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Kroko, die eigentlich Julia heißt, ist die selbst ernannte Königin der Hinterhöfe im Berliner Stadtteil Wedding. Die zierliche Blondine sieht gut aus, ist schlagfertig, aggressiv – und völlig desinteressiert an allem, was nicht mit Party, Klamotten oder Kosmetik zu tun hat.
Alle Menschen in ihrer Umgebung, von der Mutter bis zum Freund, stehen voll und ganz unter Krokos Kommando. Bloß keine Gefühle zeigen, ist das Motto der jungen Frau. Es geht eine eisige Kälte von ihr aus, die sich nicht einmal verliert, als sie ohne Führerschein einen Radfahrer anfährt und schwer verletzt. Zur Strafe wird sie zu 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt – in einer Behinderten-WG. Zunächst schaltet Kroko auch dort voll auf Stur. Die Behinderten sind für sie "Spastis" und der Gruppenleiter nur ein "Hippie". Aber nach einer Weile beginnt die "Eisprinzessin" langsam aufzutauen.
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Und zum zweiten ihre 20-jährige Hauptdarstellerin Franziska Jünger, eine wundervolle Laiendarstellerin, im bisherigen Leben Arzthelferin mit Wunsch Tiermedizin-Studium in Berlin-Steglitz. Was sich dann freilich schlagartig änderte: Nach dem Vorläufer „Boomtown: Kroko“, 2001 produziert von der dffb, ist mit „Hab mich lieb“ bereits der dritte Streifen des Tandems Enders/Jünger im Kasten.
Die Rolle der 16-jährigen Julia, genannt Kroko, scheint Franziska Jünger auf den Leib geschrieben zu sein: Ein Engel der Straße, sehr blond, sehr sexy, eine abgebrühte Schlampe mit Berliner Kodderschnauze, bissig wie ein Krokodil. Sie könnte, nimmt man das Äußere nicht zur Kenntnis, glatt als Dreißigjährige durchgehen.
Ihr Kiez ist das Underdog-Milieu der „Platte“ zwischen Wedding und Marzahn, wobei „Platte“ für die gemeinhin als „Arbeiterschließfächer“ denunzierten Plattenbauten aus vergangenen, in der Architektur aber noch sehr gegenwärtigen DDR steht. Dort lässt sie mit ihrem lockeren Lebenswandel und ihrer selbstbewusst-auftrumpfenden Art nicht nur ihre schwer schuftende Mutter, sondern auch die Schullehrer verzweifeln.
Sylke Enders versagt sich glücklicherweise den pädagogischen Zeigefinger zum „Jahr der Behinderten“ – und versagt Kroko ein glückliches Ende. Denn ihre alte Umgebung goutiert ihre innere Veränderung keineswegs: Daheim bleibt ihr die Tür verschlossen, ihr Freund Eddie bandelt mit einer anderen an und Kroko muss sich mit Rolle, dem dicken Außenseiter (Danilo Bauer), zufriedengeben....
Der 38-jährigen Regisseurin ist es gelungen, aus dem Stoff einen ganz und gar nicht kitschigen und nur sehr beiläufig sozialkritischen Film zu machen. „Kroko“ ist überbordend heiter bei aller Schnoddrigkeit – und was das wichtigste ist: das Happy End ist nur eine vage angedeutete Möglichkeit und keine Belohnung für Krokos innere Wandlung. Zunächst muss die Zickenkönigin in Plüschjacke und Trainingshose, alles andere als ein Sympathieträger, durch die Hölle gehen.
Als Abschlussfilm der dffb Berlin mit dem „First Step Award“ in der Kategorie abendfüllender Feature-Film ausgezeichnet kam „Kroko“ im März 2004 mit großem Erfolg in die deutschen Kinos.
Pitt Herrmann