F. W. Murnau
Friedrich Wilhelm Murnau (bürgerlich: Friedrich Wilhelm Plumpe), geboren am 28. Dezember 1888 in Bielefeld als Sohn einer wohlhabenden Unternehmerfamilie, nahm nach dem Schulabschluss ein Studium der Kunstgeschichte und Literatur in Berlin und Heidelberg auf. Als Mitglied einer studentischen Theatergruppe wurde er von Max Reinhardt ermutigt, das Theater als Karriereweg einzuschlagen. Daraufhin brach Murnau sein Studium ab, um an der Berliner Max Reinhardt-Schauspielschule zu studieren – sehr zum Unmut seiner Eltern.
Ab 1909 firmierte er unter dem Pseudonym Murnau, nach dem Ort in Oberbayern, den er auf einer Reise mit seinem Freund Hans Ehrenbaum-Degele besucht hatte. Diese Namensänderung hatte gleichwohl nicht nur künstlerische Gründe, sondern kann auch als bewusste Distanzierung von seinen Eltern betrachtet werden, die nicht nur seine künstlerischen Ambitionen ablehnten, sondern ihn auch für seine Homosexualität verurteilten.
Im Jahr 1913 wurde Murnau ins Ensemble der Reinhardt-Bühnen aufgenommen, verließ dieses jedoch schon ein Jahr später wieder, da er als Soldat eingezogen wurde. Während des Ersten Weltkriegs geriet er in der Schweiz in Kriegsgefangenschaft. Im Lager engagierte er sich in der Theatergruppe der Häftlinge und verfasste ein Filmmanuskript.
Nach Kriegsende kehrte er nach Berlin zurück und drehte 1919 seinen ersten Film: "Der Knabe in Blau", über einen verarmten Adeligen, der in den Bann eines Unheil bringenden Edelsteins gerät, gilt heute als verschollen . Mystische Motive setzte er auch bei dem Dreiteiler "Satanas" (1919) ein, bei dem er erstmals mit dem experimentierfreudigen Kameramann Karl Freund und dem Schauspieler Conrad Veidt zusammenwirkte, und bei "Der Bucklige und die Tänzerin" (1920), der den Beginn der Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor Carl Mayer markierte.
Bei dem in nur 16 Tagen abgedrehten Mystery-Drama "Schloss Vogelöd" (1921) bewies Murnau sein ganzes Geschick, wenn es darum ging, durch ungewöhnliche Kameraperspektiven und Lichtstimmungen eine Atmosphäre der Angst und der latenten Bedrohung zu erzeugen. Zu vollendeter Meisterschaft führte er dieses Talent im selben Jahr bei dem Vampirfilm "Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens" (1921; Uraufführung 1922): Der überaus atmosphärische Horrorfilm gilt in jeder Hinsicht als eines der großen Meisterwerke des deutschen Stummfilms.
Zu seinen folgenden vier Filmen schrieb die renommierte Autorin Thea von Harbou die Drehbücher: Neben den Familien- und Gesellschaftsdramen "Der brennende Acker" (1922), "Phantom" (1922) und "Die Austreibung" (1923) ist darunter auch Murnaus einzige Komödie, "Die Finanzen des Großherzogs" (1923).
Ein weiterer Stummfilmklassiker gelang Murnau 1924 mit der Tragödie "Der letzte Mann" (1924), die den sozialen Abstieg eines Hotelportiers (Emil Jannings) zum Toilettenmann beschreibt. Auch seine beiden folgenden Filme, die Literatur-Adaptionen "Tartüff" (1925) und "Faust" (1926), zählen heute zu den Klassikern des Weimarer Kinos, wenngleich sie bei ihren Erstaufführungen hinter den kommerziellen Erwartungen zurückblieben.
Dennoch war man zu diesem Zeitpunkt bereits in Hollywood auf Murnau aufmerksam geworden: 1926 unterzeichnete er einen Vierjahresvertrag mit der Fox und siedelte in die USA über. Sein erster Hollywoodfilm, das Liebesdrama "Sunrise" (1927), erntete begeisterte Kritiken, erhielt drei Oscars und gilt inzwischen ebenfalls als filmisches Meisterwerk – an den Kinokassen aber konnte er nicht die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen. Als Folge dieses kommerziellen Rückschlags musste Murnau bei seinen nächsten Filmen Einmischungen von Seiten des Studios hinnehmen: die Zirkusgeschichte "Four Devils" (1928), die einen Oscar für die "Beste Kamera" erhielt, wurde nachträglich mit einem Happy End und einer Tonspur versehen; bei "City Girl" (1929) entband man Murnau noch während der Dreharbeiten von seiner Position als Regisseur.
Nach diesen negativen Erfahrungen löste Murnau seinen Vertrag mit der Fox und kehrte 1929 nach Berlin zurück. Nachdem Verhandlungen mit der Ufa ergebnislos blieben, reiste er noch im selben Jahr nach Tahiti, fest entschlossen, dort einen Film in absoluter künstlerischer Freiheit zu realisieren. In Zusammenarbeit mit dem Dokumentarfilmer Robert Flaherty plante er einen Film über die Bewohner Tahitis, da jedoch die Vorstellungen der beiden Männer zu unterschiedlich waren (Flaherty wollte dokumentarischer arbeiten als sein Kollege), stellte Murnau das Werk auf eigene Kosten fertig – obwohl dies bedeutete, dass er nicht nur sein gesamtes Vermögen einbringen, sondern sich auch hoch verschulden musste. Die Liebesgeschichte "Tabu" (1931) wurde ausschließlich mit einheimischen Laiendarstellern gedreht und gilt – nicht zuletzt auf Grund des noch immer erkennbaren Einflusses Flahertys – als stilbildende Mischung aus Dokumentation und Melodram.
Nach Abschluss der Produktion kehrte der hochverschuldete Murnau nach Hollywood zurück, wo ihm Paramount auf Grund des eindrucksvollen "Tabu" einen Zehn-Jahres-Vertrag anbot. Das Studio übernahm auch den Vertrieb des Films – dessen Uraufführung der Regisseur allerdings nicht mehr miterlebte: Am 11. März 1931, eine Woche vor der Premiere, starb Friedrich Wilhelm Murnau an den Folgen eines Autounfalls.