Leben mit Hannah
Hannah
Nach zahlreichen Förderpreisen für ihre Kurz- und Episodenfilme wagte sich Erica von Moeller, Absolventin der Kölner Kunsthochschule für Medien, an ihren ersten abendfüllenden Spielfilm und ins Kino. Ihr zur Seite stand die renommierte Kamerafrau Sophie Maintigneux, die u.a. schon mit Eric Rohmer zusammenarbeitete; mit der Verpflichtung von Nina Hoss für die titelgebende Hauptrolle gelang ihr ein weiterer Glücksgriff. Vielleicht hat man deshalb den ursprünglichen Filmtitel "Leben mit Hannah" zum Kinostart auf "Hannah" verkürzt, um die Aufmerksamkeit und Identifikation ganz auf die Figur jener Schauspielerin zu lenken, die derzeit in Christian Petzolds "Yella" (Kritik in dieser Ausgabe) einer weiteren prägnanten Frauenrolle Kinoprofil verleiht. Leider ist Erica von Moeller an ein Drehbuch geraten, das die Erwartungen nicht erfüllt und dessen dramaturgischen Schwächen die Regisseurin keine inszenatorische Kraft entgegenzusetzen vermag.
Die Fotolaborantin Hannah hat sich in einer Welt der Rituale und Abgrenzungen eingerichtet. Ihre Kölner Wohnung ist hochgesichert, die uneheliche Tochter Maya bei den Eltern "geparkt“, den Geliebten trifft sie nur besuchsweise. Eines Tages bringt ein geheimnisvoller Kunde aktuelle Schnappschüsse von ihr zur Entwicklung, und plötzlich hängen Fotos aus glücklichen Tagen an ihrer Wohnzimmerwand. Der "Verfolger" entpuppt sich als ihr früherer Lebensgefährte Nico, den sie einst mit der Lüge losgeworden war, Maya sei nicht sein Kind. Die Begegnung reißt Hannah aus ihrem "Schneckenhaus“. Sie macht sich mit Maya auf den Weg nach Berlin, um ihre Vergangenheit aufzuarbeiten. Am Ende finden nicht nur Mutter und Tochter zueinander – auch eine neue (alte) Familie zeichnet sich ab.
Kurze Einstellungen von im Detail fotografierten Gegenständen lassen in der Exposition Hannahs Obsessionen bildhaft werden, legen erste Spuren zu ihrer Innenwelt. Als mit dem Auftauchen der Fotos erste Irritationen aufkommen, wähnt man sich in einem geheimnisvollen Psycho-Thriller. Doch das unentschiedene, offensichtlich nicht stringent zu Ende gedachte Drehbuch (warum verfolgt Nico Hannah, wenn er ihr doch keine Angst machen will? Wie kommt er in ihre Wohnung?) kann die Spur nicht halten und verliert sich auf den lediglich angerissenen Nebenschauplätzen, auf denen kaum einer der Protagonisten Profil gewinnt. Matthias Brandt, als ihr von Kind und Eltern ferngehaltener Teilzeit-Geliebter, macht noch gute Mine zur schwachen Rolle, während sein nicht greifbarer Film-"Rivale" Wolfram Koch von Buch und Regie völlig allein gelassen wird. Manche Figuren wie etwa Hannahs Berliner Bekannte (Marie-Lou Sellem) sind schlichtweg überflüssig; auch der Versuch, mit zwei skurrilen Adlaten von Nico so etwas wie Humor zu installieren, scheitert. So bleibt alles an der ständig präsenten Nina Hoss hängen – und es ist ein Vergnügen, der von Sophie Maintigneux wunderbar ausgeleuchteten Schauspielerin ins ausdrucksstarke Gesicht zu sehen. Weil aber um sie herum alles und alle so blass bleiben, verliert man allzu schnell das Interesse an der Geschichte, der die Inszenierung weder Innen- noch Außenräume öffnet. Die Bilder verharren meist in Großaufnahmen und halbnahen Einstellungen, lassen die beiden Städte gar nicht erst mitspielen, sodass der Film insgesamt kaum Ausstrahlung gewinnt. Als filmische Fingerübung interessant, bleibt Erica von Moeller den Talentnachweis für einen "langen Kinoatem" noch schuldig.