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Wim Wenders' in Cannes preisgekrönter Film erzählt die Geschichte der beiden Engel Cassiel und Damiel, die es wagten, Gott zu widersprechen und daher von diesem auf die Erde, nach Berlin, versetzt wurden. Die beiden körperlosen Gestalten sind allein für Kinder sichtbar, doch als Damiel sich in die Trapezkünstlerin Marion verliebt, wird er nur noch von dem Wunsch getrieben, ebenfalls ein Mensch und damit sichtbar zu werden. Er lernt den amerikanischen Schauspieler Peter Falk kennen, der früher selbst ein Engel war und Damiel rät, den großen Schritt zu vollziehen und sein Dasein als Engel aufzugeben.
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Denn die „geistige Existenz“ füllt einen Engel wie ihn nicht aus, der Sehnsucht verspürt nach den Erlebnissen und den Gedanken der Menschen rings um ihn herum. Der mitlachen und mitleiden möchte, Gefahren kennenlernen und Schmerzen ertragen will. So versucht Damiel, naturgemäß vergeblich, einen in der U-Bahn Überfallenen sowie einen an einer Straßenkreuzung verunglückten Motorradfahrer zu trösten oder einen Selbstmörder vor dem Sprung aus einem Hochhaus zu bewahren.
Solchermaßen fasziniert vom menschlichen Dasein, verliebt er sich in die Trapezkünstlerin Marion, die zu einem französischen Zirkusunternehmen gehört, das Pleite gemacht hat und seine Zelte im Berliner Hinterhofmilieu vorzeitig abbricht. Für sie, die in Berlin bleiben möchte und sich nun als Kellnerin durchschlagen muss, ist Damiel sogar bereit, seine Unsterblichkeit zugunsten einer irdischen Existenz aufzugeben: Er taucht in die reale Welt der Menschen ein. Damiel weiß danach, was kein Engel weiß...
Nach dem Kinostart am 29. Oktober 1987 kam „Der Himmel über Berlin“ am 28. September 1992 bei Arte erstmals ins Fernsehen. Aus den Originalnegativen restauriert und in 4K digitalisiert erfolgte am 16. Februar 2018 auf der 68. Berlinale im Rahmen der Classics-Reihe die zweite knapp zweistündige „Uraufführung“, von Arte am 20. Februar 2019 erstausgestrahlt. Der Kultfilm erhielt 1993 durch Wim Wenders mit „In weiter Ferne so nah“ eine Fortsetzung und wurde 1998 unter dem Titel „City of Angels“ („Stadt der Engel“) von Brad Silberling mit Nicolas Cage und Meg Ryan in den Hauptrollen in den USA neu verfilmt.
Die poetische Liebeserklärung Peter Handkes und Wim Wenders‘ an das menschliche Leben und seine Sinnlichkeit hat sich für ein breites Publikum bei der ersten Begegnung im Kino zunächst nicht erschlossen: zu langatmig, zu verquast-kopflastig. Wer freilich mit Peter Handkes Prosa oder seinen Theaterstücken wie „Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“ oder „Das Spiel vom Fragen“ vertraut ist, hat geschärfte Sinne für dieses hochartifizielle Spiel mit den Wirklichkeitsebenen: Als Zuschauer muss man völlig abschalten und bereit sein, sich einzulassen auf eine ungewöhnliche, vielleicht gar singuläre ästhetische Erfahrung – und sich am besten bedingungslos fallen lassen. Was naturgemäß vor der Leinwand besser geling als daheim vor dem Bildschirm.
Zu den schönsten, auch nachdenklichsten Szenen des Films gehören die Begegnungen der Engel mit Homer (Curt Bois ist 1988 mit dem Europäischen Filmpreis Felix als bester Nebendarsteller ausgezeichnet worden), einem alten Poeten – zunächst in der gigantisch dimensionierten Scharounschen Staatsbibliothek am Kulturforum, später immer wieder am Potsdamer Platz, wo sich der „Erzähler der Menschheit“ im unvergleichlichen Ambiente des damals noch authentischen Kaisersaals des Hotels Esplanade seinen Erinnerungen an das alte Berlin hingibt, schwelgerisch von der Weltmetropole der 1930er Jahre erzählt und bekennt, sich in dieser (damals noch) wüsten Gegend unmittelbar an der Mauer ebenso wenig zurechtzufinden wie im Alltag der geteilten Stadt.
Aus heutiger Sicht ist „Der Himmel über Berlin“ auch das zeitgeschichtliche Dokument einer geteilten Stadt und ihrer schmerzvollen Wunden. Für Henri Alekans Kameraführung gabs 1968 beim Deutschen Filmpreis in Berlin ein Filmband in Gold: den berühmten Franzosen hatte Wenders für seinen ersten deutschen Film nach achtjährigem Amerika-Aufenthalt aus dem Ruhestand geholt und als Dank für seine Zusage Marions Zirkus nach ihm benannt. Der Regisseur über seinen in Schwarz-Weiß und Farbe gedrehten und daher besonders schwierig zu restaurierenden Zweistünder: „Der Film ist aus der Perspektive der Engel erzählt und die sehen die Welt in schwarz-weiß. Erst als Damiel ein Mensch wird, eröffnen sich ihm die Farben.“
Pitt Herrmann