Vergeßt mir meine Traudel nicht

DDR 1957 Spielfilm

Auf dem Wege …


Klaus Wischnewski, Deutsche Filmkunst, Berlin/DDR, Nr. 12, 1957

Der Humor genießt in Deutschland seit langem mehr Asyl- als Heimatrecht. Die Deutschen glaubten – glaubten?!–, recht eigentlich ohne ihn auskommen zu können. Bis zum Jahre 1945 haben sie nie vermocht, ihre Vergangenheit so zu überwinden, daß sie aus einer neuen, fortgeschrittenen Position heraus über sie hätten lachen können. Da sie in sich und um sich kein Verhältnis zur Demokratie fanden, blieb ihnen auch die Fähigkeit versagt, über ihre Schwächen zu lachen und den Widersprüchen auch ihres sozialen Lebens lachend zu Leibe zu gehen. Die für die späte Bourgeoisie typische Entpolitisierung des Humors hat in Deutschland eine lange Tradition, die etwa durch den hochpolitischen Militärschwank nur ihre tieftraurige Ergänzung fand. Und was so in den letzten fünfundzwanzig Jahren auf der Leinwand den deutschen Humor repräsentierte, ist bis auf den heutigen westdeutschen Tag ein nur zu getreues Abbild dieser sozialen Abnormität.

So kommt es, daß "die Frage der Komödie" für uns "eine sehr ernste" ist und ihre Lösung "entschlossen in Angriff genommen werden muß". (…) Ist es so verwunderlich, daß uns die neue, politische, realistische Komödie noch weit mehr Kopfzerbrechen bereitet als die anderen Genres der Literatur? Mir scheint, daß das in dem neuen DEFA-Film von Kuba und Kurt Maetzig auf eine sehr eigentümliche Weise zu spüren ist. "Vergeßt mir meine Traudel nicht" war als eine oder sogar "die" DEFA-Komödie angekündigt – dem fertigen Film fehlt diese Genre-Bezeichnung. Und ihm fehlt nicht nur die Bezeichnung, ihm fehlt das Genre auch wirklich. Es gibt in ihm eine Menge Szenen, die im Grunde sehr lustig sind. Es werden Situationen geschaffen, die zu erheiternden Verwechslungen, Irrtümern, Mißverständnissen führen: So wird im Gefühl pädagogischer Verantwortung ein Kleid geklaut; so wird Traudel von Hannes Wunderlich in die Wohnung geschmuggelt, um seinen Freund Kiepe zu überraschen – genau das Gegenteil dessen, was dieser erwartete. So werden die beiden Männer von Traudel gerissen gegeneinander ausgespielt. Der sächselnde Verkehrspolizist auf dem Berliner Alex ist so erheiternd wie lebensecht, und die Zimmerwirtin Palotta in ihrer Zeitungsbude, den Strohhut auf dem Kopf, ist eine Lustspielperle. Der verwirrte Kiepe in der Küche mit dem angebrannten Gries – so etwas ist nicht neu, aber immer wieder spaßig. All das sind ausgesprochene Lustspielsituationen, gemischt mit Schwankelementen. Das Erheiternde ergibt sich zumeist aus der Situation, die sich mit jedem x-beliebigen Menschen so herstellen läßt, um den gleichen Effekt zu erzielen; die Komik entspringt nicht den Charakteren, die ihrer Eigenart entsprechend mit dem ganz normalen Alltagsleben zusammenstoßen und dadurch komische Situationen schaffen, das Lachen auf sich oder die Erscheinungen ihrer Umgebung ziehen.

Eine echte Komödiensituation wäre zum Beispiel Traudels erster Einkauf in einem Großstadt-Warenhaus – ich wollte, dieses Warenhaus stände nicht nur in Babelsberg im Atelier! –, wenn ihre Glückseligkeit und Weltfremdheit sich hier wirklich überzeugend aus ihrem Charakter und ihrem bisherigen Leben ergeben würde und nicht in einem so unglücklichen Widerspruch zu ihrer Gerissenheit und Aufgeklärtheit stünde. Diesen Widerspruch, der mir kein psychologisch begründeter, dialektischer zu sein scheint, kann von der jungen, auch kaum angezogen anziehend aussehenden Eva-Maria Hagen nicht überspielt werden; im Gegenteil, da sie nur die vorgegebenen Reaktionen zeichnet – auch überzeichnet – und verständlicherweise noch nicht die Figur charakterisieren kann, werden die Widersprüche der Figur erst recht deutlich.

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