Julius Pinschewer

Darsteller, Regie, Drehbuch, Produzent
Hohensalza, Provinz Posen (heute Inowrocław, Polen) Bern, Schweiz

Biografie

Julius Pinschewer wurde am 15. September 1883 im westpreußischen Hohensalza (heute: Inowrozlaw, Polen) geboren. Seine Familie gehörte dem liberalen jüdischen Bürgertum an. Er besuchte ein humanistisches Gymnasium, absolvierte eine Banklehre und studierte anschließend Nationalökonomie in Würzburg und Philosophie in Berlin. Doch seine Leidenschaft galt einem anderen Berufsfeld: Ab 1909 beschäftigte Julius Pinschewer sich mit Film und Werbung, 1910 meldete er in Berlin ein Patent für "lebende Plakate" an – praktisch handelte es sich dabei um die damals neue Gattung des Werbefilms. Das Patent wurde auch in London hinterlegt.

Noch im selben Jahr realisierte er seine ersten Werbefilme, allerdings ohne konkrete Auftraggeber: sie sollten vielmehr der Veranschaulichung seiner Idee dienen. 1911 zeigte er seine Probefilme dem Berliner Verband der Fabrikanten von Markenartikeln – mit Erfolg. In der Folgezeit gründete Pinschewer das erste Werbefilmatelier Deutschlands und realisierte zahlreiche Werbefilme für Produkte aller Art. Dabei verstand er es von Beginn an, die kommerziellen Zwecke mit künstlerisch innovativen Stilmitteln zu bereichern. Für Maggi etwa drehte er "Die Suppe" (1911), bei dem er erstmals Filmtrick im Werbefilm einsetzte.

Im Jahr 1912 erhielt Pinschewer eine Stelle als Direktor und Regisseur bei der Berliner Harry Walden-Film. Zu diesem Zeitpunkt hatte er in Deutschland und der Schweiz bereits rund 500 Kinos unter Vertrag, die exklusiv seine Werbefilme zeigten. Während des Ersten Weltkriegs gründete er 1914 den Vaterländischen Filmvertrieb und beriet das Deutsche Kriegsministerium und die Deutsche Reichsbank bei der Propaganda für Kriegsanleihen. Später wurde er für seine Verdienste vom berühmt-berüchtigten General Erich Ludendorff gewürdigt (der 1923 maßgeblich am Hitlerputsch beteiligt war). Im Mai 1916 hielt Pinschewer, inzwischen eine Ikone in Sachen Werbung, einen Vortrag vor der Generalversammlung des Vereins Deutscher Reklamefachleute. Zwei Jahre später gründete er eine neue Firma namens Werbefilm GmbH.

Ab 1920 setzte Pinschewer bei seinen Werbeproduktionen verstärkt neue Filmformen und -techniken ein. Er engagierte Filmavantgardisten wie Walther Ruttmann und Lotte Reiniger, Spezialisten für Zeichen- und Legetrickfilme wie Hans Fischerkoesen und Wolfgang Kaskeline, aber auch Karikaturisten und Illustratoren wie Hermann Abeking und Harry Jaeger, sowie die Puppenspielerinnen Gerda und Hedwig Otto. Der Filmhistoriker Jeanpaul Goergen schrieb 1998 in einem Essay: "Pinschewer war ein begnadeter Talente-Entdecker, mit einer feinen Nase für filmkünstlerische Trends und ästhetische Innovationen. In seinem Werbefilm 'Marionetten' (1922) duellieren sich zwei Verehrer um das Herz einer schönen Frau. Der aufdringliche Liebhaber mit karikaturhaft verformten Zügen muss sich dabei die Perücke vom Kopf stoßen und so als Angeber entlarven lassen. Es gewinnt der echte Elegant, ein stattlicher Herr im Frack, der sich als Sektflasche der Marke Kupferberg Gold entpuppt." Passend dazu nannte Peter Kuntz von der Uni Trier Pinschewer einen "Meister der leicht fasslichen, unterhaltsamen Allegorie".

Ein besonderer Erfolg gelang Pinschewer mit dem Werbefilm zur 'Internationalen Kinematographie- und Photoausstellung' in Berlin 1925 (KIPHO), bei dem er eng mit dem renommierten Kameramann Guido Seeber zusammenarbeitete. Seeber war ein Pionier der filmischen Tricktechnik: von ihm stammten einige der frühesten deutschen Animationsfilme, und für die Doppelgänger-Aufnahmen des Klassikers "Der Student von Prag" (1913) hatte er ein hochinnovatives Spiegeltrick-Verfahren entwickelt. Der "KIPHO-Film" (1925) der beiden war eine bewegte Collage zu den Techniken der Fotografie und der Filmproduktion. Er erhielt viel Anerkennung und kam 1927 sogar im Amsterdamer Avantgarde-Filmclub 'Filmliga' zur Aufführung. Bis heute gilt er als ein Spitzenwerk der frühen Filmavantgarde.  

Während dieser Jahre florierte und expandierte Pinschewers Unternehmen: 1923 wurde er zunächst Leiter der Interessengemeinschaft zwischen seiner eigenen Werbefilm GmbH und der Industriefilm AG Berlin; im Jahr darauf wurde er dann Direktor der Industriefilm AG, die er ein weiteres Jahr später als Alleininhaber übernahm und mit seiner Werbefilm GmbH zur Pinschewer-Film AG verschmolz. Seine Filme wurden exklusiv in über 800 Kinos gezeigt.

1926 schien die Expansion ihren Höhepunkt überschritten zu haben; auch galt Pinschewers patriarchalischer Führungsstil zunehmend als anachronistisch. Zudem hatte er sich inzwischen auf längere Produktionen von 40-100 Metern (ca. zwei bis fünf Minuten) spezialisiert, was die Kosten in die Höhe trieb. Als er im September 1926 sein Monopol für die Ufa-Theater an ein Konkurrenzunternehmen verlor (die Frankfurter Werbekunst Reklame Epoche-Gesellschaft), resignierte er jedoch nicht, sondern reagierte mit einer weiteren filmtechnischen Innovation: Sein gut achtminütiger "Die chinesische Nachtigall" (1929) war der weltweit erste Werbe-Animationsfilm mit Ton. Die gewitzte Adaption von Hans Christian Andersens gleichnamigem Märchen pries die akustischen Vorzüge des neuesten ›Tri-Ergon‹-Lichttonverfahrens, das (so der Film) nicht nur den alten Nadelton übertrumpfte, sondern sogar den Gesang der Nachtigall. Kurz darauf produzierte Pinschewer mit dem Animationsfilm "Chad Gadjo" (auch: "Das Lämmchen", 1930, Regie: Rudi Klemm), nach einem altjüdischen Sinngedicht, seinen ersten Nicht-Werbefilm.

Im Mai 1933, also praktisch direkt nach der Machtübernahme der Nazis, verließ Pinschewer Deutschland. Bereits im Jahr zuvor hatte er eine Hitler-Rede gehört und ahnte offenbar, was kommen würde. Sein Privat- und Firmenbesitz wurde von Nazis "arisiert". Auf der Suche nach einer neuen Heimat reiste er mehrere Monate durch England, Holland und die Schweiz. 1934 ließ er sich schließlich in Bern nieder und eröffnete dort im September 1934 das 'Pinschewer Film Atelier für Herstellung und Vertrieb künstlerischer Werbefilme'. Aufgrund der festen Aufteilung des Vertriebs von Werbefilmen in der Schweiz waren seine Möglichkeiten jedoch stark beschränkt. Er realisierte Filme für Schweizer Behörden und Werbefilme für die Schweizer Landesausstellung 1939. Daneben produzierte er auch Marionetten- und Zeichentrickfilme, meist basierend auf jüdischen und schweizerischen Erzählungen. Über den einflussreichen Filmagenten Paul Kohner (ein Exil-Österreicher in den USA) versuchte er, in Hollywood Interesse für seine Trickfilmarbeiten zu wecken – ohne Erfolg.  

1939 zeigte das British Film Institute in London Pinschewers Werbefilm "Schweizer Sinfonie" in einem von Alberto Cavalcanti zusammengestellten Programm. In den nächsten Jahren folgten Vorführungen seiner Filme unter anderem in der Berner Filmgilde sowie auf einer Filmtournee durch die Schweiz. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eröffnete er 1946 ein Produktionsbüro in London, mit dem er Filme unter anderem für die britische Kohleindustrie ("King Coal", 1948) und das britische Rote Kreuz realisierte.

1948 erhielt Julius Pinschewer die Schweizer Staatsbürgerschaft – obwohl er bereits 1936 seinen deutschen Pass zurückgegeben hatte. Sein internationales Renommee verstärkte sich durch einen Ankauf seiner Arbeiten durch das Museum of Modern Art (MoMA) in New York. 1952 gehörte er in Paris zu den Gründern der Fédération Internationale du documentaire expérimental et du film d'avant-garde, die jedoch nur kurz existierte. In den folgenden Jahren liefen seine Filme bei diversen internationalen Festivals. Er verfasste Artikel (z.B. "Der Trickfilm als staatliches Propagandamittel", 1950) und hielt Vorträge, etwa über "Film im Dienste des Staates" (1950) und "Werbefilme als Kunst" (1957). 1959 ehrte ihn der Kongress Werbung München für seine Verdienste um die deutsche Werbung.

Doch während seine künstlerische Reputation wuchs, wurde die wirtschaftliche Situation seines Berner Unternehmens immer prekärer. Er produzierte noch einzelne Werbe- und Imagefilme, etwa für Schweizer Käse und regionale Tourismusbüros. Doch Pinschewer, der einstige Pionier, verlor den Anschluss an die sich wandelnden Formen und Anforderungen des Werbefilms. Abermals versuchte er, sich nicht unterkriegen zu lassen: Er realisierte mit seiner Firma animierte Kulturfilme, die als Vorprogramme für Kinos gedacht waren – für die er in der Schweiz jedoch keinen Vertrieb fand.

Im Mai 1960 zeigte das Zürcher Kunstgewerbemuseum unter dem Titel "50 Jahre Pinschewer-Film" ein Programm seiner Werbefilme – von denen er im Lauf der Jahrzehnte rund 700 produziert hatte. Knapp ein Jahr später, am 16. April 1961, starb Julius Pinschewer, inzwischen verarmt, nach längerer Krankheit in Bern. Sein Filmnachlass wird vom Bundesarchiv-Filmarchiv (Berlin) und dem Filmhistoriker Martin Loiperdinger (Universität Trier) betreut.

FILMOGRAFIE

1956/1957
  • Produzent
1955
  • Produzent
1955
  • Produzent
1953
  • Produzent
1951/1952
  • Darsteller
1952
  • Produzent
1952
  • Darsteller
1951
  • Produzent
195?
  • Produzent
1948
  • Produzent
1944
  • Produzent
1942
  • Produzent
1941
  • Produzent
1939
  • Darsteller
1938
  • Produzent
1933
  • Produzent
1932
  • Produzent
1931
  • Regie
  • Produzent
1930
  • Regie
  • Produzent
1930
  • Regie
  • Produzent
1930
  • Produzent
1930
  • Regie
  • Produzent
1930
  • Produzent
1930
  • Produzent
1929
  • Produzent
1929
  • Regie
  • Produzent
1929
  • Produzent
1928
  • Produzent
1928
  • Produzent
1927
  • Produzent
1927
  • Produzent
1927
  • Produzent
1926
  • Produzent
1926
  • Produzent
1926
  • Produzent
1926
  • Regie
  • Produzent
1926
  • Regie
  • Produzent
1926
  • Regie
  • Produzent
1926
  • Regie
  • Produzent
1925
  • Regie
  • Produzent
1925
  • Regie
  • Produzent
1925
  • Regie
  • Produzent
1924/1925
  • Regie
  • Produzent
1924/1925
  • Regie
  • Produzent
1924
  • Regie
  • Produzent
1923/1924
  • Mitwirkung
1924
  • Regie
  • Produzent
1924
  • Regie
  • Produzent
1922/1923
  • Regie
  • Produzent
1922/1923
  • Regie
  • Produzent
1921/1922
  • Regie
  • Produzent
1921/1922
  • Regie
  • Produzent
1922
  • Produzent
1921/1922
  • Produzent
1921
  • Produzent
1921
  • Produzent
1920
  • Produzent
1920
  • Regie
1920
  • Regie
1918
  • Regie
  • Drehbuch
  • Produzent
1918
  • Regie
  • Dialoge
  • Produzent
1918
  • Drehbuch
  • Produzent
1918
  • Produzent
1918
  • Regie
1918
  • Produzent
1918
  • Produzent
1917
  • Produzent
1917
  • Produzent
1917
  • Produzent
1911
  • Produzent