Biografie
Eugen Schüfftan wurde am 21. Juli 1893 in Breslau, dem heutigen Wrocław, als Sohn des Industriellen Leopold Schüfftan und seiner Frau Lina (geb. Wolff) geboren. Er besuchte die Kunstakademie Breslau und zog im Anschluss nach Berlin, wo er sich als Maler versuchte. Zunächst vom Impressionismus beeinflusst, wandte er sich bald dem Expressionismus zu, um dann als Dekorationsmaler und Architekt zu arbeiten. In dieser Funktion übernahm er für seinen Lehrer Hans Poelzig die farbliche Gestaltung der Decke des Großen Schauspielhauses in Berlin.
Der Architekt Poelzig, der unter anderem für die Bauten der jüdischen Altstadt in Wegeners "Der Golem, wie er in die Welt kam" (1920) verantwortlich zeichnete, stellte auch Schüfftans ersten Kontakt zum Film her. Dieser tüftelte Anfang der 1920er-Jahre gemeinsam mit Kameramann Ernst Kunstmann im Privaten an einem Aufnahmesystem, mit dem per Spiegeltrick gigantisch wirkende Kulissen als Hintergrund von Spielszenen montiert werden konnten. Die als Schüfftan-Verfahren bekannt gewordene Technik, mit der auf diese Weise reale Objekte und Miniaturmodelle kombiniert wurden, kam zum ersten Mal in Fritz Langs Epos "Die Nibelungen" (1924) zum Einsatz, besonderen Eindruck hinterließ die Technik dann im Science-Fiction-Klassiker "Metropolis" (1926).
Zunächst wurde das von Schüfftan patentierte Verfahren in Deutschland ausschließlich von der Ufa und in den USA von Universal genutzt, mit der Gründung der "Deutsche Spiegeltechnik GmbH & Co." ab 1926 dann jedoch weltweit vertrieben. Schüfftan arbeitete einige Jahre als technischer Leiter der Firma, während der er die Tricktechnik weiter verfeinerte, zudem überwachte er die Verwendung des Verfahrens im Ausland. 1929 stieg er jedoch aus dem Geschäft aus: Die technische Ausführung erschien ihm während der Weltwirtschaftskrise als zu aufwändig und kostspielig, zudem wollte er sich nunmehr vorrangig der Kameraarbeit widmen.
Schüfftan trat als Kameramann erstmals beim stilprägenden semi-dokumentarischen Film "Menschen am Sonntag" (1930) in Erscheinung, einem zentralen Werk der späten Weimarer Republik, das die Leichtigkeit des Lebens feierte und an dem neben Schüfftan auch die späteren Exilanten Robert und Kurt Siodmak, Billy Wilder, Fred Zinnemann und Edgar G. Ulmer maßgeblich beteiligt waren. Um die Alltagsszenen eines Films einzufangen, der in Berlin und Umgebung an einem einzigen Sonntag spielt, wurde an Originalschauplätzen gedreht, teils mit versteckter Kamera. In den Folgejahren drehte er unter anderem erneut für Robert Siodmak in "Abschied (So sind die Menschen)" (1930), stand hinter der Kamera für Lupu Picks letzten Film "Gassenhauer" (1931) und Kurt Gerrons "Meine Frau, die Hochstaplerin" (1931).
Im Jahr 1931 drehte er außerdem seinen einzigen Langspielfilm als offizieller (Ko-)Regisseur, das Berliner Volksstück "Das Ekel" mit Komiker Max Adalbert in der Hauptrolle. Wie schon in "Menschen am Sonntag" spielt auch hier der Ortsbezug eine große Rolle; Schüfftans Inszenierung wie auch Kameraführung unterstreichen die Authentizität des abgebildeten Milieus. Kurze Zeit später wirkte er erneut als Koregisseur in einem Spielfilm mit; in "Die Wasserteufel von Hieflau" (1932) wurde ihm der Credit jedoch verwehrt und Schüfftan blieb ungenannt. Im selben Jahr drehte er für G.W. Pabst sein nächstes großes Projekt: "Die Herrin von Atlantis", der unter den Titeln "The Mistress of Atlantis" und "L'Atlantide" auch als englische und französische Version gefilmt wurde, sollte jedoch sein letzter Film in Deutschland werden.
Wie viele seiner Kollegen aus "Menschen am Sonntag" wurde auch der jüdische Filmemacher Schüfftan nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten zur Persona non grata. Er zog die Konsequenzen und emigrierte zunächst nach Frankreich, wo er weiter Filme drehte. So stand er beispielsweise bei Marcel Carnés "Drôle de drame" ("Ein sonderbarer Fall", 1937) und "Le quai des brumes" ("Hafen im Nebel", 1938) hinter der Kamera; Filme im Stil des poetischen Realismus, die von Schüfftans Verständnis des Zusammenspiels von Licht und Perspektive beseelt wurden. Ebenso arbeitete er in Frankreich häufig mit emigrierten deutschen Regisseuren zusammen, z.B. mit Max Ophüls in Filmen wie "Sans lendemain" ("Ohne ein Morgen", 1939) oder mit G.W. Pabst in "Le drame de Shanghaï" (1938) und anderen. Als es mit der NS-Besetzung Frankreichs für ihn auch dort unsicher wurde, verließ er Europa in Richtung USA.
Obgleich Eugen Schüfftan seinen Namen zu Eugen(e) Shuftan amerikanisierte, war es für ihn jedoch insbesondere während des Kriegs schwierig, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Arbeit als Kameramann zu finden. Die American Society of Cinematographers (ASC) machte Ausländern viele Auflagen und selbst als man Schüfftan 1947 schließlich einbürgerte, wurde er kein Mitglied der Gewerkschaft. Exil-Filmemacher wie Ulmer, Robert Siodmak und Detlef Sierck, der in den USA als Douglas Sirk bekannt wurde, setzten Schüfftan teilweise dennoch in ihren Filmen ein und umgingen die Auflagen der ASC mit der Umbenennung seiner Aufgaben in den Credits, in denen er als technischer Berater u.ä. geführt wurde.
In den Nachkriegsjahren arbeitete Schüfftan abwechselnd in den Vereinigten Staaten und in Europa, wo er vor allem an französischen Produktionen beteiligt war, bei einigen Dokumentarfilmen auch Regie führte und ebenso beim Fernsehen wirkte. 1951 wurde er für seine Arbeit am Kurzdokumentarfilm "L'Hotel-Dieu de Beaune" über das berühmte Hospiz im Burgund mit dem Prix du Tourisme Français ausgezeichnet.
Am Ende der 1950er-Jahre, während der seine Tricktechniken unter anderem im italienischen Monumentalfilm "Ulisse" ("Die Fahrten des Odysseus", 1954) erneut zum Einsatz gekommen waren, hatte sich eine produktive Zusammenarbeit mit Georges Franju herausgebildet. So filmte Schüfftan für den französischen Regisseur den Horror-Klassiker "Les yeux sans visage" ("Augen ohne Gesicht", 1960).
Im Jahr 1962 gewann Eugen Schüfftan den Oscar® für die beste Kamera (schwarzweiß) im Spielerdrama "The Hustler" ("Haie der Großstadt", 1961) unter der Regie von Robert Rossen. Für die herausragende Bildführung in dem Paul-Newman-Film wurde er ebenfalls 1962 von den amerikanischen Kinobetreibern als Preisträger des Golden Laurel 1962 für "Top Cinematography, Black and White" gewählt. 1964 wurde Schüfftan von Rossen für dessen letzten Film "Lilith" erneut verpflichtet, zudem erhielt er in diesem Jahr den Deutschen Filmpreis (Filmband in Gold) für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film.
Schüfftans letzter Film wurde 1966 "Chappaqua", eine semi-autobiografische, psychedelische Erzählung von Regisseur Conrad Rooks, die den Spezialpreis der Jury sowie den zweiten Platz im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspielen Venedig 1966 gewann, und für die neben dem Veteran auch Étienne Becker und Robert Frank hinter der Kamera standen.
Am 6. September 1977 starb Eugen Schüfftan, der 1975 noch mit dem Billy Bitzer Award der International Cinematographers Guild für "outstanding contribution to the motion picture industry" ausgezeichnet worden war, im Alter von 84 Jahren in New York City.
Unter dem Titel "Nachrichten aus Hollywood, New York und anderswo" wurde 2003 schließlich der gesammelte Briefwechsel der Schüfftans mit Siegfried und Lili Kracauer veröffentlicht, die sich 1941 auf dem Flüchtlingsschiff in Richtung USA kennengelernt hatten.