Ich küsse Ihre Hand, Madame
Ich küsse Ihre Hand, Madame ...
Hans Wollenberg, Lichtbild-Bühne, Nr. 15, 18.1.1929
Der Tauentzien-Palast steht im Zeichen des Tonfilms. Die Tonfilm-Vorführungen, gemeinsam von der Tobis und dem D. L. S. aufgezogen, haben uns gestern bereits beschäftigt und werden in unserem Beiblatt "Film und Ton" am Sonnabend noch Gegenstand grundsätzlicher Erörterung sein.
Der Hauptfilm, dessen Uraufführung der gestrige Abend im Tauentzien-Palast brachte, ist auch vom Tonfilm nicht unberührt geblieben. – Doch davon später.
Denn er ist nicht nur durch die Verwendung des Tonfilms, sondern auch in mancher anderen Hinsicht bemerkenswert. Einmal ist es der erste Harry-Liedtke-Film, den das D. L. S. herausbringt. Zum zweiten steht er im Zeichen des größten populärsten Schlagers, den dieser Winter gezeugt hat, und der in aller Munde und auf aller Grammophone ist: "Ich küsse Ihre Hand, Madame". Das sind von vornherein zwei außerordentliche Erfolgs-Chancen.
Und sie sind ausgenutzt worden. Man hat um den Schlager herum ein Manuskript geschrieben, das den Massen – namentlich den weiblichen – ihren Liebling Harry so zeigt, wie sie ihn sehen wollen: Russischer Graf in blendend sitzendem Frackmantel, jetzt Oberkellner im nicht minder blendend sitzenden Frack, immer Gentleman, immer diskreter Mittelpunkt aller weiblichen Sehnsüchte.
Neben ihm eine entzückende Hauptdarstellerin: Marlene Dietrich. Ein bemerkenswert glücklicher Griff: Internationaler Typ, verführerische Figur, charmantes Gesicht und viel Grazie bei der Verwendung prachtvoller Pariser Toiletten. Um dieses Paar herum arrangiert Robert Land einen Film, der ihn nun wieder einmal von seiner guten und hoffnungsvollen Seite zeigt. Er mischt ein bißchen Sentimentalität mit ein bißchen Frivolität, eine gute Dosis Humor mit einem Schuß sozialer Pathetik (auch ein Kellner ist ein Gentleman – selbst wenn er früher russischer Graf war) – das Ganze geht uns angenehm und glatt ein, es unterhält und amüsiert. Und wenn in dieser Mixture auch die paar Gramm Kitsch nicht fehlen, die zum Busineß gehören, so verrät der Mixer Robert Land in der Art, wie er den Drink serviert, doch viel Kultur und Geschmack.
Und doch wäre der Film nicht der Erfolg, der er ist, wenn – Karl Huszar-Puffy nicht wäre. Der amüsante Dicke hat sich zu einem Charakterkomiker ersten Ranges gesteigert und entwickelt komische Wirkungen im Spiel die – von der Regie immer wieder an der richtigen Stelle eingesetzt – durchschlagende Zündkraft haben.
Robert Neppach als Architekt schuf der Handlung den pariserisch eleganten Rahmen, Carl Drews und Gotthart Wolff, die Kameraleute, füllten ihn mit pariserischer Atmosphäre; ihre Kamera arbeitete weich und sättigte die Photographie mit der richtigen Stimmung. Bemerkenswert die Nachtaufnahmen in Paris.
Als Sonder-Attraktion hat man dem Film ein paar Meter Ton-Aufnahme mit auf den Weg gegeben. Harry Liedtke singt mit Taubers Organ den Schlager des
Tages von der "Hand" und der "Madame". Den vielen Theaterbesitzern, die über eine Tonfilm-Apparatur nicht verfügen, sei gesagt, daß der Film auch ohne diese Toneinlage an seiner Wirkung nichts verliert. Nicht immer ist es so leicht wie hier, den großen Publikumserfolg das "aufgelegte Geschäft" vorauszusagen.