Biografie
Robert Reinert wurde am 22. April 1872 in Wien, Österreich, geboren. Über seinen familiären Hintergrund und seine Ausbildung ist nichts bekannt. Um 1900 zog er nach München, wo er mit Frank Wedekind das Künstlerkabarett "Die elf Scharfrichter" (1901-1904) betrieb. Er schrieb ein Bühnenstück mit dem Titel "Die geheimnisvolle Frau" und zwei in Wien verlegte Romane, "Der Weg zur Sonne" (1906) und "Krieg" (1907).
Sein erstes Drehbuch war "Der geheimnisvolle Wanderer" (1915, Regie: William Wauer), dem noch im gleichen Jahr weitere folgten. Auch sein Regiedebüt gab er noch 1915, mit "Küsse, die töten" (1915, zusammen mit Leo Peukert).
Der große Durchbruch im Filmgeschäft gelang Robert Reinert mit den Drehbüchern zu der sehr erfolgreichen Homunculus-Filmreihe (Regie: Otto Rippert). Auf den ersten Teil "Homunculus" (1916) folgten im gleichen Jahr "Das geheimnisvolle Buch", "Die Liebeskomödie des Homunculus", "Die Rache des Homunculus", "Die Vernichtung der Menschheit" und ein Jahr später, 1917, "Das Ende des Homunculus". Wie der Filmhistoriker Jan-Christopher Horak in einem Reinert-Porträt schrieb, zeigte sich bereits hier "Reinerts Vorliebe für 'große Themen' und metaphorische Inhalte. (…) Homunculus ist ein im Reagenzglas erschaffener, synthetischer Mensch, der aus Einsamkeit zu einem kalten und herzlosen Manipulator wird. In die Rolle eines Diktators und politischen Agitators der Arbeiterklasse schlüpfend, löst Homunculus einen alles zerstörenden Weltkrieg aus. Und doch ist er auch ein tragischer Held, Nietzsches Superman, der versteht, dass er für immer jenseits der menschlichen Liebe sein wird, ein Mann ohne Vergangenheit und Zukunft."
In der Folgezeit schrieb und inszenierte Reinert mit "Der Fluch der Sonne" (1917, nach seinem Roman) und "Der Weg des Todes" (1917) zwei sehr erfolgreiche Melodramen. Ebenfalls 1917 wurde er Künstlerischer Oberleiter der Deutsche Bioscope GmbH Berlin. Zu seinen bedeutenden Arbeiten dieser Jahre gehören die aufwändigen "Ahasver"-Filme (1917), eine Trilogie um die mystische Figur des Ahasver, des "Ewigen Juden", der ruhelos durch verschiedene Städte zieht. Die Neue Kino-Rundschau urteilte: "Alle Vorzüge, die wir seinerzeit an dem gewaltigen Filmwerk 'Homunculus' hervorgehoben haben, gelten auch für diesen Film."
Im Sommer 1918 gründete Reinert in Berlin seine eigene Firma, die Monumental-Filmwerke GmbH. Der erste Monumental-Film war "Opium" (1919), ein in China, England und Indien spielendes Drama über einen britischen Wissenschaftler (Eduard von Winterstein), der nach diversen Ereignissen und Intrigen selbst jener Droge zum Opfer fällt, die er erforscht. Der Film war ein großer Erfolg. Ein Kritiker der Zeitschrift "Der Film" nannte ihn "ein Meisterwerk deutscher Filmkunst", das "keine ausländische Konkurrenz zu scheuen hat". Wenig später erschien in "Der Film" eine weitere Kritik, die die "Bedeutung" von Reinerts Werk unter anderem in der innovativen Ästhetik ausmachte, "weil die Photographie mit ihrer eigenartigen Technik Bilder hergab, wie sie in Deutschland noch nicht gesehen wurden, und die auch für das Ausland ein Novum bedeuten dürften".
Reinerts nächster Film war zwar kein Kassenerfolg, erregte aber dennoch viel Aufsehen: "Nerven" (1919) spielt in München kurz nach dem Ersten Weltkrieg und erzählt von den dramatischen und tragischen Nachwirkungen des Krieges anhand dreier sehr unterschiedlicher Menschen. Einige Kritiker waren begeistert. So schrieb die Lichtbild-Bühne: "[Reinert] will durch das Laufbild in ähnlicher Weise künstlerische Werte schaffen wie es die Musik, die Symphonie tut. (...) Die Bilder sind jedenfalls hinreißend schön; Schöpfungen eines Meisters, angesichts deren man von bewunderndem Staunen erfasst wird. Die technischen Leistungen sind einfach fabelhaft, und die Darsteller wissen sich durchaus in den Stil des Ganzen hineinzupassen. Alles in allem ist dieses Filmwerk etwas Neuartiges."
Beim Publikum schien der Film im wahrsten Wortsinn einen Nerv zu treffen: "Da sind einige Leute, die den Film gesehen haben, in die Nervenklinik eingeliefert worden. Danach ist er verboten worden", so Josefa Halbinger in dem Buch "Lebenserinnerungen eines Münchner Arbeiterkindes". Inwiefern es sich bei solchen Schilderungen um Legendenbildung handelt, lässt sich kaum überprüfen. Doch rückblickend schrieb die Süddeutsche Zeitung 2008: "Allzu real erschienen den Kinobesuchern die Bilder aus der aufgewühlten Zeit der Räterepublik (…) Zahlreiche Kürzungen, Umschnitte und zum Teil sinnentstellende Veränderungen musste der provokante Stummfilm in den zwanziger Jahren über sich ergehen lassen." (2008 stellte das Münchner Filmmuseum eine sorgsam rekonstruierte Fassung vor.)
Im Mai 1920 verlegte Reinert den Sitz der Monumental Filmwerke nach München und schloss sie der Münchner Lichtspielkunst AG (MLK, sprich: Emelka) an. Dieser 1918 gegründete, mit zehn Millionen Reichsmark geförderte Konzern sollte die bayerische Antwort auf die preußische Ufa sein. Reinert wurde zum Produktionsleiter ernannt, gab den Posten aber knapp ein Jahr später wieder auf, um sich seinem nächsten Großprojekt zu widmen: Der epische Zweiteiler "Sterbende Völker: Heimat in Not" (1922) und "Sterbende Völker: Brennendes Meer" (1922) handelte vom Niedergang der westlichen Zivilisation, von der Antike bis in die Gegenwart. "Sterbende Völker" war ein kolossaler Misserfolg, die Kritiker lobten allein die opulente Gestaltung. Auch Reinerts nächste (und letzte alleinige) Regiearbeit, "Die vier letzten Sekunden des Quidam Uhl" (1924), floppte an den Kinokassen.
Als seine finanziell schwer angeschlagene Firma 1925 abgewickelt wurde, kehrte Reinert nach Berlin zurück, wo er eine Stellung bei der Ufa erhielt. Wegen seines Rufs als extravaganter Budgetsprenger blieben Angebote für Regiearbeiten aus; allein bei "Der geheimnisvolle Spiegel" fungierte er 1927 noch einmal als dritter Co-Regisseur. Stattdessen wirkte er als Autor für Projekte anderer Regisseure. So schrieb er die Drehbücher für Nikolai Malikoffs französisch-deutsche Koproduktion "Die Apachen von Paris" (1927) und gehörte zum Autorenteam von Artur Robisons Zirkusfilm "Looping the Loop" (1928) – seine letzte bekannte Arbeit.
Am 30. August 1928 starb Robert Reinert in Berlin an einem Herzinfarkt. Er wurde auf dem Münchner Waldfriedhof beigesetzt.