Lohnbuchhalter Kremke
Lohnbuchhalter Kremke
Jahrelang hat man diesen Hermann Vallentin arrogante Protzen, brutale Kaschemmenwirte und ähnliches nach der Schablone spielen Iassen. Gestern stand er – endlich – vor einer Aufgabe anderer und wesentlicherer Art. Bei diesem Nachläufer der stummen Produktion entsann man sich, diesen Künstler für eine große Menschengestaltung eigener Physiognomie einzusetzen. Und mit aufrichtig dankenswertem Erfolg! "Lohnbuchhalter Kremke", die tragende Gestalt des nach ihr benannten Films blüht in Hermann Vallentins Konturen zu überzeugendem Leben auf. Sein Schicksal, das tragische Schicksal einer bürgerlichen Mittelschicht, die durch Arbeitslosigkeit proletarisiert wird, die den inneren Kontakt zu einer auf neue Geleise geleiteten Welt verliert und den Ausweg im Freitod findet, wird zum Erlebnis.
Dieser Film ist zeitnah; auch wenn er – stumm ist. Nicht die technische Fertigung allein gibt das maßgebende Kriterium ab. Und darum ist auch hier nicht die Frage am Platze, ob heute noch stummes Sprechen von unserer Illusionsfähigkeit hingenommen wird, sondern eher darauf hinzudeuten, daß die von der stummen Ausdruckskunst entwickelten Elemente der Bildsprache (wie wir ihnen hier wieder einmal begegneten) auch im Tonfilm künftig weit stärker zur Wirkung gebracht werden sollen.
Es entrollt sich ein Kleinbürger-Schicksal. Entrollt sich auf dem sehr lebendig gestalteten, in guter Bildreportage entwickelten Hintergrund heutigen Wirtschaftselends: die Maschine, die die Menschenkraft verdrängt; die trostlosen Reihen der Stempelnden im Arbeitsamt; der Optimismus der Jugend, die Resignation des Alters. . . . Probleme der Zeit werden lebendig, rütteln uns auf. Das hat die Regie gewollt – das hat sie erreicht. Daher auch lebhafter Beifall am Schluß der Interessenten-Vorführung, wenngleich die Handlung auch zu mancherlei Widerspruch begründeten Anlaß bietet. Neben Hermann Vallentin konnten sich Anna Sten und Kowal-Samborski auf der Bühne zeigen.