Abgeschminkt

Deutschland 1992/1993 Spielfilm

Abgeschminkt!



Sabine Horst, epd Film, Nr. 7, Juli 1993

Knappe zwanzig Jahre nach der Veröffentlichung von Alice Schwarzers Befreiungsbibel "Der kleine Unterschied" ist Feminismus kein Thema mehr. Katja von Garnier, Regisseurin einer nachgeborenen Generation, möchte ihren ersten Spielfilm denn auch gar nicht erst in diesen verdächtigen Kontext gestellt wissen. Optimistisch gibt sie zu Protokoll: "Ich wollte Frauencharaktere zeigen, die aus den neunziger Jahren sind. Die weder die Karrieregeilheit der achtziger noch das Kämpferische der siebziger Jahre im Kopf haben. Sondern bewußte Frauen, die einfach alles tun und nicht nur alles wollen."

Was die Lücke zwischen Kampf und Karriere angeht, so zeigt sich die Filmemacherin, die auch fürs Drehbuch verantwortlich zeichnet, auf den ersten Blick freilich nicht sonderlich originell: Die Frauen in "Abgeschminkt!" haben vor allem Männer im Kopf und darin können sie ihren Großmüttern die Hand reichen, wenn man einem weitverbreiteten Klischee übers andere Geschlecht glauben will. Frenzy (Katja Riemann), von Beruf Comiczeichnerin, ist die Ältere und daher Abgeklärtere von zwei Freundinnen: In ihren Cartoons um "Rubi – Die Mosquitofrau" zeichnet sie sich jahrelangen Liebes- und Beziehungsfrust von der Seele. Die hübsche, aber etwas unsichere Krankenschwester Maischa (Nina Kronjäger) muß den Parcours geplatzter Verabredungen und peinlich mißlungener One-Night-Stands erst noch absolvieren – ihre Abenteuer geben das Material für Frenzys Geschichten ab. Der Film begleitet die beiden durch ein Wochenende, in dessen Verlauf sich Maischa die Männer fürs erste abschminkt und Frenzy doch jemanden findet, bei dem es sich um "Mr. Right" handeln könnte: Das gute alte Spiel um Angriff und Rückzug, Schein und Sein, wahre oder falsche Gefühle bringt gelegentlich komische Einsichten – "Du wirst ihn sowieso vergessen, wenn er dir deine Plattenregale eingedübelt hat" –, machmal auch nur Abgeschmacktes hervor.

Irgendwann aber stellt sich ein vager "Thelma & Louise"-Effekt ein, und es wird klar, daß es vielleicht gar nicht so sehr um die Männer geht, sondern um das, was Frauen tun, wenn sie unter sich sind. Obwohl er diese Perspektive nicht konsequent durchhält, hat der Film hier seine gelungensten Momente. Am Morgen nach einer langen Nacht etwa versucht Frenzy Maischa zu wecken, indem sie ihr verschiedene Frühstückshäppchen unter die Nase hält; in der Großaufnahme zucken Maischas Augenlider, um sich schließlich über einem Löffel Nougatcreme zu öffnen. Augenblicke wie diese sind so intim und zugleich locker inszeniert, daß sie über alle Drehbuchschwächen und Verbeugungen vor dem Zeitgeist hinwegtragen. Wenn die bewegliche Kamera um die Schauspielerinnen kreist oder über zufällig entstandene, scheinbar vom Alltag arrangierte Stilleben schweift, stellt sich ein Gefühl der Stimmigkeit ein, das in deutschen Filmen selten so mühelos hergestellt wird. Auf einen Plot hätte "Abgeschminkt!" im Grunde ganz verzichten können – und das wäre ja auch schon ein Lob für die Regisseurin.

Garnier wurde übrigens schon von Hollywood gerufen: um die Dreharbeiten zu Wolfgang Petersens neuem Film "In the line of fire" zu dokumentieren. Bleibt zu beobachten, wie sich eine solche Karriere im Stil der neunziger Jahre entwickeln wird.

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