Mit einer Reihe von Special Screenings, die von einem monumentalen Reisefilm zu filmhistorischen Ausgrabungen reichen oder sich der Auseinandersetzung mit Filmen und Filmgeschichte widmen, komplettiert das Forum sein Programm.
Auf den Spuren von Adelbert von Chamisso, James Cook und anderen frühen Weltreisenden hat die Künstlerin Ulrike Ottinger eine Reise von Alaska über Tschukotka nach Kamtschatka unternommen. Wie ihre Vorgänger führt sie ein Logbuch, geprägt von ihrem vertrauten ethnografischen und künstlerischen Interesse, das sich auch in Bildern zeigt: Wasser, Fische, Seeotter, Steine, Vulkane, Tundra, Häuser, Dörfer, Fotografien, Objekte, Landkarten. Menschen, die sie trifft, sprechen über ihr Leben, über Vergangenheit und Gegenwart. Ottingers zwölfstündiger Film "Chamissos Schatten" eröffnet das diesjährige Forum mit einer Mammutvorführung am 12. Februar im Haus der Berliner Festspiele. Zum Ende des Festivals wird das beispiellose Werk in drei Teilen im CineStar am Potsdamer Platz wiederholt.
Unter dem Titel "Hachimiri Madness – Japanese Indies from the Punk Years" zeigt das Forum eine Reihe neu digitalisierter und untertitelter japanischer 8-mm-Filme aus den Jahren von 1977 bis 1990, die den rebellischen Geist jener Zeit atmen. Viele der heute profilierten Regisseure Nippons debütierten mit langen Spielfilmen in diesem Format – die wenigsten davon sind je international gezeigt worden. Die Reihe wurde gemeinsam kuratiert von Keiko Araki (PIA Tokio), Jacob Wong (Hong Kong Film Festival) und Christoph Terhechte (Berlinale Forum).
Die Reihe reicht von Klassikern wie Sion Sonos "I am Sion Sono!!", in dem sich der damals 22-Jährige dem Publikum nonchalant und selbstbewusst als Punk-Poet vorstellt, und Shinya Tsukamotos "The Adventure of Denchu-Kozo", einem höchst kreativen, wilden Cyberpunk-Drama, bis zu den kaum bekannten Frühwerken solcher Regisseure wie Sogo Ishii (heute Gakuryu Ishii), Masashi Yamamoto, Nobuhiro Suwa und Shinobu Yaguchi.
In Yamamotos anarchischem Spielfilmdebüt "Saint Terrorism" schießt ein Mädchen im rosa-gelben Outfit aus ihrer weißen Handtasche scheinbar wahllos auf Unschuldige, und uniformierte Sektenanhänger transportieren die Leichen ab. Yaguchi lässt in dem wunderbar melancholischen "The Rain Women" zwei junge Frauen mit dem Fahrrad durch den "convenience store" brausen, unter Verschleiß zahlreicher Regenschirme durch feuchte Landschaften stolpern und als J-Pop-Duo "Singing in the Rain" trällern. Und in Suwas Gangster-Ballade "Hanasaseru Gang" gewinnt man den Eindruck, "Pierrot le fou" habe sich ins Japan der frühen 80er verirrt.
In ihrem Film-Essay "Verfluchte Liebe deutscher Film" gehen Dominik Graf und Johannes F. Sievert der Frage nach, warum es das Genre-Kino in Deutschland so schwer hat. In Gesprächen und mit Filmausschnitten erinnern sie unter anderem an die Münchner Szene der 60er und 70er Jahre, als Klaus Lemke oder Roland Klick in coolen, physischen, gewalttätigen, schmutzigen Filmen ein anderes, abgründiges Deutschland zeigten.
Rudolf Thomes eigensinniges Werk ist in einer Kontinuität entstanden, die zu den Ausnahmefällen im deutschen Kino gehört – er drehte seit 1968 in gut vier Jahrzehnten 28 Langfilme. Das Verfassen des Drehbuchs von Film Nr. 29 und die Versuche, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen, sind der rote Faden des Porträtfilms "Rudolf Thome – Überall Blumen" von Serpil Turhan, der aus Gesprächen und Beobachtungen an Thomes Wohnort, einem ehemaligen Bauernhof im Brandenburgischen besteht. Man erlebt ihn als Gärtner, als Vater, als Fahrradfahrer und als Darsteller seiner selbst.
Die 2016 Forum Special Screenings:
"Chamissos Schatten" von Ulrike Ottinger, Deutschland - WP
"Rudolf Thome – Überall Blumen" von Serpil Turhan, Deutschland - WP
"Verfluchte Liebe deutscher Film" von Dominik Graf, Johannes F. Sievert, Deutschland - WP
"Hachimiri Madness: Japanese Indies from the Punk Years"
"A Man’s Flower Road" von Sion Sono, Japan 1986
"The Adventure of Denchu-Kozo" von Shinya Tsukamoto, Japan 1988
"Hanasareru Gang" von Nobuhiro Suwa, Japan 1984
"Happiness Avenue" von Katsuyuki Hirano, Japan 1986
"High-School-Terror" von Macoto Tezka, Japan 1979
"I Am Sion Sono!!" von Sion Sono, Japan 1984
"The Isolation of 1/880000" von Sogo Ishii, Japan 1977
"The Rain Women" von Shinobu Yaguchi, Japan 1990
"Saint Terrorism" von Masashi Yamamoto, Japan 1980
"Tokyo Cabbageman K" von Akira Ogata, Japan 1980
"UNK" von Macoto Tezka, Japan 1979
Quelle: www.berlinale.de