Biografie
Peter Weiss wurde am 8. November 1916 in Nowawes bei Potsdam geboren. Nach der Machtübernahme der Nazis emigrierte die Familie aufgrund der jüdischen Herkunft des Vaters 1934 zunächst nach London. Später zog sie nach Prag, wo Peter Weiss 1937/1938 Malerei an der Kunstakademie studierte. Zu dieser Zeit besuchte er während zweier längerer Aufenthalte in der Schweiz den Schriftsteller Hermann Hesse. 1939 siedelte Weiss nach Schweden über; ab 1940 lebte er in Stockholm, wo er sich als Maler betätigte. 1946 erhielt er die schwedische Staatsbürgerschaft.
1947 entsandte eine schwedische Tagesszeitung Weiss als Korrespondent nach Berlin; aus diesem Aufenthalt entstand unter anderem der Prosatext "De Besegrade" (Die Besiegten), der 1948 in Schweden erschien. Zur gleichen Zeit verfasste Weiss in schwedischer Sprache seine ersten Prosaarbeiten, Gedichte und Dramen, für die er jedoch keine Öffentlichkeit fand.
In den 1950er Jahren wurde der Avantgardefilm zu einem wichtigen Medium seiner künstlerischen Arbeit und Selbstverständigung. Ab 1952 lehrte er an der Universität Stockholm Filmtheorie und -praxis sowie die Theorie des Bauhauses. Bis 1961 realisierte er eine Reihe kurzer Experimental- und Dokumentarfilme. In Experimentalarbeiten wie "Ateljéinteriör" ("Dr. Fausts Studierstube", SE 1956) setzte er sich mit Literatur auseinander. In seinen dokumentarischen Filmen verknüpfte er soziales Engagement und avantgardistische Form. So zeigte er in "Ansikten i skugga" ("Gesichter im Schatten", SE 1956) den Alltag mittelloser Menschen in Stockholm. Ebenfalls 1956 veröffentlichte er das filmtheoretische Buch "Avantgardefilm".
Sein 18-minütiger Dokumentarfilm "Enligt lag" ("Im Namen des Gesetzes", SE 1957), eine sozialkritische Dokumentation über ein schwedisches Jugendgefängnis, brachte Weiss mit der staatlichen Filmzensur in Konflikt. Die Kontroverse löste auch in der Öffentlichkeit eine Diskussion über Zensur aus. Mit dem Spielfilm "Hägringen" ("Fata Morgana", SDE 1959), nach seiner Erzählung "Der Vogelfreie", realisierte Weiss seinen ersten und einzigen Langfilm. Die Geschichte erzählt von einem Jugendlichen und seinen ersten Erlebnissen in einer Großstadt.
Mit der Filmemacherin Barbro Boman schrieb er noch das Drehbuch zu dem kommerziell angelegten Spielfilm "Svenska flickor i Paris" (" Verlockung", SE 1961), an dem er (ungenannt) auch als Bildregisseur mitwirkte. Später distanzierte sich Weiss von diesem kommerziellen "Experiment".
Als Schriftsteller begann Peter Weiss Mitte der 1950er Jahre in deutscher Sprache zu arbeiten. 1960 erschien im Suhrkamp-Verlag die Erzählung "Der Schatten des Körpers des Kutschers", die Weiss in Deutschland bekannt machte (bei Suhrkamp wurden in Deutschland auch all seine weiteren Werke veröffentlicht). Im Lauf der Jahre avancierte er zu einem bedeutenden Vertreter verschiedener Literaturformen: Er verfasste minutiöse Beschreibungsliteratur und autobiographische Prosa, als Dramatiker kam er durch politisch engagierte Stücke zu Ruhm. Sein Stück "Marat/Sade", über die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats, wurde in den USA mit dem bedeutenden Theaterpreis "Tony Award" ausgezeichnet. Für Aufsehen und breite Diskussionen sorgte er mit dem dokumentarischen Theaterstück "Die Ermittlung" (1965), über den ersten Frankfurter Auschwitzprozess. Als Weiss' bedeutendstes literarisches Werk gilt der dreibändige Roman "Die Ästhetik des Widerstands", entstanden zwischen 1971 und 1981. Auf hochkomplexe Weise beschäftigte er sich darin mit der Arbeiterbewegung in den Jahren des Widerstands gegen den Faschismus.
Zu den zahlreichen Auszeichnungen, mit denen Weiss im Lauf seiner Karriere geehrt wurde, gehören unter anderem der Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg (1965), der Heinrich-Mann-Preis der Deutschen Akademie der Künste (1966), der Heinrich-Böll-Preis (1981) und der De Nios-Preis der schwedischen Literaturakademie Samfundet De Nio.
Peter Weiss starb am 10. Mai 1982 in Stockholm. Posthum ehrte man ihn mit dem Georg-Büchner-Preis, der als bedeutendster Literaturpreis im deutschsprachigen Raum gilt.