) sowie die Märchenhits "Die Geschichte vom kleinen Muck" (23.12.1953) und "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" (08.03.1974). 46 Jahre lang - vom 17. Mai 1946 bis 19. Mai 1992 - produzierte die DEFA die unterschiedlichsten Genres. Aus diesem abgeschlossenen Filmstock hat das Babylon sieben Spiel- und einen Dokumentarfilm ausgewählt.
Quelle: www.babylonberlin.de