François Truffaut
François Truffaut wurde am 6. Februar 1932 in Paris unehelich geboren und wuchs zunächst bei seiner Großmutter auf. Er verlebte eine chaotische Kindheit und Jugend mit Diebstählen und Jugendstrafen. Schon als Kind soll er aber auch regelmäßig Filmvorstellungen besucht haben, die Rede ist von 3000 Filmen in zehn Jahren. Von 1950 bis 1952 war er beim Militär, wobei er sich bereits ab 1950 als Filmkritiker betätigte, unter anderem bei den 'Cahiers du cinéma'. Er besuchte regelmäßig die Cinémathèque française, in der er bereits spätere Mitstreiter der Nouvelle Vague wie Jean-Luc Godard, Louis Malle oder Claude Chabrol kennenlernte. Von 1955 bis 1956 war er Assistent von Roberto Rossellini. 1957 heiratete er Madeleine Morgenstern, mit der er bis 1965 verheiratet blieb.
Ab 1954 drehte Truffaut eigene Filme, beginnend mit den Kurzfilmen "Une visite" ("Ein Besuch", 1954) und "Les Mistons" ("Die Unverschämten", 1957), wobei sein Erstling autobiographische Elemente aufweist. 1958 folgte "Une histoire d’ eau" ("Eine Geschichte des Wassers"), den Truffaut begann und Godard abschloss. 1959 startete der "Doinel-Zyklus" (benannt nach der Hauptfigur Antoine Doinel) mit Truffauts Langfilmdebüt "Les quatre cents coups" ("Sie küssten und sie schlugen ihn"), der ihm in Cannes den Regiepreis einbrachte und als ein frühes Hauptwerk der Nouvelle Vague Filmgeschichte schrieb. 1960 folgte der Thriller "Tirez sur le pianiste" ("Schießen Sie auf den Pianisten").
Schon 1955 war Truffaut auf den Roman "Jules et Jim" ("Jules und Jim") von Henri-Pierre Roché aus dem Jahr 1953 aufmerksam geworden, 1959 beschloss er, den Stoff zu verfilmen. Der Film erzählt die Dreiecksgeschichte von Jules (Vorbild: Franz Hessel, Berliner Flaneur und Schriftsteller, Darsteller: Oskar Werner), Jim (Vorbild: Kunsthändler Henri-Pierre Roché. Darsteller: Henri Serre) und Catherine (Vorbild: Modejournalistin und Übersetzerin Helen Hessel, Darstellerin: Jeanne Moreau). 1962 kam der Film in die Kinos, im selben Jahr auch der Kurzfilm "Antoine et Colette" ("Antoine und Colette"), Teil des Omnibus-Films "Liebe mit Zwanzig" und der zweite Film des Doinel-Zyklus. Dem Thema Ehebruch widmete Truffaut 1964 den Film "La peau douce" ("Die süße Haut").
1966 verfilmte Truffaut den dystopischen Roman "Fahrenheit 451" von Ray Bradbury, erneut mit Oskar Werner in der Hauptrolle. Der Titel verweist auf die Temperatur, bei der Papier zu brennen beginnt. 1967 veröffentlichte er auf der Basis eines rund 50-stündigen Interviews mit Alfred Hitchcock das Buch "Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht", das bis heute als eines der wichtigsten Werke der Filmliteratur gilt, sowie den Psychothriller "La mariée était en noir" ("Die Braut trug schwarz"), 1968 gefolgt von einem weiteren Film des Doinel-Zyklus, "Baisers volés" ("Geraubte Küsse"). 1969 widmete sich Truffaut erneut dem Genre des Psychothrillers mit "La sirène du Mississippi" ("Das Geheimnis der falschen Braut") und, auf einem wahren Fall aus dem Jahr 1798 beruhend, "L'enfant sauvage" ("Der Wolfsjunge").
1970 erweiterte er den Doinel-Zyklus um die Episode "Domicil conjugal" ("Tisch und Bett"). Ein weiterer Roman Henri-Pierre Rochés diente ihm 1971 als Vorlage für "Les deux Anglaises et le continent" ("Zwei Mädchen aus Wales und die Liebe zum Kontinent"). Komödiantischer arbeitete er wieder 1972 mit "Une belle fille comme moi" ("Ein schönes Mädchen wie ich"). Sein Film über das Filmemachen "La nuit américaine" ("Die amerikanische Nacht", 1973) gewann den Oscar für den Besten fremdsprachigen Film. 1975 erschienen sein Buch "Die Filme meines Lebens" und der Film "L'histoire d'Adèle H." ("Die Geschichte der Adèle H."), über die obsessive Liebe der Tochter Victor Hugos. 1976 kehrte er mit "L'argent de poche" ("Taschengeld") zum Thema Kindheit und Jugend zurück.
1977 hatte François Truffaut einen Auftritt als Schauspieler in Steven Spielbergs Science-Fiction-Blockbuster "Close Encounters of the Third Kind" ("Unheimliche Begegnung der dritten Art"), außerdem kam sein Film "L'homme qui aimait les femmes" ("Der Mann, der die Frauen liebte") in die Kinos. Um obsessive Liebe und den Tod ging es auch in seinem düster-melancholischen Film von 1978 "La chambre verte" ("Das grüne Zimmer"). 1979 schloss er den Doinel-Zyklus mit "L'amour en fuite" ("Liebe auf der Flucht") ab.
Am 17. September 1980 feierte Truffauts Film "Die letzte Metro" Premiere. Die französisch-deutsche Koproduktion spielt im von den Nazis besetzten Paris und erzählt abermals eine Dreiecksgeschichte, hier zwischen einem Résistance-Kämpfer (Gérard Depardieu), einer Schauspielerin (Catherine Deneuve) und ihrem Ehemann und Theaterbesitzer (Heinz Bennent), der sich, weil er Jude ist, im Keller seines eigenen Theaters verstecken muss. "Le dernier métro" gewann 10 Césars und wurde für den Oscar nominiert. 1981 folgte die Liebesgeschichte "La femme d'à côté" ("Die Frau nebenan"), 1983 drehte Truffaut seinen letzten Film, den eleganten, stark von Hitchcock inspirierten Thriller "Vivement dimanche" ("Auf Liebe und Tod").
Aus der Ehe mit Madeleine Morgenstern hatte Truffaut zwei Kinder, eine weitere, 1983 geborene Tochter hatte er aus einer Beziehung zu Fanny Ardant.
François Truffaut starb am 21. Oktober 1984 im Alter von nur 52 Jahren in Paris an einem Hirntumor.
Autor: Rüdiger Erdmann