Der Golem, wie er in die Welt kam
Der Golem, wie er in die Welt kam
Fritz Engel, Berliner Tageblatt, 31.10.1920, zit. nach Film und Presse, Nr. 17, 6.11.1920
Wegeners neuer "Golem", schon im Entstehen von Reklame bekränzt, ist trotzdem eine ausgezeichnete Arbeit. Die Liebesszenen, äußerlich ins Shakespearische hinüberspielend, sind so abgestanden, wie sie immer im Lichtspiele bleiben werden. Die Nuance, die vom gesprochenen Wort tausendfältig ausgeht, ist auch durch veredeltes Mienenspiel nicht zu ersetzen. Aber der Grundgedanke und seine Ausführung, beides packt und reißt mit. Hans Poelzigs Kulissen, dieses Ghetto, diese Burg, halb Wirklichkeit, halb Traum, spinnen uns leicht in die Legende ein. Das Märchen steigt dann in kühnen Umrissen auf. Der hohe Rabbi Löw, von dem ausdrucksvollen Steinrück mehr mönchischen als rabbinischen Aussehens gespielt, zieht uns rasch in seinen geheimnisvoll umwitterten Kreis. Wir verstehen, daß arme Juden, jahrhundertelang gequält und darum Verkündigungen erhoffend, versenkt ins Mystische, weil ihr wirklicher Tag voll Angst und Grauen war, sich an dem Prager Nekromanten verzückten und aufrichteten. Beinahe sehen wir ihn hier mit ihren Augen. Beinahe glauben auch wir, daß er gleich Gott dem Herrn verstand, einen Tonklumpen zu beleben. Aus seinen Händen wächst der Golem, riesengroß, dumpf, plump; Wegener selbst spielt ihn, ein wildes, klotziges Gespenst, ein östlicher Roland. Er dient dem Rabbi und hilft ihm, Not von seinem Volke abzuwenden. Dann erdreistet sich der Knecht. Er wird zuletzt durch ein Kind gezügelt. Das ist eine sehr liebliche, aufatmende Szene. Einzel- und Massenbilder sind von besonderer Schönheit. Da ist die Erscheinung Astaroths, das Bild der Erzväter, die Beter in der Synagoge und immer wieder der Golem selbst. Neben Wegener und Steinrück zeigen sich Lyda Salmonova, Ernst Deutsch und Lothar Müthel dem Sinne des Spiels ganz gewachsen.
Der Vorzug des "Golem" ist, daß er im Wundersamen Klarheit bewahrt. Gebt Erstaunendes, Schauerndes, aus dunklen Tiefen Geholtes, aber gebt es einfach! Das ist das Rezept, wenn ihr die Menge, die euch zahlen soll, ins Haus locken wollt!