Inhalt
Als Traudel sechs Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter im KZ Ravensbrück. "Vergesst mir meine Traudel nicht" ist der letzte Satz eines Briefes ihrer Mutter. Traudel trägt ihn immer bei sich, während sie bei Pflegeeltern und später im Heim lebt. Mit 17 Jahren bricht sie aus dem Heim aus. Sie läuft einem jungen Mann, dem Lehrer Wolfgang, vors Motorrad und lässt sich von ihm nach Berlin bringen, wo sie angeblich Bekannte hat. Da das nicht stimmt, klammert sie sich an Wolfgang, dem das lästig wird. Dann nimmt sich der Polizist Hannes Wunderlich ihrer an, der mit Wolfgang bei Frau Palotta zur Untermiete wohnt. Aus Liebe zu dem Mädchen macht der Polizist eine krumme Sache: Er verletzt Gesetz und Vorschrift, die für ihn besonders verbindlich sind, als er Traudel einen falschen Personalausweis ausstellt und ihr so zu einem provisorischen Existenznachweis verhilft. Er kommt mit einer kleinen Strafe davon und heiratet Traudel.
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Den auch der frischgebackene Lehrer Wolfgang Auer zu spüren bekommt, dem sie auf ihrer Flucht geradewegs in sein nagelneues Motorrad rennt. Glücklicherweise ist Traudel mit einem aufgeschlagenen Knie glimpflich davongekommen und lässt sich von dem verdatterten, aber sehr gutaussehenden jungen Mann gern verarzten. Und auf dem Soziussitz seiner MZ 250 mit nach Berlin nehmen. Für das in ausweglos erscheinenden Situationen wie dem Erscheinen einer motorisierten Volkspolizei-Streife so erfindungsreiche, in eigener Sache aber sehr wortkarge und, was das Äußere betrifft, erheblich zu leicht bekleidete Mädchen endet die Tour abrupt hinter dem übernächsten Dorf: der gutgläubige Wolfgang ist ihr auf den Leim gegangen und hat ihren angeblichen Stiefeltern ein Kleid Traudels von der Wäscheleine entwendet.
Da er ihr aber auch seine Berliner Adresse aufgeschrieben hat, steht Traudel bald auf der Matte. Besser gesagt auf der Straße vor einem in abendliches Dunkel gehüllten Mehrfamilienhaus, wo Wolfgangs resolute Vermieterin („die Palotta schläft nicht“) verkündet, dass bei ihr Damenbesuche nur bis acht Uhr abends möglich seien. Doch der Freund und Zimmernachbar des gerade abwesenden Lehrers, der Volkspolizist Hannes Wunderlich, hilft Traudel heimlich in Wolfgangs Bude. Nun ist guter Rat teuer: das Mädchen, fast ein Kind noch, weckt ganz automatisch die Beschützerinstinkte des Wachtmeisters, der zudem als gelernter Damenschneider einen Blick für die Klasse der offenbar irgendwo ausgerissenen Streunerin hat. Die freilich viele Selbstverständlichkeiten des Lebens bisher gar nicht kennengelernt hat, angefangen vom Befeuern eines Boilers für heißes Badewasser bis hin zur Wahl eines einfachen und nicht zu teuren Kleides. Wolfgangs hundert Mark gibt sie in einem wahren Kauf(-haus)rausch für ein schickes Abendkleid und entsprechende Schuhe aus, deren Absätze sie gleich am erstbesten Belüftungsschacht-Rost verliert.
Hannes erkennt, dass dieses auf der einen Seite so unwahrscheinlich selbstsicher auftretende, auf der anderen Seite so kindlich-verspielte Mädchen, das in ihrer Naivität die unmöglichsten Dinge anstellt, nicht in falsche Hände geraten darf. Weder in die schmieriger Anmach-Typen (Fred Delmare) noch in die selbstvergessen wie in Trance hottender Tänzer (Manfred Krug) im Cafe „Lila“. Wo Traudel in ihrem Abendkleid die Männer anzieht wie Motten das Licht und von Hannes im letzten Augenblick im wahren Wortsinn herausgehauen werden muss, als der Wirt angesichts einer sich anbahnenden Massenschlägerei die Polizei zu Hilfe ruft. Allerdings auch nicht in die Hände seiner noch tschakobedeckten uniformierten Kollegen: Hannes hat das Fahndungsblatt mit Traudels Daten heimlich verschwinden lassen und ihr einen vorläufigen Ausweis ausgestellt. Was den Tatbestand des Amtsmissbrauchs erfüllt und ihn die Stellung kosten könnte. Aber über die neugierige Palotta hat er von der Existenz eines Papiers erfahren, das aus dem Konzentrationslager Ravensbrück stammt. „Vergeßt mir meine Traudel nicht“ steht am Ende auf dem schon arg zerknitterten Zettel, den das Mädchen stets im Brustbeutel mit sich herumträgt und wie einen Schatz hütet. Und der einen ersten Hinweis auf die Herkunft der Kriegswaise geben könnte.
Durch eine Anzeige der Zimmerwirtin ins Rollen gebracht, die sogar eine Handvoll Zeugen benennen kann, ermittelt der Genosse Volkspolizei-Kommissar die im KZ ermordeten Eltern Traudels, die eigentlich Gertraud Gerber heißt. Sie mussten sterben, weil ihre Liebe in Nazi-Deutschland verboten war. Und nun steht fest, dass das Kind ihrer Liebe, Traudel, 18. Geburtstag feiert und aus der Vormundschaft des Staates entlassen ist. Während Wolfgang Auer mit einem blauen Auge davonkommt, er muss nur das entwendete Kleid aufs Dorf zurückbringen, sind es bei Hannes Wunderlich zwei: das echte Veilchen nach der Schlägerei im Tanzcafe und das einer vergleichsweise milden 14-tägigen Haftstrafe. Die freilich verbunden ist mit dem Ausscheiden aus dem Polizeidienst. Hannes nimmts gelassen – mit einer auch über ihren neuen Personalausweis glücklichen Traudel an seiner Seite...
Wenn es so etwas wie eine antifaschistische Komödie gibt, dann ist „Vergeßt mir meine Traudel nicht“ wohl die schönste aus Defa-Produktion. Die zu den Kinohits der 1950er Jahre in der DDR gehörte und bereits am 17. Januar 1958 im Deutschen Fernsehfunk erstausgestrahlt wurde. Und das nicht nur, weil es dem Nationalpreisträger-Gespann Kuba (Kurt Bartel) und Kurt Maetzig gelungen ist, einen Stoff mit historisch-tragischem Hintergrund wundervoll komödiantisch umzusetzen. Sondern weil sie in der damaligen Schauspielschülerin Eva-Maria Hagen für die Darstellung der kratzbürstigen Traudel eine ideale Besetzung gefunden haben: Die blutjunge Schauspielerin begeisterte das Publikum in ihrem Leinwand-Debüt mit kessen Auftritten, authentischem Jargon und nicht zuletzt mit einer gehörigen Portion Sex-Appeal.
Der bis in kleinste Nebenrollen hochkarätig besetzte Film war bei den SED-Funktionären längst nicht so beliebt wie beim Publikum. Im Mai 1957 war den Kultur- und speziell den Filmschaffenden der DDR vom Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands Revisionismus vorgeworfen worden: ZK-Sekretär Paul Wandel kanzelte die bisherige Produktion des Defa-Studios für Spielfilme als abseitig und abwegig ab. Statt das gesellschaftliche Leben im Hinblick auf den Aufbau des sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates in roten Farben zu zeichnen, komme die auf der Leinwand präsente Jugend vorwiegend aus Erziehungsheimen und Flüchtlingsbaracken. Selbst noch auf der 2. Filmkonferenz im Sommer 1958 geißelte Alexander Abusch, Staatssekretär und 1. Stellvertreter des Ministers für Kultur, „Vergeßt mir meine Traudel nicht“ und andere Defa-Filme des Vorjahres als nicht sozialistisch-aufbauend genug.
Pitt Herrmann