Biografie
Mohammad Rasoulof wurde am 16. November 1972 in Schiras, Iran, geboren, wo er Soziologiestudium absolvierte. Sein Interesse an Film führte ihn während dieser Zeit zu einem Workshop zum Thema Filmschnitt an der Sooreh Universität in Teheran – ein formelles Filmstudium absolvierte er jedoch nicht. Zwischen 1991 und 1999 realisierte er einige Kurzfilme. Sein Langfilmdebüt "Gagooman" (IR 2022) wurde 2002 beim Internationalen Fajr-Filmfestivals als Bester Erstlingsfilm ausgezeichnet.
Sein zweiter Kinofilm "Dschasireh Ahani" ("Iron Island", IR 2005), die Exodusgeschichte eine Gruppe sunnitischer Iraner*innen, die im Wrack eines Öltankers hausen und schließlich in die Wüste flüchten, erhielt beim Hamburger Filmfest 2005 den Preis der Hamburger Filmkritik und beim Gijón International Film Festival den Spezialpreis der Jury. In dem Dokumentarfilm "Baad-e-daboor" ("Im Reich der Schüssel", IR 2008) befasste Rasoulof sich mit der schwierigen Mediensituation in Iran.
Eine Freundschaft verbindet Mohammad Rasoulof mit dem Filmemacher Jafar Panahi, der bei Rasoulofs "Keshtzarha ye sepid" ("The White Meadows", IR 2009), über die Bedeutung von Traditionen im heutigen Iran, für den Schnitt verantwortlich zeichnete. Kurz darauf kam Rasoulof erstmals in Haft.
Während der Dreharbeiten zu einem Film Panahis über die Proteste nach der iranischen Präsidentschaftswahl 2009 wurden beide Filmemacher im März 2010 verhaftet. Wegen "feindlicher Propaganda" und Drehens ohne Genehmigung verurteilte ein Gericht sie im Dezember 2010 zu einer sechsjährigen Haftstrafe.
Noch während der anhängigen Berufung durfte Rasoulof im Mai 2011 überraschend zu den Internationalen Filmfestspielen von Cannes reisen, wo sein Film "Be omid-e didar" ("Auf Wiedersehen") im Programm Un Certain Regard lief. Für das Drama über die zermürbenden Ausreiseversuche einer jungen Iranerin erhielt er den Regiepreis der Sektion.
Rasoulofs nächster Film "Dastneweschteha nemissusand" ("Manuscripts Don’t Burn", IR 2013) entstand ohne offizielle Drehgenehmigung. Darin befasste er sich mit den sogenannten "Kettenmorden", bei denen in den 1990er-Jahren iranische Autor*innen, Intellektuelle und Dissident*innen vom Geheimdienst umgebracht wurden. Der Film wurde außer Landes geschmuggelt und feierte 2013 in der Cannes-Sektion Un Certain Regard Premiere, wo er den FIPRESCI-Preis erhielt. Für das Drama "Lerd" ("A Man of Integrity", IR 2017) erhielt Rasoulof 2017 schließlich den Hauptpreis der Sektion Un Certain Regard. Im gleichen Jahr wurde er in die Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) in Los Angeles aufgenommen, die alljährlich die Oscars vergibt.
Auf der Berlinale 2020 erhielt Rasoulof für seinen Spielfilm "Sheytan vojud nadarad" ("Doch das Böse gibt es nicht"), der sich mit der Todesstrafe in Iran befasst, den Goldenen Bären. Da er seit 2017 keine Reiseerlaubnis mehr erhalten hatte, nahm seine Tochter Baran den Preis entgegen. Kurz nach der Preisverleihung wurde Rasoulof in Iran wegen "Propaganda gegen das System" zu einer einjährigen Haftstrafe und einem zweijährigen Berufsverbot verurteilt.
Im Jahr 2021 erhielt er eine Einladung in die Wettbewerbsjury der Berlinale; da er aber nicht ausreisen durfte nahm er an den Filmvorführungen und Jurysitzungen online teil. Zu einer weiteren Verhaftung kam es im Juli 2022, nachdem Rasoulof zusammen mit weiteren iranischen Filmschaffenden in einem Offenen Brief gegen Polizeigewalt protestiert hatte.
Als sein Film "Die Saat des heiligen Feigenbaums", eine deutsche Koproduktion, 2024 in den Wettbewerb von Cannes eingeladen wurde, übten die iranischen Behörden Druck auf das Filmteam und die Besetzung aus, um die Vorführung zu verhindern – vergeblich. Kurz vor der Uraufführung verurteilte man Rasoulof wegen kritischer Äußerungen zu acht Jahren Haft und Peitschenhieben.
Angesichts dieser grausamen Strafe flüchtete Rasoulof aus seiner Heimat und ging schließlich in Deutschland ins Exil. Im August 2024 wurde "Die Saat des heiligen Feigenbaums" als deutscher Beitrag bei den Oscars 2025 eingereicht, als erster rein fremdsprachiger Film, den Deutschland für einen Auslandsoscar einreichte.