Biografie
Lew (gebürtig: Hans-Jürgen) Hohmann wurde am 22. Juli 1944 in Schmiedeberg, Schlesien (heute: Kowary, Polen), geboren. Sein Vater starb im Zweiten Weltkrieg, die Mutter zog 1945 mit ihrem Sohn nach Halle in der späteren DDR. Nach dem Abitur begann Hohmann ein Maschinenbau-Studium an der Technischen Hochschule in Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz) und absolvierte zeitgleich eine Lehre zum Dreher.
1965 brach er das Studium ab und begann als Beleuchter im Chemnitzer Opernhaus zu arbeiten, gefolgt von einem Volontariat beim DDR-Fernsehen (1967). Im Jahr 1968 bewarb er sich erfolgreich für ein Regie-Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg. Nach dem Diplom 1972 wurde Hohmann Nachwuchsregisseur beim DEFA-Studio für Dokumentarfilme in der Gruppe "Document", wo er zunächst bereits vorliegende Themen bearbeitete und Auftragsarbeiten realisierte.
Ab Mitte der 1970er Jahre konnte Hohmann auch eigene Stoffe entwickeln und umsetzen. Sein unkonventioneller Ansatz zeigte sich bereits bei einem seiner ersten Filme, "Warum sich der 60. Jahrestag der Oktoberrevolution nicht für die Wodkawerbung in der Bundesrepublik eignet" (DDR 1977), in dem er Interviews mit westdeutschen Gewerkschafter*innen und Straßeninterviews mit BRD-Bürger*innen in satirischer Weise kombinierte. Bedeutende Arbeiten waren auch seine Filme über Martin Luther: In "Bürger Luther – Wittenberg 1508-1546" (DDR 1981) zeigte er den Reformator mehr als Bürger der Stadt Wittenberg denn als protosozialistischen Helden; in dem kurzen Animationsfilm "Copyright by Luther" (DDR 1983) befasste er sich mit dem Wirken und den Interessenkonflikten der "Mediengesellschaft" zur Zeit der Reformation.
Bekannt wurde Hohmann vor allem durch seine zwischen 1985 und 1998 entstandene Trilogie über die Familie Wolf: Den Anfang machte ein gemeinsam mit Wolfgang Kohlhaase realisierter Dokumentarfilm über den 1981 verstorbenen Regisseur Konrad Wolf, "Die Zeit die bleibt. Ein Film über Konrad Wolf" (DDR 1985), in dem unter anderem auch Wolfs Bruder Markus zu Wort kommt, der viele Jahre den DDR-Auslandsnachrichtendienst beim Ministerium für Staatssicherheit leitete. 1988 folgte ein Film über Konrad Wolfs Vater, den Arzt, Kommunisten und Dichter Friedrich Wolf: "Verzeiht, daß ich ein Mensch bin. Friedrich Wolf. Fragen an seine Kinder. Erinnerungen von Zeitgenossen". Auch an dem parallel erschienenen Buch "Friedrich Wolf. Bilder einer deutschen Biographie" war Hohmann maßgeblich beteiligt. 1998, fast zehn Jahre nach dem Mauerfall, führte Hohmann schließlich bei einer zweiteiligen Dokumentation über Markus Wolf Regie, Titel: "Der Mann ohne Gesicht".
In den Wendejahren befasste sich Hohmann in seinen Dokumentarfilmen wiederholt mit den politischen und sozialen Umbrüchen in der DDR: "Aschermittwoch" (DDR 1989, zusammen mit Jochen Wisotzki) porträtierte eine alleinerziehende sechsfache Mutter, die den Alltag ihrer Familie bestmöglich zu bewerkstelligen versucht. In Zusammenarbeit mit Joachim Tschirner und Klaus Salge entstanden "Die Mauer" (1991), "Ein schmales Stück Deutschland" (1991) und "Kein Abschied – nur fort" (1991), über drei ostdeutsche Familien, die im Herbst 1989 in den Westen geflüchtet waren. Mit Hans-Hermann Hertle realisierte er 1996 die Dokumentation "Beton und Devisen", über "die Mauer" als Immobilie.
Nach der Auflösung des DEFA-Studios gründete Hohmann mit Kollegen die Produktionsfirma Realfilm und fungierte von 1991 bis 1997 als Geschäftsführer der Tele Potsdam GmbH, deren Gesellschafter Alexander Kluge, Heiner Müller und Hans-Helmut Euler waren. Die Firma bot Mitarbeiter*innen der abgewickelten DEFA die Möglichkeit, weiterhin Dokumentarfilme zu realisieren. Hohmann selbst entwickelte bei der Tele Potsdam einige TV-Formate, zum Beispiel die Dokumentarfilmreihen "Das Fenster" (24 Folgen) und "Fremde Kinder" (über 30 Folgen). Zudem übernahm er eine Lehrtätigkeit an der Universität Leipzig.
Ab 1997 arbeitete Hohmann als freischaffender Autor und realisierte vor allem historische Stoffe wie "Die Brandenburger. Chronik eines Landes" (1998), "Deutsche und Polen" (2004) und "Die Geschichte Mitteldeutschlands" (2005-2008), sowie biografische Dokus über Martin Luther (2003), Johann Sebastian Bach (2004), Hugo Junkers (2005), Reinhard Heydrich (2006), Alfred Brehm (2007) und Katharina von Bora (2009), bei denen er durch Reenactment-Szenen historische Vorgänge anschaulich machte. Wiederholt wurde Hohmann für seine Arbeiten für den Grimme-Preis nominiert. Zudem war er als Konzeptentwickler und Autor auch an den begleitenden Web-Auftritten einiger seiner Doku-Reihen beteiligt.
Als Honorarprofessor für Digitale Medien/Medienproduktion lehrte Hohmann an der Hochschule Anhalt in Köthen und bis 2012 auch an der Hochschule Magdeburg-Stendal in den Bereichen Filmkonzeption, Dokumentarfilm, Medienrecht und Internationale Medienwirtschaft.
2020 begann Lew Hohmann nach einer mehrjährigen Schaffenspause mit der Arbeit an einem Kino-Dokumentarfilm: "Wenzel - Glaubt nie, was ich singe" ist ein filmisches Porträt des Liedermachers Hans-Eckhardt Wenzel, der seine Karriere Anfang der 1980er Jahre in der DDR begann und seit der Wiedervereinigung auch in Westdeutschland Erfolge feiern kann. Der Film wurde bei den Hofer Filmtagen 2022 uraufgeführt und kam im Mai 2023 in die Kinos.