Philipp Kadelbach
Philipp Kadelbach, geboren am 9. September 1974 in Frankfurt am Main, studierte in den USA an der Pittsburgh Filmmakers' School of Film, Photography, and Digital Media. Während dieses Studiums arbeitete er ein Jahr lang für den lokalen Fernsehsender WQED. Zurück in Deutschland bekam er 1995 eine Stelle bei der Frankfurter Werbefilmagentur Neue Sentimental Film, als Leiter der Abteilung Avid Digital Editing. Im Jahr darauf begann er ein Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Sein Abschluss-Kurzfilm "Platonische Liebe" (1999) wurde mit dem Murnau-Kurzfilmpreis ausgezeichnet und lief im Panorama der Berlinale 2000. Nach seinem Abschluss drehte Kadelbach Werbespots, Imagefilme und Musikvideos.
Ab dem Jahr 2007 arbeitete er vor allem fürs Fernsehen. Er inszenierte die ersten vier Folgen der zwölfteiligen Krimiserie "Unschuldig?!" (2008) und den zweiteiligen Öko-Thriller "Das Geheimnis der Wale" (2010) mit Veronica Ferres in der Hauptrolle. Ein großer Zuschauererfolg war der aufwändig produzierte Katastrophen-Zweiteiler "Hindenburg" (2011); zur hochkarätigen Besetzung gehörten neben Heiner Lauterbach, Justus von Dohnányi und Christiane Paul (um nur ein paar zu nennen) auch die internationalen Stars Greta Scacchi und Stacy Keach. Die Kritiken waren wohlwollend und beim Deutschen Fernsehpreis 2011 wurde "Hindenburg" als Bester Mehrteiler ausgezeichnet.
Viel Aufsehen erregte der Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter" (2013), über fünf Freund:innen aus Berlin und ihre erschütternden Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs zwischen 1941 und 1945. Der Dreiteiler wurde in Deutschland äußerst kontrovers diskutiert. So schrieb der Historiker Norbert Frei im Stern: "Der Film ist schon deshalb ein Fortschritt, weil wir den Krieg gegen die Sowjetunion im deutschen Fernsehen noch nie auf eine so ungeschönte Weise gesehen haben. Der Vorzug dieses Dreiteilers sind seine Grautöne: keine eindimensionalen, idealisierten Figuren, keine Einladung zur leichten Identifikation, kein Melodrama, sondern gebrochene Charaktere, die sich ihrer Mitschuld bewusstwerden". Auf der anderen Seite schrieb der Historiker Ulrich Herbert in der taz: "Unsere Väter und unsere Mütter waren eben nicht nur junge Leute, die einfach nur leben wollten, es wegen des Krieges aber nicht konnten, wie es der Film suggeriert. Es handelte sich um eine hoch ideologisierte, politisierte Generation, die den deutschen Sieg, den Sieg des nationalsozialistischen Deutschlands wollte, weil sie ihn für richtig hielt." Auch im Ausland gab es scharfe Kritik an der geschichtlichen Darstellung, vor allem in Polen und den USA.
Dem Erfolg tat all dies keinen Abbruch: Von der Deutschen Akademie für Fernsehen wurde der Dreiteiler in sieben Kategorien ausgezeichnet, darunter die Beste Regie; beim Deutschen Fernsehpreis gab es den Preis für den Besten Mehrteiler, beim Bayerischen Fernsehpreis einen Sonderpreis für das Ensemble. Bei den International Emmy Awards 2014 in New York gewann "Unsere Mütter, unsere Väter" den Preis als Beste Miniserie.
Nach dem erfolgreichen Historien-Zweiteiler "Die Pilgerin" (2014) nahm Kadelbach sich erneut eines Themas aus der Nazizeit an: "Nackt unter Wölfen" (2015, TV), nach dem berühmten Roman von Bruno Apitz, erzählte von eine Widerstandsgruppe im KZ Buchenwald des Jahres 1945, die einen kleinen Jungen vor der SS versteckt. Der Film erhielt zwiespältige Kritiken, wurde aber für den Grimme Preis nominiert und brachte Kadelbach den Bayerischen Fernsehpreis für die Beste Regie ein; beim Deutschen Fernsehpreis gewann "Nackt unter Wölfen" den Preis als Bester Fernsehfilm, beim Atlanta Jewish Film Festival wurde er mit zwei Publikumspreisen ausgezeichnet.
Sehr positive Kritiken erhielt der düstere Thriller "Auf kurze Distanz" (2016, TV), über einen verdeckten Ermittler (Tom Schilling), der die Berliner Sportwetten-Mafia infiltriert. Auch dieser Film erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Hamburger Krimipreis. Danach inszenierte Kadelbach die britische Miniserie "SS-GB" (2017), eine Krimigeschichte in einem fiktiven, von den Nazis besetzten England, nachdem die Deutschen den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben. Ebenfalls als britische Produktion drehte Kadelbach in Frankreich die ersten zwei Folgen der von Neil Jordan konzipierten High-Society-Serie "Riviera" (2017).
Zurück in Deutschland realisierte Philipp Kadelbach seinen ersten Kinofilm, der zugleich eine Abkehr von den ernsten und historischen Stoffen markierte: die Tragikomödie "So viel Zeit", nach dem Roman von Frank Goosen, erzählte von den alternden Ex-Mitgliedern einer Teenage-Rockband, die nach 30 Jahren ein Comeback wagen. Trotz guter Kritiken war der Film kein großer Kassenerfolg.
Erneut fürs Fernsehen drehte Kadelbach die Serie "Parfum" (2018), frei nach Motiven des Weltbestsellers "Das Parfum" von Patrick Süskind, doch anders als dieser in der Gegenwart angesiedelt. Ebenfalls nach Motiven einer Buchvorlage entstand die Serie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", über eine Gruppe von Teenagern, die im Berlin der 70er Jahre immer tiefer in Drogensucht und Beschaffungsprostitution abgleiten. Die Serie startete im Februar 2021 als Stream bei Amazon Prime Video.