Wolf Hart
Wolfgang Gustaf Adalbert Hart, genannt Wolf, wurde am 13. Juni 1911 in Meiningen als Sohn eines Theaterregisseurs geboren und wuchs in Freiburg auf. Dort begann er ein Studium in den Fächern Geschichte, Kunstgeschichte, Geographie und Sport. Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 wollte Hart als Führer des Sozialistischen Studentenbundes die Universität durch die SPD-Truppe "Reichsbanner" besetzen lassen – als Folge musste er die Universität verlassen.
Durch das Studienverbot kam es zu einem Neuanfang beim Film. Erste Erfahrungen sammelte er als dritter Kamera-Assistent ("Stativkutscher") von Sepp Allgeier, erstmals bei Heinz Pauls "Wilhelm Tell" (1933/34), dann bei Herbert Selpins "Der Springer von Pontresina" (1934), einem Spielfilm über Skispringer. Als nächstes assistierte er Allgeier bei Leni Riefenstahls "Triumph des Willens" (1935), einem Propagandafilm über den Reichsparteitag der NSDAP 1934 in Nürnberg. Für den Propagandafilm "Ewiger Wald" (1936) stand Hart, dem großes Talent nachgesagt wurde, als einer von insgesamt neun Kameramännern erstmals selbstständig hinter der Kamera. Der Dokumentarfilm versuchte, im Sinne der "Blut und Boden"-Ideologie der Nationalsozialisten die Geschichte des deutschen Volkes als Geschichte des deutschen Waldes zu erzählen. Ebenfalls 1936 war Hart einer der Kameramänner bei Leni Riefenstahls zweiteiligem Dokumentarfilm "Olympia" (1938). Wenngleich seine Mitwirkung an solcherlei Propagandafilmen in Kontrast zu seinen studentischen Anti-Nazi-Positionen stand, galt Hart nie als Anhänger des Hitler-Regimes und dessen Ideologie.
Nach "Olympia" führte Wolf Hart 1938 bei dem Kurz-Dokumentarfilm "Heide" erstmals Regie – und wurde mit dem Film prompt zu den Filmfestspielen von Venedig eingeladen. Es folgten der kurze Dokumentarfilm "Feuer im Schiff" (1938) sowie der in Hamburg angesiedelte Kurz-Dokumentarfilm "Hafen" (1939). Später sollte die Hansestadt, in der er ab 1953 auch seine Produktionsfirma "Hart Film" ansiedelte, immer wieder zum Schauplatz seiner Filme werden. Zunächst ging er jedoch nach Berlin, wo er während des zweiten Weltkriegs bei Tobis und der Ufa unter Vertrag stand und Kurzdokumentationen realisierte. Nach Kriegsende war er in Freiburg tätig, wo er eine Drehlizenz in der französischen Besatzungszone erhielt. Dort hatte er 1941 bereits den aufwändigen und prämierten Kulturfilm "Der Landbriefträger" über skifahrende Postboten im Hochschwarzwald gedreht.
In den Nachkriegsjahren versuchte Hart, seine eigene, poetische Vorstellung von Wirklichkeit in Kulturfilmen umzusetzen, was ihm vor allem in den 1950er-Jahren immer wieder eindrucksvoll gelang. Für die 'Hervorragende Kameraführung' bei dem dokumentarischen Kurzfilm "Der Strom führt Eis" erhielt er 1955 seinen ersten Bundesfilmpreis als Filmband in Silber. Sein Film "Regen" (1957) wurde auf dem Mannheimer Kulturfilmtreffen als Bester Film ausgezeichnet und lief außerdem bei Festivals in Edinburgh und in Südamerika. Auch das Nachfolgeprojekt "Abseits" (1958), in dem sich Hart der Bewegung von Wasser und Sand im Wattenmeer der Nordsee widmete, ließ eindrucksvoll den Stilwillen des Regisseurs erkennen, dem es immer ein Anliegen war, die Form nicht hinter den Inhalt zu stellen, sondern im Gegenteil besonderen Wert auf sie zu legen. Der Film erhält so eine abstrakt-malerische Qualität und wurde ebenfalls auf internationalen Festivals hoch gelobt; beim Filmfestival in San Sebastián bekam "Abseits" den Preis für den Besten Kurzfilm. Gleiches lässt sich über "Kleine Weltentdeckung" (1958) sagen, der unter anderem in Venedig preisgekrönt wurde. Wolf Hart und seine Frau Helga schildern darin einen Tag aus der Perspektive ihrer dreijährigen Tochter Sabine.
Zentral in Harts Verständnis seiner Filme als Kulturfilme war dabei stets die Idee der exakten Darstellung von sichtbarer Wirklichkeit mit gleichzeitigem künstlerischem Anspruch. Auch deshalb zählt man ihn aus heutiger Sicht zu den Pionieren des modernen deutschen Dokumentarfilms, obwohl er selbst mit diesem Begriff nichts anfangen konnte. Kulturfilme hingegen seien Filme, die Kultur besäßen sowie Kultur vermittelten, so Wolfgang Hart. Als großes Vorbild führte er in diesem Zusammenhang stets Flahertys "Nanook of the North" (USA 1922) an, der seinerseits ein erklärter Bewunderer von Harts Filmen war.
Auch wenn der Filmemacher gegenüber dem klassischen Lehrfilm stets kritisch eingestellt war, drehte er insbesondere in den 1950er-Jahren auch einige Unterrichtsfilme für das Institut für Wort und Bild, mit denen er ernsthaftes Interesse an Menschen und Themen wecken wollte, so zum Beispiel in "Gemeindeschwester Anne" (1950), "Blinde finden ihren Weg" (1953) oder aber "Nord-Ostsee-Kanal" (1959). Sein "re-education" Film "Werftarbeiter" (1952) stellt ebenfalls den Menschen filmisch in einen sozialen Kontext.
1962 war Hart an dem Omnibusfilm "Hütet eure Töchter!" beteiligt, einer Wiederauflage des Aufklärungsfilms, einem Genre, das sich um 1920 herum großer Beliebtheit erfreut hatte. In Harts Segment 'Der Fall Inge' schildert er das Schicksal einer behüteten jungen Frau, die sich durch den schlechten Einfluss der Medien auf einer Party mit dem falschen Mann einlässt. Dieser Beitrag war einer der wenigen Spielfilme des Regisseurs, bei der Kritik war ihm kein Erfolg beschieden.
Für "Bauhütte 63" erhielt Hart 1964 seinen zweiten Bundesfilmpreis, diesmal als Filmband in Gold in der Kategorie 'Kurze Kulturfilme'. In dem Film, bei dem der Filmemacher wie so oft sowohl für Regie und Drehbuch, als auch für Kamera und Schnitt verantwortlich zeichnete und den er auch selbst produzierte, dokumentierte er die Restaurierungsarbeiten am Freiburger Münster auf seine gewohnt eigenwillige und poetische Art und Weise. In den 1960er-Jahren entwickelte sich nach Hamburg und Freiburg auch Karlsruhe zu einer Stadt besonderen Interesses für Hart. Er widmete der badischen Hauptstadt sowie der dort ansässigen Raffinerie mehrere filmische Porträts.
Zum 60. Geburtstag widmete die Landesbildstelle Hamburg Wolf Hart im Juni 1971 eine Retrospektive, bei der dem Publikum sein rund 50 Titel umfassendes Werk in gesamter Breite vorgestellt wurde. 1976 war der Filmemacher Jurymitglied der Berlinale. Im Jahr 1981 wurde der Veteran des Kulturfilms beim Deutschen Filmpreis mit einem Ehrenpreis für sein "langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film" ausgezeichnet. Zehn Jahre später verlieh ihm der Bundesverband Deutscher Film- und AV-Produzenten im hohen Alter die Ehrenurkunde für sein filmisches Gesamtwerk.
Wolf Hart, der sich bereits 1988 vom Filmemachen verabschiedet hatte, starb am 5. Juli 2002 im oberbayerischen Fischbachau, wo er den Lebensabend zusammen mit seiner Frau verbracht hatte. Ein Teil seines Nachlasses wurde vom Hamburger Film- und Fernsehmuseum übernommen.
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