Inhalt
Die beiden Palästinenser Khaled und Said sind dazu bestimmt worden, sich als Selbstmordattentäter in Tel Aviv in die Luft zu sprengen. Nach einer letzten Nacht mit ihren Familien, die den wahren Hintergrund ihrer Mission nicht kennen, werden die Freunde an die israelisch-palästinensische Grenze gebracht. Dann aber passiert etwas Unvorhergesehenes: Die beiden Attentäter verlieren sich aus den Augen. Auf sich allein gestellt muss sich nun jeder von ihnen die Frage stellen, ob er seine Menschen verachtende Mission tatsächlich zu Ende führen will.
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Nun sind sie dazu verpflichtet, den Auftrag auszuführen – wie jeden potentiellen anderen. Für Zweifel und Gefühle bleibt keine Zeit. Die voraussichtlich letzte Nacht ihres Lebens dürfen die beiden noch einmal im Kreise ihrer Familien in der „Westbank“, im Westjordanland, verbringen. Selbstverständlich aber muss ihr Vorhaben streng geheim bleiben, weshalb sie ihren Familien auch nicht die Wahrheit sagen können. So bleibt ihnen ein wirklicher Abschied von ihren Angehörigen verwehrt. Einen Tag und eine Nacht werden die beiden präpariert. Schließlich wird der Sprengstoffgürtel an ihrem Körper angebracht, mit einer Spezialbefestigung, die nur durch das Kommando wieder abgenommen werden kann.
Doch das geplante Vorhaben scheitert schon am palästinensisch-israelischen Grenzzaun durch plötzlich auftauchendes israelisches Militär. Während Khaled sofort wieder durch die Befestigungsanlage zurückklettert, versteckt sich Saïd zunächst auf israelischem Gebiet. Einen Tag lang bleibt er verschwunden. Khaled sucht ihn verzweifelt, denn Saïd hat immer noch den Gürtel um, und das Kommando hat seinen Stützpunkt in einer alten Fabrik inzwischen geräumt.
Schließlich findet Khaled Saïd bei Suha, der Tochter eines Helden der Intifada. Die beiden fühlen sich zueinander hingezogen. Während das Kommando einen zweiten Versuch plant, haben Khaled und Saïd Zeit, über das Vorhaben nachzudenken: Die Überzeugungen der beiden Freunde weichen immer stärker voneinander ab. Saïd, dessen Vater als Kollaborateur hingerichtet wurde, scheint entschlossen, die Schmach, die über der Familie hängt, wieder gut zu machen. Doch Khaled hat Zweifel...
Nach dem Erfolg seines romantischen Dramas „Rana's Wedding“ (2002), mit dem er bereits einen Blick auf den alltäglichen Wahnsinn in der israelischen Hauptstadt Jerusalem, die auch von den Palästinensern als solche beansprucht wird, geworfen hat mit der Schilderung religiöser Heiratszwänge, widmet sich der palästinensische Autor und Regisseur Hany Abu-Assad in seinem vierten Film „Paradise Now“ dem politisch brisanten Thema palästinensischer Selbstmordattentäter. Er ist ebenso wie seine beiden Hauptdarsteller arabischer, also palästinensischer Israeli, besitzt die israelische Staatsbürgerschaft und spricht Hebräisch ebenso perfekt wie Arabisch.
Hany Abu-Assad fühlt sich zwar in Ramallah im Westjordanland zu Hause, lebt aber in Europa, vor allem in Amsterdam. Er wusste, dass sein Film heftige Kontroversen auslösen würde: Kann man die Problematik der Selbstmordanschläge aus dem Blickwinkel der Attentäter zeigen und dabei in Kauf nehmen, dass diese zumindest von einem Teil des Publikums als „Helden“ angesehen werden? Er beleuchtet vor allem die gesellschaftlichen Hintergründe und die persönlichen Motive der Selbstmordattentäter, um das Klischee der rein religiösen Motivation zu brechen.
Nach aufwendigen Recherchearbeiten, Abu-Assad las Befragungsprotokolle von Attentätern, deren Aktionen gescheitert waren, sprach mit deren Familienangehörigen und Freunden, wurde nicht im gefährlicheren Gaza-Streifen gedreht, sondern in der Westbank, in Nablus. Gegen die Vorwürfe einiger Kritiker, „Paradise Now“ entschuldige die barbarischen Verbrechen der Selbstmordattentäter, wehrt sich Regisseur Assad vehement: Sein Film zeige die Palästinenser nicht nur als Opfer, sondern auch und vor allem als Täter. Und die heroischen Vergeltungsreden habe er als hohle Phrasen entlarvt. Was allein folgende Szene verifiziert: Saïd soll, mit Palästinensertuch um den Schultern und auf eine Kalaschnikow gestützt, vor laufender Kamera eine flammende Märtyrerbotschaft halten, deren Text ihm sein Lehrer formuliert hat. Die Szene muss, aus technischen Gründen, dreimal wiederholt werden – und mutiert zur schieren Groteske.
Pitt Herrmann