Biografie
Wanda Jakubowska, geboren am 10. Oktober 1907 in Warschau, besuchte ein katholisches Lyzeum des Ursulinerinnen-Ordens und machte dort 1927 Abitur. Danach nahm sie ein Studium der Kunstgeschichte und Philosophie auf. Ab Beginn der 1930er Jahre widmete sie sich dem Film und drehte zunächst Dokumentarfilme. Sie gehörte zu den Gründern der Avantgarde-Filmgruppe START (Verband der Anhänger des künstlerischen Films), die sich vor allem auf den jungen sowjetischen Dokumentarfilm und insbesondere Dziga Vertov berief. Jakubowskas filmische Ambitionen gingen dabei Hand in Hand mit ihrem politischen Engagement für die Kommunistische Partei.
1939 drehte Jakubowska nach mehreren kurzen Dokumentarfilmen ihren ersten Spielfilm, der zugleich auch ihr erster langer Film war. Doch bei der Premiere von "Nad Niemnem" am 5. September 1939 hatte bereits der Zweite Weltkrieg begonnen und Bomben fielen auf Warschau. In den folgenden Kriegswirren ging der Film verloren und gilt bis heute als verschollen. Jakubowska engagierte sich während der deutschen Besatzung im Widerstand, wurde jedoch 1942 festgenommen und in Auschwitz interniert. 1945, als die Rote Armee näher rückte und das Konzentrationslager von den Nazis geräumt wurde, wurde sie ins Frauen-KZ von Ravensbrück überführt.
Nach der Befreiung lebte Jakuboska zunächst für kurze Zeit in Berlin, ging dann aber zurück nach Polen und zählte zu den ersten polnischen Filmemachern, die ihre Tätigkeit wieder aufnahmen. Bereits 1946 begann sie mit der Arbeit an einem Film über ihre Erlebnisse in den Konzentrationslagern. "Ostatni etap" ("Die letzte Etappe", PL 1948), die Geschichte mehrerer weiblicher Häftlinge in Auschwitz-Birkenau, war der erste Spielfilm zum Thema. Jakubowska integrierte in die Spielszenen auch dokumentarisches Material, das die Rote Armee im befreiten Lager gedreht hatte, und besetzte zahlreiche Rollen mit KZ-Überlebenden. "Ostatni Etap" gilt bis heute als eine der eindringlichsten filmischen Darstellungen menschlichen Leidens in den Lagern. Er wurde unter anderem mit dem Hauptpreis des Internationalen Filmfestivals Karlovy Vary ausgezeichnet.
Auch in ihrem weiteren Filmschaffen griff Jakubowska immer wieder die Themen Holocaust und Konzentrationslager auf, beispielsweise in "Koniec naszego swiata" ("Das Ende unserer Welt", PL 1964) und in "Zaproszenie" ("Die Einladung", PL 1986). Bisweilen bilden die faschistischen Verbrechen den historischen Hintergrund der Handlung, so etwa in "Begegnung im Zwielicht" (1960), der als Koproduktion Polens mit der DDR entstand: Der Film erzählt von einer polnischen Pianistin, die auf Konzerttournee durch Westdeutschland auch an den Ort kommt, an dem sie als "Fremdarbeiterin" dienen musste. Das Wiedersehen mit zwei Menschen, die damals ihr gegenüber freundlich waren, fällt bitter für sie aus.
Neben ihrem künstlerischen Schaffen setzte sich Wanda Jakubowska vehement für die Ziele der Kommunistischen Partei Polens ein, war in zahlreichen Organisationen aktiv und vertrat eine rigide Pro-Regierungshaltung. Filme wie das heroische zweiteilige Epos "Żolnierz zwycięstwa" ("Soldier of Victory", 1953) über General Karol Świerczewski entsprachen politisch wie ästhetisch der Doktrin des Stalinismus und führten dazu, dass die Regisseurin in späteren Jahrzehnten zu einer höchst umstrittenen Figur wurde, auch was den künstlerischen Wert ihrer Filme angeht. Gänzlich unumstritten ist bis heute lediglich die Bedeutung ihres Films "Ostatni Etap".
Wanda Jakubowska, die von 1949 bis 1974 auch an der renommierten Filmhochschule von Łódź lehrte, starb am 25. Februar 1998 in Warschau.