Film in der DDR
(basierend auf "Die DEFA-Story" von Hans-Michael Bock, in: Geoffrey
Nowell-Smith (Hg.): Geschichte des internationalen Films. Stuttgart:
Metzler 1998, S. 582-591)
Der Name DEFA, der Erinnerungen an den Konzernnamen Ufa wecken mag, klingt nach einer kapitalistischen Produktionsfirma. Gleichwohl stand die DEFA bereits von Beginn an in ihrer Struktur, mit ihrem Personal und ihren Produktionen für das Gegenteil. Die Abkürzung für "Deutsche Film AG" bezeichnet die einzige offizielle filmproduzierende Organisation in Ost-Deutschland, die von 1946 bis zu ihrer Auflösung 1990 nahezu 45 Jahre lang existierte – länger als die DDR selbst.
Die Gründung
Offiziell gegründet wurde die DEFA am 17. Mai 1946 im ehemaligen Althoff-Atelier in Potsdam-Babelsberg. Dort wurde vom Leiter der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) die Lizenz an die Gruppe "Filmaktiv" übergeben, eine Vereinigung engagierter Filmschaffender und Mitglieder der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Die DEFA wurde von den Sowjets kontrolliert und 1947 in eine SAG (Sowjetische Aktiengesellschaft) umgewandelt, mit Russen und Deutschen als Vorstandsmitgliedern. Nach Gründung der DDR 1949 ging die DEFA schrittweise in deutschen Hände, also in die neue Regierung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), über. Am 1. Oktober 1950 wurde das DEFA-Studio für Spielfilme ins Leben gerufen. Gleichzeitig entstanden auch ein Studio für Wochenschau- und Dokumentarfilme sowie 1955 in Dresden eines für Animationsfilme. 1953 wurden sie offiziell zu Volkseigenen Betrieben (VEB) ernannt.
Die Struktur
Die DEFA bediente sich der traditionellen Studiostruktur, wie sie auch bei der Ufa oder im Hollywood der 1930er Jahre bestand – jedoch mit einem entscheidenden Unterschied: In Hollywood und sogar in Nazi-Deutschland gab es mehrere konkurrierende Produktionsgesellschaften; in der DDR gab es nur eine einzige, die durch Staats- und Parteifunktionäre kontrolliert wurde, wobei die Hauptverwaltung Film ab 1954 die entscheidende Rolle spielte. Die offizielle Politik bestand darin, keine Regisseure und Autoren einzustellen, deren Namen durch Propagandafilme im Nationalsozialismus belastet waren. Auf der anderen Seite akzeptierte man alle, die in jener Zeit "nur" Techniker gewesen waren.
Das Personal
Das DEFA-Studio in Potsdam-Babelsberg (die ehemalige Ufa-Stadt) folgte der Tradition großer Studios, Beschäftigte aus (nahezu) allen Bereichen der Filmindustrie auf der Gehaltsliste stehen zu haben: Autoren, Regisseure, Szenografen, Kameraleute, Techniker, sogar ein Schauspieler-Ensemble. Dies führte zu einem hohen Standard handwerklichen Könnens, besonders im Bereich des Szenenbilds, wo die alte deutsche Tradition von Meister und Lehrling fortgesetzt wurde – von den 1920er Jahren über Willy Schiller bis zu Alfred Hirschmeier. Andererseits wurde die künstlerische Freiheit und der Mut zum Risiko eingeschränkt: Ideen, Szenarien und Drehbücher unterlagen einer langen Reihe von Überprüfungen durch Studio- und Parteifunktionäre. Das DEFA-Signet ist mit einer Reihe prägender und bedeutender Regisseure verbunden – unter ihnen Frank Beyer, Wolfgang Staudte, Kurt Maetzig, Konrad Wolf, Volker Koepp, Barbara Junge und Winfried Junge. Gleichwohl war es schwierig, Regisseur zu werden, ohne einem strikt vorgegebenen Weg zu folgen, zu dem auch der Besuch der Filmhochschule in Babelsberg gehörte, die 1954 als Deutsche Hochschule für Filmkunst gegründet worden war. Zugleich gelang es der DEFA, viele bedeutende Schriftsteller des Landes für die Filmarbeit zu interessieren: Christa Wolf, Klaus Schlesinger, Fritz Rudolf Fries, Günter Kunert, Franz Fühmann. Andere – Günther Rücker, Jurek Becker, Ulrich Plenzdorf, Helga Schütz und Regine Kühn – waren freie oder fest angestellte Drehbuchautoren. Da die DEFA auf eine große Auswahl von ausgezeichneten Schauspielern (vor allem der Ost-Berliner Bühnen) zurückgreifen konnte, brachte sie erstklassige Filmschauspieler hervor, von denen einige – wie z.B. Manfred Krug, Armin Mueller-Stahl, Angelica Domröse und Jutta Hoffmann – beliebte Stars wurden und es auch nach ihrer Übersiedlung in den Westen blieben. Der populärste ostdeutsche Star war Erwin Geschonneck, der als Kommunist Emigration und (nach Auslieferung durch die UdSSR an die Nazis) einige Jahre KZ-Haft erlitten hatte und nach dem Krieg mit Bertolt Brecht am Berliner Ensemble zusammenarbeitete. Er benutzte einige Male seinen Einfluss, um verbotene Filme (seine eigenen eingeschlossen) doch frei zu bekommen.
Die Filme
Die DEFA produzierte über 700 Spielfilme, darunter ca. 150 Kinderfilme, während für das Fernsehen von 1959 bis 1990 über 600 Spielfilme hergestellt wurden. Zudem entstanden ungefähr 750 Animationsfilme und ca. 2.250 Dokumentar- und Kurzfilme sowie Wochenschauen, wobei sich vor allem der Dokumentarfilm zu einem bedeutenden Sektor entwickeln konnte. Die erste DEFA-Produktion war zugleich der erste deutsche Nachkriegsfilm. Wolfgang Staudtes "Die Mörder sind unter uns" kündigte 1946 eine langjährige Politik der DEFA an: Es ging darum, stilistisch wie inhaltlich und ideologisch auf das Propaganda-Kino Nazi-Deutschlands zu reagieren, was vor allem in weiteren frühen Klassikern der DEFA erfolgreich gelang. Die folgenden Jahrzehnte brachten sehr unterschiedliche Entwicklungen innerhalb der auf Einheitlichkeit ausgerichteten DEFA: So kam es neben der durchgängigen Produktion von Unterhaltungsfilmen u.a. zu Produktionen im Stile des Sozialistischen Realismus, zu Märchen- und Literaturverfilmungen, zu dezidiert antifaschistischen Filmen, zu politisch unterfütterten Indianerfilmen, aber auch zu zeit- und gesellschaftskritischen Produktionen, die zu Konflikten und Verboten führten. Weitere Versuche wie der dokumentarische Spielfilm folgten, unterstützt von der Hoffnung auf eine liberalere Kulturpolitik durch die Machtübergabe von Walter Ulbricht an Erich Honecker im Jahre 1971. Schließlich jedoch blieb die erzwungene Tendenz vorherrschend, Kritik an politischen und sozialen Verhältnissen zu vermeiden oder zu verschleiern.
Das Ende
In den 1980er Jahren führte nicht zuletzt die Öffnung des Filmmarktes der DDR für Westproduktionen zu einer Krise der DEFA. Mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der BRD kam schließlich das Ende. Im Juli 1990 wurde die DEFA in die Verwaltung der Treuhandanstalt überführt, und seitdem die ehemaligen DEFA-Filmstudios in Babelsberg zwei Jahre später, im August 1992, von einen Medienkonzern übernommen und fast alle DEFA-Mitarbeiter entlassen wurden, befinden sich die Babelsberg-Studios in Händen privatwirtschaftlicher Unternehmen. Am 13. Oktober 1993 feierte mit Herwig Kippings "Novalis – Die blaue Blume" der letzte Spielfilm mit dem DEFA-Signet seine Premiere. Der DEFA-Nachlass wird heute von der DEFA-Stiftung verwaltet.