Inhalt
Deutschland, 1986. Nach der Scheidung seiner Eltern zieht der 17-jährige Niels mit seiner Mutter aus einer bürgerlichen Umgebung in eine Kommune unweit der AKW-Baustelle Brokdorf. Der Junge fühlt sich in der neuen Umgebung fehl am Platz, während seine Mutter in dem Umzug den ersten Schritt in ein neues Leben sieht. Die Anspannungen nehmen zu, als seine Mutter eine Affäre mit dem Kommunenguru Peter anfängt, mit dem Niels überhaupt nicht auskommt. Mit Martina, der Tochter des Bürgermeisters, schließt Niels sich den gewaltbereiten AKW-Gegnern an – aus Rebellion gegen Peter, vor allem aber, um Martina zu imponieren. Dadurch kommt es zu neuen Konflikten mit seiner Mutter und Peter, der den Fortbestand seiner Kommune gefährdet sieht. Durch die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl aufgerüttelt, begreift Niels schließlich, dass er nicht zum "Revolutionär" geboren ist. Zum ersten Mal tritt er seiner Mutter auf Augenhöhe gegenüber, um sich endlich von ihr zu lösen.
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Der langhaarige, indianergesichtige Oberguru Peter, erschöpft von stundenlangen fruchtlosen Ideologie- und Strategiedebatten wie vom täglichen Kampf um die gerechte Arbeitsverteilung in der Wohngemeinschaft, hat es zunehmend schwerer, seine Schäfchen bei der Stange zu halten. Zwar bastelt Walther, der Älteste der Gruppe, gerade an einem Windrad, damit es wenigstens an stürmischen Tagen Strom in der dringend sanierungsbedürftigen Hütte gibt, doch mit der sozial engagierten Gesine verliert er demnächst seine wichtigste Mitstreiterin.
Da kommt unverhofft Hilfe aus dem nicht allzu fernen Bremen: Die Sozialarbeiterin Hanne, gerade von ihrem Mann verlassen, zieht zusammen mit ihrem 17-jährigen Sohn Niels ein. Der will zwar zunächst von den spinnerten Kommunarden nichts wissen und schließt sich der Dorfjugend in Person des sich brutal gebenden, im Grunde aber gutmütigen Provinz-Rockers Rakete und seiner Flamme Martina, der Tochter des Wirts und Dorfbürgermeisters, an. Aber das werde sich schon geben mit der Zeit, hofft Peter.
Zu einer Art väterlichem Freund für Niels wird jedoch nicht, wie seine Mutter hofft, der friedensbewegte Peter, mit dem sie ein Verhältnis beginnt, sondern der linksradikale Außenseiter der Landkommune, Eckardt (Richy Müller), ein im RAF-Umfeld geschulter Kämpfertyp, der auch vor Gewaltanschlägen nicht zurückschreckt. Als der sich nach mehreren Aktionen u.a. gegen Strommasten enttäuscht von der ihm zu laschen, weil pazifistischen Kommune abseilt, will auch Niels das Dorf verlassen. Andererseits hat er gerade eine zarte Liaison mit Martina begonnen, die dabei ist, sich von ihrem reaktionären Vater zu emanzipieren...
Lars Jessens Leinwanddebüt „Am Tag als Bobby Ewing starb“ ist bei allem ernsten Hintergrund (die Atomkraftwerks-Katastrophe in Tschernobyl bricht ausgerechnet an dem Tag aus, an dem – zumindest im deutschen Fernsehen – „Dallas“-Star Bobby Ewing drehbuchgemäß sein Leben aushaucht) eine witzige Geschichte von den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens und zugleich das leicht ironisch-nostalgisch angehauchte Porträt einer aus heutiger Sicht bereits so fernen wie skurrilen Zeit.
Da wird zwar kein Klischee ausgelassen von den so langhaarigen wie diskussionsfreudigen Müsli- und Malzkaffee-Revoluzzern über den (damals noch) aussichtslosen Kampf gegen den Bau von Kernkraftwerken bis hin zu den absurden Selbstverwirklichungs-Idealen der heute schon legendären „Achtundsechziger“, aber die Figuren werden mit viel Sympathie gezeigt.
Und wenn am Ende der zermürbte Peter die Brocken hinschmeißt um nach Portugal zu entfliehen und Niels seiner entsetzten Mutter offenbart, dass er, statt in der Landkommune Ersatzdienst zu leisten, doch lieber zum „Bund“ geht, dann ist das kein bösartig-rechthaberischer Blick zurück, keine Abrechnung mit den Idealen der inzwischen in Amt und Würden „durchmarschierten“ Elterngeneration, sondern eine völlig unsentimentale und erstaunlich detailgenaue Milieustudie aus der Sicht der nachkommenden Generation. Was kein Wunder ist, denn Lars Jessen, 1969 in Kiel geboren, hat diese Zeit selbst erlebt.
Pitt Herrmann