Was geschah wirklich zwischen den Bildern?
"Was geschah wirklich zwischen den Bildern?" von Werner Nekes
Karsten Witte, Die Zeit, 27. März 1987
Die Frage, die der Filmtitel stellt, ist eine Frage, die sich heute kein Film mehr stellt. Eher erinnert die Titelfrage an andere Titel, denen es um dramatische Ermittlung ging, etwa Aldrichs Film mit Bette Davis und Joan Crawford: "Whatever happened to Baby Jane?" (1962). Werner Nekes geht es um die Frage nach der Ermittlung des Dramatischen, genauer: um die Aufdeckung der Natur des Technischen, die eine Darstellung des Konflikts erst möglich macht.
Thema dieses spannenden und vergnüglich anzuschauenden Essay-Films sind die Vorformen des Films. Am Anfang steht eine wissenschaftliche Frage: Wie läßt sich aus bewegten Bildern die Illusion einer Bilderbewegung erzeugen? Wie der täuschende Schein sich unter dem Blick des Kino-Archäologen zerlegen? Nekes tritt auf als Forscher und als Zauberer. Er führt uns seine Sammlung zur Frühgeschichte der Bilderapparate vor, aber so, daß aus dem Wissenschaftslabor plötzlich ein Wanderkino wird. Nekes nimmt die Zauberkästen in die Hand, klapt sie auf. Dann übernimmt sein Assistent die Show: Bernd Upnmoor an der Kamera, dem es auf wunderbare Weise gelingt, die Mechanismen der Scheinproduktion vor unseren Augen ins Laufen zu bringen.
Wie ein geübter Bilderfetischist ist Nekes unermüdlich in der Demonstration der Objekte, die er alle gleichmäßig lieben mag, aber ungleichmäßig zum Zuschauerinteresse einsetzt. Am Anfang des Films prasseln aus den geöffneten Schachteln, Trommeln und magischen Laternen noch zu viele Namen und Daten, so als sei das, was wirklich zwischen den Bildern geschah, festzumachen an der erschöpfenden Liste der Erfinder jener Apparate. Die Frage, was vielleicht mit den Bildern, dem Rohstoff der Phantasie geschah, was abbildungswürdig, was banal, auch: was im Bild tabuisiert schien, stellt sich nicht eben deutlich. Denn zwischen den Bildern, lehrt uns diese Recherche, geschah an sich nichts, außer daß der Zwischenraum so beschleunigt wurde, daß sich die vereinzelten Bilder einander annäherten.
Dennoch ist der Film ein kleines, fesselndes Taschentheater, das Blicke freigibt hinter die Modellkulissen aus Pappmaché und Linsen, in denen spiegelnde Flächen und lichteinfangende Boxen erst zum Spielzeug reproduzierter Bilder, dann zum Instrument einer produktiven Bilderschrift werden. Wenn Nekes den Daumen auf die laufenden Bilder hält, gerät er ins Dozieren. Läßt er wieder locker, wird sein Film unberechenbar kurios, lehrreich in der Absichtslosigkeit der Kaleidoskope, die mit jeder Drehung ihrer Kristalle ein neues Entzücken bereiten. Dieser Film sollte vielleicht der Organisation "Inter Nationes" gewidmet sein, deren Herren soviel Anstoß an Nekes" Film "Uliisses"" nahmen. Dann wäre endlich die dringende Frage zu klären, was im Goethe-Institut von Kuala Lumpur wirklich vor den Bildern geschah.
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