Dreyfus
Dreyfus
(...) Der Film wird zu einer scharfen Abrechnung mit einer völlig sinnlosen, auch heute noch üppig wuchernden Geheimpolitik, er wird zur Anklage gegen die angeblich im Staatsinteresse waltende Lügenmaschinerie, die man unter Spionage versteht.
Er wird gleichzeitig zu einem Roman zweier standhafter Charaktere: Emile Zola kämpft für Dreyfus, den er gar nicht kennt und für den er doch Gerechtigkeit fordert, – weil er diese Gerechtigkeit liebt und seinem Volke erhalten will. Märtyrer einer auch heute nicht im Übermaß strapazierten Idee. Ihm zur Seite der Oberst Picquart, fast noch opfermutiger, wenn auch nicht so machtvoll im Kampf mit der Militärkamarilla und dem Offiziersklüngel. Diese Einsamen inmitten einer verblendeten Welt, der es nicht um Gerechtigkeit, sondern um einen Sündenbock zu tun ist, – das ist ein lebendiges Abbild unseres unvollkommenen Lebens, das der Unverstand und die Gehässigkeit beherrscht.
Eine Idee also, – und nur die wenigsten Filme haben, wie wir wissen, dieses Kleinod.
Zwar äußerlich nicht die Idealform eines Films, – Dramatik und Tempo leiden zugunsten des Geredes, das, wie das bei Gerichtsverhandlungen eben ist, manchmal endlos wirkt, – aber die Größe der Idee verschattet diese Mängel, zumal Richard Oswald geschmackvoll inszeniert hat und nie eine falsche Geste, nie einen falschen Ton aufkommen läßt.
Er hat ein Prominenten-Ensemble gebildet, wie es kaum eine deutsche Bühne heute zusammenbringen kann. Kortners Dreyfus stimmt in Art und Haltung mit dem Mann der Teufelsinsel überein, eine schlichte, überzeugte und überzeugende Leistung.
Die Träger der Idee dieses Films sind Zola und Picquart. Zola wird von Heinrich George gespielt und gesprochen. Den abgebrühten Parkettlöwen steigt es heiß in die Augen, wenn sie diesen edelsten und saubersten Mann seiner Zeit so vor sich sehen und sich in seinen Worten eine lautere und reine Welt spiegelt, sie vergessen dann, daß nicht Emile Zola vor ihnen steht, dessen Gedankenflug sie heute und immer begeistert und verführt, sondern Heinrich George, in dessen Blick und Stimme Herz und Genie ist, – mehr braucht er nicht zu haben – denn mehr hat Zola ja auch nicht gehabt – – –
Albert Bassermann ist Picquart. Er tritt nicht so hervor wie George, – aber auch er zeigt in einigen wundervollen Szenen, daß er den Iffland-Ring nicht ohne Recht trägt. Sprache und Spiel edel, machtvoll, groß – wert, einmal einer tragenden Tonfilmrolle geschenkt zu werden. (...)