Heidi M.

Deutschland 2000/2001 Spielfilm

Meistens ist es besser, was man nicht filmt


Peter Körte, Frankfurter Rundschau, 28.03.2001

Wenn einer seit vielen Jahren keinen Spielfilm mehr gedreht hat, dürfte er seine Gründe haben, und vermutlich wird Michael Klier die Frage nach dem Warum nicht mehr hören können. Fragen bleiben ohnehin genug, wenn man "Heidi M." gesehen hat, den der 57-jährige neun bzw. zehn Jahre nach "Ostkreuz" und "Überall ist es besser, wo wir nicht sind" nun ins Kino bringt. Zum Beispiel, warum ihn x-Filme produziert hat, die Berliner Firma, die durch Tom Tykwers "Lola rennt" zu einer ersten Adresse im deutschen Kino geworden ist. "Heidi M." sieht nicht gerade so aus, wie man sich einen Film von x-Filme vorstellt – kein visuelles Feuerwerk, kein Kinomärchen wie bei Tykwer, kein Debüt eines Jungregisseurs wie "Absolute Giganten". Und Michael Klier räumt im Gespräch ein, dass die Zusammenarbeit trotz langjähriger Verbundenheit nicht ganz leicht gewesen sei.

"Heidi M." ist spröde, so unspektakulär wie das alltägliche Licht, auf das sich die Kamerafrau Sophie Maintigneux so gut versteht, die auch schon für Rohmer oder Godard gearbeitet hat. Keine zerfließenden Cremetöne, keine Filter und keine Farbvaleurs für Gefühle, weil es im Leben ja auch keinen Weichzeichner gibt, wenn sie ihn oder er sie trifft. "Heidi M." ist der Film von Katrin Saß, DEFA-erprobt, stabil genug für eine solche Aufgabe, und wenn man nur ihre Stimme hört, den harten Klang, die ohne große Atempausen und Modulationen herausgebrachten Sätze, hat man ein DDR-Déjà-vu: So klang die Bedienung im Restaurant mit ihrem "hamwanich", bei der selbst das dahingeschmetterte "Schönentachnoch" wie ein Befehl wirkte.

Man begreift rasch, dass all das Barsche, Ruppige und die ostentative Selbstbehauptung ein Schutzschild sind – für ihre Verletztheit und die Angst, mit Ende 40 keinen Mann mehr zu finden, nachdem der Ehemann sie nach 19 Jahren verlassen und gerade ein Kind mit einer deutlich jüngeren Frau gezeugt hat. Die gelernte Elektroinstallateurin Heidi hat einen unverwüstlichen Überlebenswillen, sie betreibt einen Spätkaufladen am Elisabethkirchplatz in Berlin-Mitte, sie zieht ihre Tochter groß. Sie ein großes Herz, einen rauen Ton, und wenn sie einen Mann braucht, schminkt sie sich, setzt sich an eine Hotelbar oder an die Bowlingbahn und wartet auf den trostlosen One-Night-Stand.

So könnte es weitergehen, bis sie zufällig Franz (Dominique Horwitz) trifft. Er ist ihr zu schnell, sie ist zu ängstlich – für zwei Veteranen des Ehelebens ist das kein gutes Timing, doch für einen Film ist dieser Konflikt ein ideales Bewegungsprinzip. Es ist eine Romanze zwischen Erwachsenen, wie das Presseheft zugleich wirbt und warnt, und es ist unübersehbar, dass Michael Klier dabei auf jene Selbstverständlichkeit und jenes alltägliche Ambiente setzt, wie man sie im französischen Kino der letzten Jahre am besten findet, wo sich in ein paar Szenen ein Milieu erschließt, wo mit ein paar Bildern die Klischees ausgehebelt werden.

Doch ebenso rasch merkt man, dass hier etwas nicht zuende geschrieben ist und das Unfertige inszeniert wird – mehr Drehzeit, um die Schwächen des Buches (Karin Aström) zu kompensieren, gab es nicht. Und Klier ursprünglicher Plan, die Geschichte als einen deutschen Dogma-Film auf Video zu drehen, stieß nicht auf Gegenliebe.

Doch ob Video oder 35mm – die Achillesferse ist das Script, das die Figuren wie Rohentwürfe wirken lässt, die etwas versprechen, ohne es einlösen zu können; auch die Dialoge gehen bisweilen etwas schwer von der Zunge und hängen bleiern im Raum. Und Michael Klier, den die Credits unter "Drehbuchbearbeitung" nennen, macht kein Hehl daraus, dass das Drehbuch nicht so geworden ist, wie er sich vorgestellt hatte.

Eine Weile geht das gut, doch die Probleme beginnen, wenn der Film Handlung "erzeugen" will und sich die Kreise der Figuren erweitern. Da ist Franz" Sohn, der vom Vater zunächst nichts wissen will, ihn dann aber auf einmal verzweifelt sucht, ohne dass klar würde, warum. Die Missverständnisse zwischen den beiden gehemmten Liebenden sind so konstruiert, dass man sie nur von ihrer schlichten Funktion her begreifen kann: Sie sollen eine Geschichte voranbringen, doch der Film gewinnt dabei keinen Zentimeter Boden. Weder Franz" Rückzug in eine Gärtnerei auf dem Lande, um zu sich selbst zu finden, noch Heidis Entschluss, zum selben Zweck einige Zeit zu verreisen, passen zu den Figuren. Dass sie ihren Ex zum Gespräch nötigt, dass dieser Ex dann kurze Zeit später heulend bei ihr auftaucht, weil er mit der Rolle als frischgebackener Vater nicht klar kommt – all das sind bloß Winkelzüge aus dem Drehbuchseminar, die die Glaubwürdigkeit der Figuren beschädigen. So kollidieren in Kliers Film zwei Formen erzählerischer Logik: Die Entwicklung der Figuren und die Entwicklung eines Plots, der "Aktion" konstruiert und den Figuren nicht vertraut, indem er sie Dinge tun lässt, die eher kindisch sind.

Natürlich kann man vom Kino nicht einfach "Realismus" fordern und einen Film daran messen, wie "realistisch" seine Figuren wirken. Doch wenn ein Film so unmissverständlich wie "Heidi M." beginnt, und signalisiert, dass er genau das will, dann muss man ihm auf dieser Spur folgen, auch wenn man dabei immer wieder in die Irre geführt wird. Kliers Inszenierung müht sich sehr, doch seine Einflussmöglichkeiten waren begrenzt. Wenn er selbst darüber spricht, hat man nicht den Eindruck hier suche einer nach Ausflüchten. Natürlich hätte er alles hinwerfen können, doch diese Haltung liegt ihm nicht. Er hat die Verantwortung übernommen, und deshalb steht er zu "Heidi M.", auch wenn es für einen, der sich selbst unbeirrt als "Autorenfilmer" bezeichnet, nicht leicht ist, die Verschiebung hin zum Produzentenkino zu akzeptieren. Doch ebenso klar ist für ihn: "Ich könnte besser, wenn man mich lässt".

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