Adele Sandrock
Adele Sandrock wurde am 19. August 1863 in Rotterdam als Tochter einer niederländischen Schauspielerin und eines ehemaligen preußischen Offiziers geboren und wuchs als jüngstes Kind mit sieben Geschwistern in Rotterdam und Berlin auf.
Nachdem sie eine Schauspielausbildung von ihrer Mutter erhalten hatte, gab sie 1878 als Fünfzehnjährige ihr Debüt am Berliner Vorstadttheater Urania in der Rolle der Selma im Lustspiel "Mutter und Sohn" von Charlotte Birch-Pfeiffer. Ein Jahr später sprach sie am Hoftheater Meiningen die Rolle der Luise in Schillers "Kabale und Liebe" vor und erhielt dort ihr erstes festes Engagement, einen Dreijahresvertrag. Nach der Rückkehr nach Berlin ans Viktoria-Theater folgten ein Jahresengagement am Moskauer Theater und Spielzeiten in Berlin, Wien und Budapest.
Der Durchbruch gelang ihr 1889 mit der Hauptrolle der Isabella in "Der Fall Clémenceau" von Alexandre Dumas und Armand d'Artois im Theater an der Wien. Nach einem fünfjährigen Engagement von 1889 bis 1895 am Deutschen Volkstheater in Wien gab sie 1895 ihr Wiener Burgtheater-Debüt als Maria Stuart. Bis 1898 war sie wie ihre ältere Schwester Wilhelmine Sandrock am Burgtheater tätig, wo sie sich als Charakterdarstellerin etablierte. Sie errang in klassischen Rollen und modernen Stücken wie in "Märchen" und "Liebelei" ihres Freundes Arthur Schnitzler Ruhm als bedeutende Tragödin der "Wiener Moderne", die auch männliche Rollen übernahm. Schnitzler beschrieb sie in ihrer ganzen charakterlichen Vielfalt als "Dämon, liebes Kind, Engerl, Tragödin, Genie, Fratz, Canaille, Liebling, süßes Herz, gefährliches Wesen, herziger Schatz" (Wiener Zeitung 2013).
Nach einer Theatertournee wirkte sie von 1902 bis 1905 erneut am Deutschen Volkstheater in Wien, konnte aber an ihre früheren großen Erfolge nicht mehr anknüpfen. 1905 bis 1910 spielte Sandrock am Deutschen Theater Berlin unter der Leitung von Max Reinhardt, bevor sie 1911 ihr Filmdebüt in "Marianne, ein Weib aus dem Volk" gab und erste Rollen in weiteren Stummfilmen spielte.
Ab 1919 widmete sie sich intensiv dem Kino und wurde in den folgenden zwei Jahrzehnten mit mehr als 100 Rollen eine zentrale Gestalt des deutschen Films. Nur selten verkörperte sie sensible Charaktere wie in Gustav Ucickys Seekriegs-Drama "Morgenrot" (1933) die leidgeprüfte Hinterbliebene, stattdessen prägte sie vielmehr die Figur der starrköpfigen Groß- und Schwiegermutter und der tyrannischen alten Dame in Komödien von Unterhaltungsregisseuren wie Carl Boese ("Der Schrecken der Garnison", 1931), Georg Jacoby ("Der große Bluff", 1933) und E. W. Emo ("Gern hab' ich die Frau'n geküßt", 1934).
Im Tonfilm konnte Sandrock ihr Talent als exzentrische, komische Alte ausleben und hatte aufgrund ihrer charakteristischen tiefen Stimme einen hohen Wiedererkennungswert. Im Kreis der Schauspieler und Schauspielerinnen wurde sie so respekt- wie angstvoll "Tante Sadele" genannt, da sie mit ihrem launischen Wesen in Film, Theater und Privatleben oft aneckte und für spitze Bemerkungen berüchtigt war.
Meist mimte Sandrock Adlige oder Damen der gehobenen Gesellschaft. So besetzte sie etwa Erik Charell als Fürstin in "Der Kongress tanzt" (1931), Carl Lamač als Lady Diana Heddingbroke in "Die Tochter des Regiments" (1933) und Reinhold Schünzel als Gräfin Virginia Marenzi in "Die Töchter ihrer Exzellenz" (1934).
1934 spielte sie die Rolle der Theaterdirektorin Pauline Neuber in Georg Zochs Komödie "Alles hört auf mein Kommando", sowie im darauffolgenden Jahr Jupiters Gemahlin Juno in Reinhold Schünzels Bühnenstückadaption "Amphitryon" (1935). Beide Stücke zählen zu den größten Erfolgen ihrer filmischen Karriere.
Adele Sandrock starb am 30. August 1937 an den Spätfolgen eines 1936 erlittenen Unfalls in Berlin. Sie wurde in Wien beigesetzt. 1940 erschien posthum ihr Erinnerungsbuch "Mein Leben", das von ihrer Schwester ergänzt und herausgegeben wurde.