Biografie
Rolf Schübel wurde am 11. November 1942 in Stuttgart geboren. Ab 1963 studierte er Soziologie und Literaturwissenschaft, zunächst in Tübingen, dann in Hamburg. Er wurde Mitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), was nicht nur seine gesellschaftspolitische Perspektive prägte, sondern sich auch in den Themen seiner späteren Dokumentarfilme niederschlagen sollte. Durch die Bekanntschaft mit dem Filmemacher Theo Gallehr kam Schübel schließlich zum Film: Ab 1967 war er als Gallehrs Regieassistent tätig, so etwa bei dem Dokumentarfilm "Landfriedensbruch - Das Protokoll einer Denkmalentweihung" (1968), über den Versuch von Student*innen, das Wissmann-Denkmal in Hamburg zu stürzen - die Ausstrahlung des Films wurde dann jedoch vom NDR verboten. Außerdem produzierte Schübel mit Gallehr einige Beiträge für das NDR-Magazin "Kulturspiegel". Von 1968 bis 1972 realisierten die beiden unter dem Firmennamen 'Cinecollectiv' Dokumentarfilme zu sozialen und politischen Themen für den NDR und den WDR, darunter "Der deutsche Kleinstädter" (1968), für den sie den Grimme-Preis gewannen, "Das 20-Millarden-Ding – Über Konsum und Konsumzwang bei Jugendlichen" (1969) und "Ausbeutung der Lehrlinge" (1970).
Für größeres Aufsehen sorgten die Auseinandersetzungen um die TV-Dokumentation "Rote Fahnen sieht man besser" (1971), über die Schließung des Chemiebetriebs Phrix in Krefeld. Der Film war konsequent aus der Perspektive der Betroffenen erzählt, ließ zugleich aber auch politökonomische Erkenntnisse in die Schilderungen einfließen. Während "Rote Fahnen sieht man besser" von der Wirtschaftswoche als "Rotfront-Klamotte" abgeurteilt wurde, erhielten Gallehr und Schübel mehrere Auszeichnungen: den Preis der deutschen Fernsehkritik, den Preis der Deutschen Filmkritik, den Preis der Jungsozialisten (Jusos) bei den Oberhausener Filmtagen und den Grimme-Preis. Der Grimme-Preisverleihung blieben die Vertreter der Industrie geschlossen fern – nachdem sie vorher schon mit Unterstützung konservativer ARD-Direktoren dafür gesorgt hatten, dass der Film nur gekürzt ausgestrahlt wurde.
Nach dem ebenfalls preisgekrönten "Arbeitskampf" (1972) trennten sich die Wege von Schübel und Gallehr. Schübel gründete seine eigene Firma, die Rolf Schübel Filmproduktion, und realisierte weiterhin Dokumentarfilme über gesellschaftliche Themen und die Arbeitswelt. Für die dreiteilige TV-Doku "Die Aufsteiger-Saga" (1974) erhielt er auf dem Mannheimer Filmfest den FIPRESCI-Preis. Zu seinen weiteren TV-Arbeiten gehören "Das Jubiläum - Unsere Firma wird 50" (1976), "Lebenshilfe reichlich" (1977) über Jugendzeitschriften und ihre Macher, "Das Tor zum Garten der Träume" (1977) über den Alltag zweier Mädchen und ein Treffen mit ihrem Lieblingssänger, "Rund um die Uhr" (1978) über den Alltag von Schichtarbeitern und "Eine Zeitung, die es wirklich gibt – Das Buxtehuder Tageblatt." (1978); für "Bier für Lama Kara" (1982) begleitete er zwei junge Arbeiter aus Norddeutschland, die in Togo (Afrika) beim Aufbau eine Brauerei mitwirken sollen und dabei ihre Einstellung und ihre Vorurteile gegenüber afrikanischen Entwicklungsländern neu einzuschätzen lernen.
Sehr viel Aufsehen erregte Schübel mit "Nachruf auf eine Bestie" (1984), über den pädosexuellen Serienmörder Jürgen Bartsch, der, selbst noch ein Jugendlicher, in den 1960er Jahren vier Kinder ermordete. Der Dokumentarfilm feierte auf der Berlinale 1984 Premiere und wurde hervorragend besprochen, kam allerdings nicht regulär in die Kinos, weil der Verleih keine Vertriebsförderung aus öffentlichen Geldern erhielt. Dafür gewann Schübel einmal mehr einen Grimme-Preis (zusammen mit Autor Michael Lentz) und den Preis der deutschen Filmkritik für den Besten Dokumentarfilm.
Nach weiteren TV-Dokus zum Thema Arbeitswelt (u.a. "Das Gesetz im Betrieb bin ich", 1984, und die Reihe "Wirtschaft konkret", 1985-87) drehte Schübel das viel beachtete Dokudrama "Der Indianer" (1987): Es basierte auf der autobiografischen Erzählung von Leonhard Lentz, Bruder des Autors Michael Lentz, in der dieser seine Krebstherapie aufarbeitete. Schübel kombinierte in seinem Film auf sensible Weise die dokumentarische Erzählung mit nachgestellten Szenen. "Der Indianer" bekam exzellente Kritiken und gewann einige Preise, unter anderem den Interfilm Preis im Forum der Berlinale, den Spezialpreis der Jury beim DOK Festival Leipzig, einen Grimme-Preis Kultur/Dokumentation und den Deutschen Filmpreis in Silber (als Bester Spielfilm) – offenbar gab es unterschiedliche Einschätzungen zu der Frage, ob "Der Indianer" ein Dokumentar- oder Spielfilm ist.
Vier Jahre später inszenierte Schübel mit "Das Heimweh des Walerjan Wrobel" (1991) seinen ersten reinen Spielfilm, der allerdings das Schicksal einer historischen Person erzählte: die des 16-jährigen polnischen Bauernjungen Walerjan Wrobel, der 1939 in Deutschland Zwangsarbeit leisten musste und schließlich im KZ Neuengamme bei Hamburg hingerichtet wurde. Mehr noch als Schübels vorherige Filme wurde "Das Heimweh des Walerjan Wrobel" von einem regelrechten Preisregen überschüttet: Er erhielt eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis und gewann den Hessischen Filmpreis, den Preis der Artur Brauner Stiftung, den Preis der Ökumenischen Jury beim Moskau Film Festival und den Preis für den Besten Film beim Northern Ireland Film Festival in Belfast – um nur die wichtigsten Auszeichnungen zu nennen.
Trotz dieses Triumphs arbeitete Schübel in den nächsten Jahren wieder fürs Fernsehen, wo er einige Spiel- und Dokumentarfilme realisierte. In dem Grimme-nominierten Spielfilm "2 1/2 Minuten" (1997) rekonstruierte er die tödliche Konfrontation junger Ost-Berliner Neonazis und Kreuzberger Türken in der Berliner S-Bahn im Jahr 1990. Das tatsächliche Geschehen bildete für Schübel den Rahmen, um auf fiktiver Ebene über die Lebensläufe und -ziele der Figuren zu reflektieren. Das Drama "Woanders scheint nachts die Sonne" (1997) handelte von einer alleinerziehenden Mutter, die nach einer HIV-Diagnose neue Eltern für ihre kleine Tochter sucht.
Mit "Ein Lied von Liebe und Tod - Gloomy Sunday" (1999) inszenierte Schübel wieder einen Kinofilm – ein Liebesdrama im Budapest des Jahres 1935, das die Verbrechen des Holocaust über eine individuelle Geschichte erfahrbar machte. Der Film gewann eine Reihe von Preisen, darunter Bayerische Filmpreise für Regie und Kamera, sowie einen Deutschen Filmpreis für das Beste Drehbuch (Schübel zusammen mit Ruth Toma).
Es folgten zwei weitere Fernsehspiele: der Politthriller "Eine öffentliche Affäre" (2001) über einen Politiker, der mit einem verdrängten Kapitel seiner Jugend konfrontiert wird, und das Drama "Kollaps" (2002) über einen Hamburger Journalisten, der auf dem Balkan indirekt für den Tod eines Jungen verantwortlich wird und nach seiner Rückkehr in eine Sinnkrise gerät. Der Kinothriller "Blueprint" (2003) mit Franka Potente behandelte das Thema Menschenklonung, war trotz des brisanten Stoffs und der hochkarätigen Besetzung aber kein kommerzieller Erfolg – es blieb Schübels letzte Kinoarbeit.
Für das Sozialdrama "Zeit der Wünsche" (2005), über die erste Generation türkischer Arbeitsmigranten im Deutschland der 1960er Jahre, gewann Schübel den Grimme-Publikumspreis. Für die Krimireihe "Tatort" drehte er die ersten beiden Folgen des Saarbrücker Kommissars Franz Kappl (Maximilian Brückner): "Aus der Traum..." (2006) und "Der Tote vom Straßenrand" (2007). Gute Kritiken bekam auch sein tragikomischer Weihnachtsfilm "Leo und Marie - Eine Weihnachtsliebe" (2008) mit Wotan Wilke Möhring und Bernadette Heerwagen. Als deutsch-amerikanische Koproduktion wollte Schübel 2007 in den USA das Psychiatrie- und Selbstbestimmungs-Drama "Eleanor & Colette" inszenieren, mit Susan Sarandon, Helena Bonham Carter und Sebastian Koch in den Hauptrollen – doch das Projekt zerschlug sich.
Zusammen mit Stephen Glantz schrieb Rolf Schübel das Drehbuch zu Marcus O. Rosenmüllers im Zweiten Weltkrieg spielendem Drama "Wunderkinder" (2011). Als Schauspieler sah man ihn in den Heimatkomödien "Die Kirche bleibt im Dorf" (2012) und "Täterätää - Die Kirche bleibt im Dorf 2" (2015). Dazwischen inszenierte er 2012/2013 mehrere Folgen der gleichnamigen Spin-Off-Fernsehserie. Als Executive Producer war Schübel 2016 an Bille Augusts Verfilmung von "Eleanor & Colette" (DE/BE) beteiligt, die Hauptrollen spielten Helena Bonham Carter und Hilary Swank. Der Film kam im Frühjahr 2018 in die deutschen Kinos.