Heinz Drache
Heinz Drache wurde am 9. Februar 1923 in Essen geboren. Seine Leidenschaft für die Schauspielerei entwickelte er bereits als Schüler: Wie er später in einem Interview erzählte, konnte er mit 14 Jahren Goethes "Faust" vollständig rezitieren. Nach dem Abitur arbeitete er als Statist am Essener Theater. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er zum Kriegsdienst einberufen und zunächst in Nürnberg stationiert. Dort nahm Drache kurzentschlossen an einer Eignungsprüfung für den Bühnenberuf teil. Dabei wurde er vom Intendanten des Nürnberger Schauspielhaus entdeckt und 1943 für die Rolle des Prinzen in einem Weihnachtsmärchen besetzt. Das Stück fand ein großes Publikum und nach weiteren erfolgreichen Auftritten befreite man Drache gänzlich vom Militärdienst.
Auch nach dem Krieg setzte Drache seine Schauspielkarriere an verschiedenen deutschen Bühnen fort, unter anderem am Deutschen Theater Berlin. Im Berliner Künstlerklub "Die Möwe" spielte er 1946 in Schillers "Die Räuber". Durch diese Rolle wurde Gustaf Gründgens auf ihn aufmerksam: Er engagierte Drache für seine Inszenierung der russischen Märchenkomödie "Der Schatten" an den Kammerspielen des Deutschen Theaters. Das Stück wurde 1947 ein überragender Erfolg und markierte für Drache den Durchbruch als Bühnenschauspieler.
Als Gründgens noch 1947 als Generalintendant an die Städtischen Bühnen Düsseldorf wechselte, folgte ihm Drache. Bis 1954 wirkte er dort in Stücken unter anderem von Curt Goetz, Oscar Wilde, Eugene O'Neill und George Bernard Shaw mit. In den Jahren danach hatte er Engagements unter anderem in Frankfurt, Berlin und München.
Sein Kinodebüt gab Drache 1953 in dem Musikfilm "Einmal kehr' ich wieder", in einer tragenden Nebenrolle als amerikanischer Freund einer Millionärstochter; der Film war zwar kein großer Kassenerfolg, machte aber andere Regisseure auf Draches Talent aufmerksam. So besetzte ihn Hans Wolff in der Hauptrolle eines Schlagerkomponisten in "Bei dir war es immer so schön" (1954), einer filmischen Hommage an den 1953 verstorbenen Komponisten Theo Mackeben. Im gleichen Jahr hatte er eine kleinere Nebenrolle als Pariser Student in dem erfolgreichen Fernseh-Dreiteiler "Im sechsten Stock" (1954).
In den Jahren danach wirkte Drache in Haupt- und Nebenrollen in einigen populären Unterhaltungsfilmen für Kino und Fernsehen mit. So hatte er in dem Kriegs- und Agentenfilm "Spion für Deutschland" (1956) eine prägnante Nebenrolle als beinharter FBI-Agent und verkörperte in dem Lustspiel "Kein Auskommen mit dem Einkommen" (1957) einen aufmüpfigen Fabrikantensohn, der sich als Lastwagenfahrer unter das "einfache Volk" mischt; in "Madeleine Tel. 13 62 11" (1958), einer Mischung aus Kriminal- und Exploitationfilm, war er ein Kommissar im Berliner Rotlichtmilieu. 1959 wirkte Drache in "Bei Anruf Mord" mit, einem TV-Remake von Alfred Hitchcocks gleichnamigem Kinofilm; darin spielte er die Rolle des Ehemanns, der ein Mordkomplott gehen seine eigene Frau schmiedet (den Kommissar spielte Siegfried Lowitz). Wie die meisten deutschen Fernsehspiele dieser Zeit wurde "Bei Anruf Mord" nicht als Aufzeichnung ausgestrahlt, sondern ähnlich einem Theaterstück live vor den Kameras aufgeführt.
Eine starke Kino-Nebenrolle hatte Drache als zynischer Spätheimkehrer in Helmut Käutners sozialkritischem Drama "Der Rest ist Schweigen" (1959). Alfred Vohrer besetzte ihn in dem erfolgreichen Sozialdrama "Mit 17 weint man nicht" (1960) als strengen Stiefvater der jugendlichen Hauptfigur. Ebenfalls 1960 spielte Drache in der populären Edgar-Wallace-Verfilmung "Der Rächer" die Hauptrolle eines britischen Ermittlers, der einem wahnsinnigen Mörder auf die Spur kommt.
Der endgültige Durchbruch gelang ihm allerdings mit einer Fernsehproduktion: als Pfeife rauchender Kriminalinspektor Harry Yates in dem Durbridge-Mehrteiler "Das Halstuch". Der sechsteilige Krimi wurde im Januar 1962 ausgestrahlt und war ein so überragender Publikumshit, dass er maßgeblich den Begriff "Straßenfeger" für besonders erfolgreiche TV-Produktionen prägte. Bei der Leserwahl der Jugendzeitschrift "Bravo" erhielt Drache 1962 den 'Goldenen Bravo Otto' als beliebtester TV-Star.
Nach "Das Halstuch" wurde Drache auch im Kino vor allem als Verbrecherjäger besetzt. So spielte er lässige Scotland-Yard-Inspektoren oder andere Ermittler in einigen der bekanntesten Edgar-Wallace-Filme: "Die Tür mit den sieben Schlössern" (1962), "Das indische Tuch (1963), "Der Zinker" (1963), "Der Hexer" (1964) und "Neues vom Hexer" (1965). Daneben wirkte er in anderen Kriminal- und Abenteuerfilmen mit. In Jürgen Rolands "Der schwarze Panther von Ratana" (DE/IT 1963) war er ein deutscher Ingenieur, der in Thailand in unheimliche Ereignisse verwickelt wird; in "Coast of Skeletons" ("Sanders und das Schiff des Todes", UK 1964) spielte er einen Abenteurer auf der Suche nach einem Goldschatz. In "Ein Sarg aus Hongkong" (DE/FR 1964) war er als Detektiv in der Hongkonger Unterwelt unterwegs, und in "Die dreizehn Sklavinnen des Dr. Fu Man Chu" (GB/DE 1966) trat er als Wissenschaftler gegen den titelgebenden Schurken an. Als Kuriosum kann man den Familienfilm "Sandy the Seal" betrachten: Er wurde 1964 als britische Produktion in Südafrika gedreht, vermutlich in direktem Anschluss an den ebenfalls dort entstandenen "Sanders und das Schiff des Todes" (der Produzent und die zentrale Crew beider Filme sind identisch). Drache spielte darin einen Leuchtturmwärter, der mit seiner Familie ein Robbenbaby vor Pelzjägern rettet. Der Film kam mit teils jahrelanger Verzögerung nur in Südafrika, England und Südamerika in die Kinos, nicht aber in Deutschland. Für deutlich mehr Aufsehen sorgte dafür das bei der Berlinale 1967 uraufgeführte Drama "Zeugin aus der Hölle", einer der wenigen deutschen Filme jener Zeit, die den Holocaust und seine Nachwirkungen auf die überlebenden Opfer thematisierten. Drache spielte darin einen Staatsanwalt, der eine Holocaust-Überlebende zu einer Aussage vor Gericht bewegen will.
Aber trotz seiner Erfolge und positiven Kritiken für "Zeugin aus der Hölle" zog Drache sich wenig später vom Filmgeschäft zurück. Mit "Der Hund von Blackwood Castle" (1967) drehte er seinen letzten Kinofilm: In dem Krimi nach Motiven von Edgar Wallace und dem Sherlock-Holmes-Roman "Der Hund von Baskerville" gab er jedoch überraschenderweise nicht den Ermittler, sondern einen mörderischen Schurken. In den folgenden 28 Jahren spielte Drache in erste Linie und mit großem Erfolg Theater. Seine Bandbreite reichte dabei von der Rolle des Riccault in Lessings "Minna von Barnhelm" über den Verteidiger Greenwald in "Die Meuterei auf der Caine" bis zur Titelrolle in Jean Anouilhs "Moniseur Ornifle". Ein besonderer Triumph war seine Hauptrolle in der Curt-Goetz-Komödie "Hokuspokus", ein Stück, in dem er während Tourneen in den 1970er Jahren über 700 Mal auf der Bühne stand. Daneben betätigte er sich – wie schon in früheren Jahren – als Hörspiel- und Synchronsprecher. Im Lauf der Jahrzehnte hatte Drache zahlreichen Stars seine Stimme geliehen: unter anderem Sean Connery (in "Marnie", US 1964), Robert Duvall (in "Apocalypse Now", US 1979), Dennis Hopper (in "The Osterman Weekend", US 1983) und Charlton Heston (in der Serie "Denver Clan", US 1981-89).
Nur zwei Mal stand er in den 1970er Jahren selbst vor der Kamera: In Gastrollen in je einer Folge der Krimiserien "Der Alte" (1977) und "Derrick" (1979). Erst 1985 meldete Drache sich als Fernsehschauspieler zurück: in den Berliner "Tatort"-Folgen spielte er den eleganten Kriminalhauptkommissar Hans Georg Bülow, der eine Art Gegenpol zu Götz Georges ruppigem Ruhrpott-Kommissar Schimanski bilden sollte. Bis 1989 entstanden insgesamt sechs Folgen mit Drache als "Nadelstreifen-Kommissar". Da aber der Zuschauererfolg sich nicht im erhofften Maße einstellte, wurden keine weiteren Folgen gedreht.
Danach spielte Drache erst 1999 wieder eine Fernsehrolle, als Professor in einer Folge der Serie "Sturmzeit". Es folgte ein Auftritt als distinguierter, aber vom Leben gezeichneter Unternehmer in einer Folge der Serie "Soko München" (2000) und eine zentrale Rolle als standesbewusster Vater eines jungen Adeligen in "Adelsromanzen – Jenseits des Regenbogens" (2001, TV).
Am 3. April 2002 starb Heinz Drache nach einem längeren Krebsleiden in einem Berliner Krankenhaus an einer Lungenentzündung.