Helmut Nitzschke
Helmut Nitzschke wurde am 4. November 1935 in Berlin als Sohn des Grafikers und Filmarchitekten Herbert Nitzschke und der Malerin und Illustratorin Ilse Stams-Nitzschke geboren. Durch seinen Vater kam er bereits als Kind regelmäßig mit der Welt des Films in Berührung. Nach der Teilung Deutschlands lebte die Familie in der DDR, wo Herbert Nitzschke an prominenten DEFA-Produktionen mitwirkte.
Trotz der filmischen familiären Prägung wollte Helmut Nitzschke nach dem Abitur zunächst Physik studieren – doch als er einen Studienplatz in der UdSSR zugewiesen bekam, lehnte er ab. Über diesen kurzen Umweg kam er nun doch zum Film: Anstelle der Physik begann er 1955 ein Regiestudium an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg – von der er allerdings 1957 wegen "politischer Unreife" vorübergehend verwiesen wurde. Wie der Filmhistoriker Ralf Schenk in einem detail- und kenntnisreichen Porträt des Filmemachers (2022) berichtet, arbeitete Nitzschke unter anderem als Kellner und Koch und legte sogar eine Prüfung als Schweißer ab, durfte schlussendlich aber noch im gleichen Jahr sein Studium fortsetzen. Er drehte mehrere Kurzfilme und schloss das Studium 1962 mit dem semidokumentarischen Film "Die Sorgenkinder" ab. Im gleichen Jahr heiratete er die Schauspielerin Ursula Werner (bis 1966).
Das Diplom in der Tasche, erhielt Nitzschke eine Anstellung bei der DEFA. Allerdings wurde sein erstes eigenes Spielfilmprojekt, das realitätsnah-ungeschönte Arbeiterporträt "Wind von vorn", wegen "Verletzung der ästhetischen Normen" noch während des Drehs abgebrochen und das Filmmaterial vernichtet. Als Folge dieses Eklats vertraute man Nitzschke in den nächsten Jahren kein eigenes Regieprojekt mehr an. Stattdessen musste er als Regieassistent bei Fernsehproduktionen arbeiten. Während er in dieser Funktion an Gerhard Kleins (später verbotenem) "Berlin um die Ecke" (DDR 1965) mitwirkte, erlitt Nitzschke bei einem Autounfall so schwere Verletzungen, dass die Genesung einige Monate in Anspruch nahm.
Zurück bei der Arbeit, verfasste er auf Anraten Gerhard Kleins zusammen mit dem Krimiautor Heiner Rank ein Drehbuch: "Nebelnacht", basierend auf Ranks Roman, handelte von einem vermeintlichen Motorradunfall, der sich als Mord erweist. Doch erst 1968/69 konnte Nitzschke das Projekt bei der DEFA realisieren – sein verspätetes Langfilmdebüt, von der Kritik wohlwollend aufgenommen.
Für den DEFA-Episodenfilm "Aus unserer Zeit" (DDR 1970) adaptierte Nitzschke Brechts Kalendergeschichte "Die zwei Söhne", über eine deutsche Mutter, die ihren Sohn am Ende des Zweiten Weltkriegs an die Rote Armee übergibt, damit er nicht an die Front zurückkehrt. Als Erzählerin des Off-Textes konnte Nitzschke Brechts Witwe Helene Weigel gewinnen. Daraus ergab sich eine weitere Zusammenarbeit: Weigel lud Nitzschke ein, am Berliner Ensemble Büchners "Woyzeck" zu inszenieren – wofür er im November 1971 mit dem Kritikerpreis der Berliner Zeitung ausgezeichnet wurde.
Eine Weile, nachdem sein Mentor Gerhard Klein im Mai 1970 verstorben war, erhielt Nitzschke von der DEFA-Leitung das Angebot, dessen letztes Projekt zu realisieren: "Leichensache Zernik", ein Kriminalfilm, der vom authentischen Fall des Serienmörders und Vergewaltigers Willi Kimmritz inspiriert war, der zwischen 1946 und 1948 als "Schrecken der brandenburgischen Wälder" zu trauriger Berühmtheit kam. Der Film, der im Rahmen eines Thrillers auch ein Porträt der Vier-Sektoren-Stadt Berlin zeichnete, kam im März 1972 in die Kinos, erhielt sehr positive Kritiken und war ein großer Publikumserfolg. Nitzschke wurde mit dem Heinrich-Greif-Preis 1. Klasse im Kollektiv ausgezeichnet.
Dieser umfassende Erfolg brachte Nitzschke eine Festanstellung bei der DEFA ein, wo man ihn mit der Verfilmung von Anna Seghers’ Roman "Das Licht auf dem Galgen" (1976) beauftragte. Die international besetzte, kostspielige Produktion war jedoch von Komplikationen überschattet. Während Seghers den fertigen Film als "werkgetreu" bezeichnete, fielen die Kritiken negativ aus; auch beim Publikum war "Das Licht auf dem Galgen" kein Erfolg. In den nächsten Jahren versuchte Nitzschke, mehrere Projekte zu realisieren – ohne Erfolg. Von der DEFA erhielt er keinerlei Regieaufträge mehr. Für das DDR-Fernsehen schrieb und inszenierte er lediglich zwei Episoden der populären Krimireihe "Polizeiruf 110": "Der Einzelgänger" (1980) und "Harmloser Anfang" (1981).
Nachdem weitere Bühnen-, TV- und Filmprojekte scheiterten, und von der DEFA keine Aufträge mehr zu erwarten waren, kehrte Nitzschke der DDR-Diktatur den Rücken: 1986 nutzte er eine private Reise in den Westen, um in der Bundesrepublik zu bleiben; zwei Jahre später konnte ihm seine Partnerin, die Schauspielerin Heidemarie Wenzel, folgen.
In der BRD arbeitete Nitzschke als Synchronautor und -regisseur, hatte ein Projekt am Essener Aalto-Theater und inszenierte 1993 am Münchner Prinzregententheater das Stück "Ijob", in dem er zugleich die Rolle von Hiobs Freund Bildad übernahm. Aber auch in Westdeutschland gelang es ihm trotz diverser Bemühungen nicht, ein weiteres Filmprojekt zu realisieren.
Helmut Nitzschke war in zweiter Ehe mit der Schriftstellerin Dorothea Siewert verheiratet (1968-75) und ab 1977 mit Heidemarie Wenzel liiert. Er starb am 14. Januar 2025 in Berlin.
- Regie
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