Der Golem, wie er in die Welt kam

Deutschland 1920 Spielfilm

Der Golem, wie er in die Welt kam



W.K., Film und Presse, Nr. 17. 6.11.1920


Paul Wegener, der beste Filmschauspieler der Gegenwart, hat uns mit seinem "Golem, wie er in die Welt kam" den besten Film beschieden. Wegener ist Autor, Regisseur und Hauptdarsteller dieses Werkes und somit ist sein determiniertes Interesse, daß dieser Film ein Markstein im Kinowesen werde, begründet. Ein Markstein ist der neue Golem insofern, als er ein reiner Kunstfilm ist. Fragt sich nur, ob das Publikum, das nun einmal für die kitschigen Kinodramen er- und verzogen wurde, an der neuen Richtung Geschmack finden wird. Es wäre zu wünschen, damit auch mal die Gebildeten, unter denen die kampflustigsten Kinogegner zu finden sind, begreifen lernen, daß im Film kulturelle Werte stecken – können! (...)

Es liegt etwas Bezauberndes, Erschütterndes und Gewaltiges in diesem Werk, das den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Szene in atemloser Spannung hält. Was der Faust auf der Bühne, ist der Golem auf der Leinwand. Der erste Film einer vielleicht anbrechenden Sturm- und Drangperiode im Kinowesen und auch darum ein Markstein.

Wegener führte die schwierige aber dankbare Rolle des Golem mit einer dramatischen Kraft durch, die höchste Bewunderung hervorruft. Wie er zum Leben erwacht, als Diener des Rabbi durch die Welt stapft, mit einer übernatürlichen Kraft im Palast des Kaisers die Balken bersten läßt, wie er brandstiftend durch das Prager Ghetto zieht, mit einer unheimlichen Gleichgültigkeit die Tochter des Rabbi an den Zopfsträhnen durch die Straßen hinter sich herschleifend – das alles konnte nur ein Wegener darstellen. Seinen Blick, seine Mimik, seine automatischen Bewegungen muß man gesehen haben, um die Verinnerlichung dieses schemenhaften Lehm-Menschen begreifen zu können.



Albert Steinrück, dessen Spiel erst kürzlich im "Richter von Zalamea" großes Können zeigte, ist im Golem als Rabbi Löw wieder unübertrefflich. Sein Kostüm als Rabbi ist indessen nicht ganz vollständig.

Ernst Deutsch als Famulus zeigte in der Auffassung seiner Rolle echte Innigkeit und Lothar Müthel war ein flotter Junker Florian, der seine Liebe zu Mirjam (Lyda Salmonova) nicht nur erotisch kolorierte. Leider war seine schöne Partnerin typisch kein Ghettokind; sie vermochte das Salonmäßige nicht abzustreifen. Otto Gebühr als Kaiser in Maske und Spiel wie immer einwandfrei.

Die Regie erfreute besonders durch den zielsicheren Willen Wegeners nach vereinfachtem Stil und stark wirkender malerischer Geschlossenheit.

Professor Hans Poelzig, welcher die Bauten schuf, wird hoffentlich weiterhin dem Film seine Kunst geben.

Dr. Hans Landsbergers Musik paßt sich dem Rahmen dieses eigenartigen Films gut an.

Die Union-Film-Gesellschaft wird mit diesem Fabrikat das Ausland auflauschen lassen, und die uns boykottierenden Staaten werden vielleicht bald zu der Einsicht kommen, daß dem deutschen Film in diesem Gewande die Türen geöffnet werden müssen.

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