Albert Bassermann
Albert Bassermann wurde am 7. September 1867 in Mannheim geboren. Er entstammte einer weitverzweigten Pfälzer Kaufmannsfamilie, sein Vater war der Nähmaschinenfabrikant Johann Wilhelm Bassermann; zur Dynastie gehört auch die bis heute für ihre Weingüter bekannte Familie Bassermann-Jordan. Albert Bassermanns Onkel war der Schauspieler und Theaterintendant August Bassermann. Er selbst absolvierte gemäß der Familientradition zunächst eine kaufmännische Lehre; anschließend studierte er von 1884 bis 1886 in Straßburg Chemie. Erst danach, im Jahr 1887, begann Bassermann ein Volontariat am Mannheimer Theater. Während seiner Ausbildung war sein größtes Handicap seine von Natur aus heiser-raue, geradezu gebrochen klingende Stimme. Doch mit ausdauerndem Training gelang es ihm, dieses Hindernis zu überwinden und seine Stimme in ein von der Kritik viel gerühmtes Instrument seines künstlerischen Ausdrucks zu verwandeln.
Nach seiner Mannheimer Zeit gehörte Albert Bassermann für mehrere Jahre dem Ensemble des Meininger Hoftheaters an. 1895 ging er nach Berlin ans Deutsche Theater, zunächst unter Otto Brahm, von 1909 bis 1915 unter Max Reinhardt; ab 1904 trat er zudem am Lessingtheater auf. Durch seine Darbietungen in zahlreichen Ibsen-Inszenierungen und Stücken wie "Mephisto", "Richard III.", "Hamlet" und "Der Kaufmann von Venedig" avancierte er neben Paul Wegener und Alexander Moissi zu einem der namhaftesten Schauspieler seiner Zeit. 1911 erhielt er von Friedrich Haase den Iffland-Ring.
Umso bedeutender war es, dass Bassermann ein Tabu jener Zeit brach, nämlich als Bühnenstar im damals noch verpönten Medium Film aufzutreten: 1912 übernahm er die Hauptrolle in Max Macks Jekyll-und-Hyde-Variation "Der Andere", nach einem Drehbuch von Paul Lindau. Zahlreiche weitere Haupt- und Nebenrollen folgten.
Zugleich blieb Bassermann der Bühne treu, schloss sich aber nach seiner Zeit am Deutschen Theater (1915) keinem Ensemble mehr an, sondern ging auf Tourneen und gab Gastspiele. Er verkörperte Wallenstein und König Philipp, Othello und King Lear – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Sein Kollege und Freund Eduard von Winterstein erinnerte sich der Rollen als einer "Kette von Glanzleistungen": "Jeder, der sie erleben durfte, fühlte sich beglückt."
Auch im Kino war Bassermann sehr aktiv, als Partnerin wirkte häufig seine Ehefrau Else, die auch für die Drehbücher einiger seiner Filme verantwortlich zeichnete. Bemerkenswert sind seine Dreifach-Titelrolle in "Die Söhne des Grafen Dossy" (1920) und die drei Hauptrollen in dem Episodenfilm "Masken" (1920): als betrogener Gatte, als alternder Pierrot und als ein in Versuchung geführter Mönch. In "Frauenopfer" (1922) gab er einen alten Grafen, der der Enkelin (Henny Porten) seines Schlossverwalters (Ludwig Rex) nachstellt, in Richard Oswalds "Lucrezia Borgia" (1922) spielte er Papst Alexander VI. Er gab den königlichen Baumeister Sotis in Ernst Lubitschs "Das Weib des Pharao" (1922) und den trojanischen Seher Aisakos in dem monumentalen Zweiteiler "Helena" (1924). Sein letzter Stummfilm war Paul Czinners Schnitzler-Adaption "Fräulein Else" (1929), in der er den hochverschuldeten Vater der Titelfigur verkörperte.
Seine erste Tonfilm-Rolle spielte Bassermann als Oberst Picquart in dem historischen Drama "Dreyfus" (1930, Regie: Richard Oswald). Anschließend verkörperte er in Oswalds Literaturadaption "Alraune" (1930) den gewissenlosen Geheimrat ten Brinken. Mit zentralen Rollen unter anderem in Georg Jacobys "Kadetten" (1931) und Robert Siodmaks "Voruntersuchung" (1931) konnte er weitere Erfolge feiern.
Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 wirkte er zwar an Hitlers Geburtstag am 20. April 1933 in der Uraufführung von Hanns Johsts Schauspiel "Schlageter" mit, doch ein NS-Sympathisant war er nicht. Vielmehr schmiedete er Emigrationspläne, nicht zuletzt seiner jüdischen Frau wegen. Sein letzter in Deutschland gedrehter Film war Gerhard Lamprechts Agentengeschichte "Ein gewisser Herr Gran" (1933), in der er den skrupellosen Gegenspieler von Hans Albers Geheimdienstler spielte.
Als er im April 1934 ein Gastspiel in Leipzig annehmen wollte, und der Theaterdirektor Else Bassermann aus "rassischen Gründen" ablehnte, erklärte der erboste Bassermann seinen Austritt aus der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger und zog sich in sein Schweizer Landhaus zurück. Wenig später gab der 67-Jährige offiziell seine Emigration bekannt. In den nächsten Jahren trat er vereinzelt an Bühnen in der Schweiz und Österreich auf. Das Ehepaar zog zunächst nach Wien, siedelte jedoch im März 1938, nach der deutschen Annexion Österreichs, in die USA über.
Während seine Frau in Amerika nicht als Schauspielerin Fuß fassen konnte, avancierte Albert Bassermann bald zu einem gefragten Darsteller – obwohl (oder weil?) sein Englisch von einem starken deutschen Akzent geprägt war. Er wurde gleichwohl nicht auf das Klischee des deutschen Schurken oder Nazis festgelegt, sondern spielte meist positive Figuren. So hatte er eine kleine Rolle als Robert Koch in Wilhelm Dieterles "Dr. Ehrlich’s Magic Bullet" ("Paul Ehrlich – Ein Leben für die Forschung", US 1940) und spielte eine Nebenrolle als niederländischer Politiker in Alfred Hitchcocks "Foreign Correspondent" ("Der Auslandskorrespondent", US 1940) – ein Part, der ihm eine Oscar-Nominierung einbrachte.
Reinhold Schünzel besetzte ihn in der Franz-Schubert-Filmbiografie "New Wine" ("Die Unvollendete", US 1941) als Ludwig van Beethoven, in Richard Oswalds freier Köpenick-Adaption "I Was a Criminal" (US 1941) bekam er die Titelrolle. Er spielte einen polnischen General in Leo McCareys Komödie "Once Upon a Honeymoon" ("Es waren einmal Flitterwochen", US 1942) und den Physiker Jean Perot in der Filmbiografie "Madame Curie" (US 1943). Insgesamt drehte Bassermann in den USA mehr als 20 Filme. Seine letzte Leinwandrolle hatte er 1948 als eigenwilliger Bühnenbildner Sergei Ratov in dem britischen Ballettfilm "The Red Shoes" ("Die roten Schuhe", GB 1948).
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs trat Bassermann ab 1946 auch wieder in Deutschland auf – das Deutschen Theater Berlin hatte ihn zuvor um eine Rückkehr gebeten. Zudem gab er vielbeachtete Gastspiele am Wiener Volkstheater und am Schauspielhaus Zürich. Seine Wahlheimat blieben die USA, aber er unternahm Gastspielreisen mit dem Züricher Tourneetheater 'Bühne 64' und dem Tourneetheater Schweizerisches Schauspielensemble; 1951 stand er bei der Neueröffnung des Berliner Schillertheaters auf der Bühne, im November des gleichen Jahres folgte die Titelrolle in "Nathan der Weise" an der Komödie Basel.
Ein halbes Jahr später, am 15. Mai 1952, starb Albert Bassermann während eines Fluges von New York nach Zürich an den Folgen eines Herzinfarkts. Er wurde auf dem Hauptfriedhof seiner Geburtsstadt Mannheim beigesetzt.
Bassermann hinterließ eine Taschenuhr, die sogenannte Albert-Bassermann-Uhr, die seinem Willen entsprechend, in Anerkennung dessen künstlerischer Leistung der Schauspieler Martin Held erhielt. Seither wird diese Uhr stets weitervererbt; Träger waren Martin Benrath und Otto Düben. Derzeitiger Träger ist seit Mai 2012 Ulrich Matthes.