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Alle Fotos (2)Biografie
Camilla Spira wurde am 1. März 1906 in eine Schauspielerfamilie hineingeboren. Ihr Vater, Fritz Spira, entstammte einer streng jüdisch-orthodoxen Familie, ihre Schwester Steffie Spira sollte später ebenfalls eine erfolgreiche Schauspielkarriere einschlagen. Bereits im Alter von 13 Jahren bewarb sie sich mit einer Mappe an der Akademie der Künste in Berlin, doch da sie für ein Studium noch zu jung war, sorgte ihr Vater frühzeitig dafür, dass sie eine Schauspielausbildung an der renommierten Schauspielschule des Deutschen Theaters unter der Leitung von Max Reinhardt erhielt. Bereits sechs Monate nach Beginn ihrer Ausbildung im Jahr 1922 erhielt sie ihr erstes Engagement am Wallner-Theater und am Deutschen Künstlertheater in Berlin. Zwei Jahre später war sie an der feierlichen Neueröffnung des Theaters in der Josefstadt in Wien beteiligt, wo sie im Eröffnungsprolog auf der Bühne stand.
Ihr filmisches Debüt gab Camilla Spira 1924 im Stummfilm „Mutter und Sohn“, woraufhin sie zunehmend auch in weiteren Filmproduktionen besetzt wurde. Parallel dazu war sie von 1925 bis 1927 am Deutschen Theater Berlin engagiert. Anschließend spielte sie von 1927 bis 1930 an den Borowsky-Bühnen, bevor sie bis 1933 festes Ensemblemitglied der Berliner Volksbühne wurde.
Im Jahr 1927 heiratete sie den Rechtsreferendar Hermann Eisner und wurde im selben Jahr Mutter. Mit dem enormen Erfolg der Operette „Im weißen Rößl am Wolfgangsee“ konnte sie sich nicht nur finanziell absichern, sondern sich auch ein eigenes Haus mit Haushälterin leisten. Gleichzeitig gelang es ihr, zunehmend auch in der Filmbranche Fuß zu fassen. So spielte sie 1933 sowohl in Fritz Langs „Das Testament des Dr. Mabuse“ als auch in „Morgenrot“ von Gustav Ucicky, einem der ersten Propagandafilme des NS-Regimes.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 entschied sich Camilla Spira – anders als ihre Schwester Steffie – zunächst gegen das Exil und blieb in Deutschland. Zufrieden mit ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn, hoffte sie, ihre Karriere fortsetzen zu können, doch die politischen Entwicklungen zwangen sie bald zum Umdenken. Mit dem erstarkenden Antisemitismus erhielt sie ein Arbeitsverbot und durfte fortan nur noch an Theatern des Jüdischen Kulturbundes spielen. Später war ihr Auftritte ausschließlich vor jüdischem Publikum gestattet.
1938 reiste Spira für einige Wochen in die USA, allerdings nicht mit dem Ziel, dauerhaft dort zu bleiben, sondern mit der Absicht, nach Deutschland zurückzukehren. Doch die Erfahrungen, die sie in den Vereinigten Staaten machte, waren von Fremdenfeindlichkeit geprägt. Auf dem Rückweg erfuhr die Familie von den Novemberpogromen und entschied sich daraufhin, nicht nach Deutschland zurückzukehren, sondern ins Exil nach Amsterdam zu gehen. Dort erhielten sie eine Einreisegenehmigung, die es ihrem Mann ermöglichte, weiterhin als Jurist zu arbeiten, während Spira an ihre Erfolge aus der Stummfilmzeit anknüpfen konnte. Neben Kabarettauftritten fand sie auch in der niederländischen Filmbranche neue Engagements.
Mit der deutschen Besetzung der Niederlande im Jahr 1940 verschärfte sich die Situation jedoch dramatisch. Jüdische Schauspieler:innen durften auch hier nur noch an jüdischen Theatern auftreten und waren verpflichtet, Abstammungsnachweise zu erbringen. Spira spielte fortan am jüdischen Theater „Joodsche Schouwburg“ in Amsterdam, wo sie unter anderem mit Kurt Gerron und Otto Wallburg auftrat. Ab 1942 wurde das Theater jedoch zur Sammelstelle für jüdische Bürger:innen, die von dort aus in Konzentrationslager deportiert wurden. Wie die gesamte Besetzung des Theaters wurde auch Spira verhaftet und ins Durchgangslager Westerbork deportiert.
Selbst in der Gefangenschaft setzte sie ihre schauspielerische Tätigkeit fort und spielte in der „Bühne Lager Westerbork“, einer Theatergruppe, die unter anderem mit Willy Rosen und Max Ehrlich besetzt war. Die Aufführungen fanden vor allem an den Tagen vor den Deportationen nach Auschwitz statt und dienten dazu, die Inhaftierten abzulenken. Spira selbst entkam der Deportation nur knapp: Mit Hilfe des deutschen Juristen Hans Calmeyer und ihrer Mutter gelang es ihr, nachzuweisen, dass sie angeblich nicht die Tochter ihres leiblichen Vaters sei und somit nur zu einem Viertel jüdischer Herkunft wäre.
Hans Calmeyer, der als Beamter in der deutschen Besatzungsverwaltung der Niederlande für sogenannte „rassische Zweifelsfälle“ zuständig war, hatte sich einen Ruf als stiller Retter vieler Jüdinnen und Juden erarbeitet. Er bewilligte Spiras Antrag und veranlasste eine Prüfung, bei der ihre Mutter erklärte, eine Affäre gehabt zu haben, durch die Camillas tatsächlicher Vater „arisch“ sei. Nach der offiziellen Anerkennung dieser Behauptung wurde nicht nur Camilla Spira selbst, sondern auch ihre gesamte Familie entlassen. Ihre Ehe galt fortan als „privilegierte Mischehe“, was auch ihrem jüdischen Ehemann sowie den gemeinsamen Kindern Schutz vor weiterer Verfolgung gewährte. Bis 1947 blieb die Familie in Amsterdam.
Nach dem Krieg kehrte Spira mit ihrer Familie nach Berlin zurück und konnte dort nahtlos an ihre frühere Karriere anknüpfen. Sie spielte an verschiedenen Bühnen sowohl in Ost- als auch in West-Berlin, entschied sich jedoch, im Westen zu leben, während ihre Schwester Steffie in der DDR blieb. Auch ihre Filmkarriere nahm sie ab 1949 wieder auf und wirkte sowohl in ost- als auch in westdeutschen Produktionen mit.
1952 verliebte sie sich in den Kameramann Franz Hofer.
Mit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 bot sich Spira und ihrer Schwester Steffie schließlich die Möglichkeit, nach Jahrzehnten der Trennung wieder gemeinsam auf der Bühne zu stehen. 1990 spielten sie erstmals zusammen, und in den folgenden fünf Jahren folgten zahlreiche weitere Auftritte.
1991 widmeten Marlet Schaake und Horst Cramer den beiden eine Fernsehdokumentation mit dem Titel „So wie es ist, bleibt es nicht – Die Geschichte von Camilla und Steffie Spira“, die das bewegte Leben der beiden Schwestern porträtierte.