Biografie
Paul Leni (bürgerlich: Paul Josef Levi) wurde am 8. Juli 1885 in Stuttgart als Sohn des Bankiers Moses Hirsch Levi geboren. Im Anschluss an das Abitur absolvierte er zunächst eine Lehre zum Zeichner in einer Kunstschlosserei. Als um die Jahrhundertwende sein Vater starb, zog der damals etwa 17-Jährige nach Berlin, um sich an der dortigen Akademie der bildenden Künste für ein Studium der Malerei einzuschreiben.
Ab 1908 folgten erste Engagements als Grafiker, Karikaturist, Plakatzeichner und Bühnenbildner. So entwarf er 1910 unter anderem den Titelkopf der ersten deutschen Filmillustrierten "Lichtbild-Bühne" und das Dekor des Lichtspielhauses Wittelsbach, eines der ersten Luxuskinos in Berlin. Etwa zur selben Zeit mehrten sich auch seine bühnenbildnerischen Tätigkeiten beim Theater, vornehmlich bei Berliner Spielstätten unter der Leitung von Rudolf Bernauer und Carl Meinhard.
Der künstlerische Durchbruch gelang ihm jedoch erst mit seinen Plakatarbeiten, die ihn 1913 schließlich direkt zur Filmproduktion führten. Unter der Regie von Joe May entwarf er bei der Continental-Kunstfilm GmbH die Bauten für den Film "Ein Ausgestoßener, 1. Teil" (1913) – mit May arbeitete Leni im Verlauf seiner Karriere noch viele weitere Male zusammen. In den darauffolgenden vier Jahren entstanden außerdem und neben zahlreichen weiteren Arbeiten Filmdekors für den Max-Mack-Film "Der Katzensteg" (1915) und Ernst Lubitschs "Der Blusenkönig" (1917).
Nach Beginn des ersten Weltkriegs wurde Leni zum Militärdienst eingezogen. Sein Regiedebüt "Das Tagebuch des Dr. Hart" (1917) inszenierte er im direkten Auftrag des deutschen Bild- und Filmamts (Bufa). Der zu großen Teilen im deutsch-besetzen Brest-Litowsk gedrehte Propagandafilm sollte die Besetzung des polnischen Weichsellands rechtfertigen und die Leistungen der deutschen Feldärzte hervorheben. Mit folgenden Regiearbeiten wie "Dornröschen" (1917), "Die platonische Ehe" (1919) und "Prinz Kuckuck" (1919) oder dem aufwendigen Historienfilm "Die Verschwörung zu Genua" (1921), bei denen er jeweils auch für die Bauten verantwortlich ist, gelangen ihm dann auch kommerzielle Erfolge.
Trotz seiner eigenen Inszenierungen arbeitete Leni auch weiterhin als Szenenbilder an den Filmen anderer Regisseure, darunter beispielsweise E. A. Duponts "Geier-Wally" und Richard Oswalds "Lady Hamilton". 1920 lernte er bei den Dreharbeiten zu Duponts "Der weiße Pfau" (1920) seine spätere Ehefrau, die Tänzerin und Schauspielerin Lore Sello, kennen. Die verantwortliche Produktionsfirma, Gloria-Film, versuchte gegen den Künstler zwei Jahre später vergeblich eine einstweilige Verfügung durchzusetzen, da dieser sich weigerte, für weitere hauseigene Filme vertraglich vereinbarte Leistungen zu erbringen. Grund für den Streit waren laut Leni die starken künstlerischen Einschränkungen durch die Gloria-Film-Gesellschaft, die ihn dazu zwangen, sich zunächst weiter auf eigene Filmprojekte zu konzentrieren.
Gemeinsam mit Leopold Jessner inszenierte er 1921 den am deutschen Expressionismus orientierten Kammerspielfilm "Hintertreppe" (1921). Das auf Basis einer Drehbuchvorlage von "Caligari"-Autor Carl Mayer entwickelte Szenenbild zählt zu den bedeutendsten Arbeiten des Filmemachers. Der ausbleibende Erfolg seiner 1922 gegründeten Produktionsfirma Paul-Leni-Film GmbH führte ihn ein Jahr später zur Neptun-Film AG, für die er sein bis heute bekanntestes Werk "Das Wachsfigurenkabinett" (1924, Regie und Bauten) realisierte. Wilhelm Dieterle spielt darin einen jungen Dichter, der vom Besitzer eines Wachsfigurenkabinetts engagiert wird, für seine drei außergewöhnlichsten Exponate Hintergrundgeschichten zu erfinden. Als Held seiner eigenen Geschichten trifft der Dichter in den folgenden drei Episoden nacheinander auf Harun al-Raschid (Emil Jannings), Iwan den Schrecklichen (Conrad Veidt) und Jack the Ripper (Werner Krauß). Bei der Gestaltung des starbesetzten Stummfilms nach einem Drehbuch von Henrik Galeen ließ sich Leni erneut stark vom filmischen Expressionismus inspirieren, besonders in der letzten Episode.
Neben seiner filmischen Laufbahn blieb Leni jedoch stets dem Theater treu. Mit dem Filmkomponisten Hans May gründete er 1923 das Kleinkunsttheater "Die Gondel", für das auch Kurt Tucholsky Chansons schrieb. Des Weiteren beschäftigte er sich ab 1925 mit der Produktion einer Rätsel-Kurzfilm-Serie, den "Rebus-Filmen" (1925-1926). In Kooperation mit Filmpionier Guido Seeber realisierte er insgesamt acht Teile. Hervorzuheben ist auch die von Leni auf Bitte des Autors durchgeführte Umschlaggestaltung für das 1926 erschienene, später als Standardwerk geltende Buch "Expressionismus und Film" von Rudolf Kurtz.
Bei einer seiner Deutschlandreisen entdeckte Hollywood-Mogul Carl Laemmle den Filmemacher und nahm ihn sofort für seine Universal Pictures Company unter Vertrag. Gemeinsam mit seiner Frau reiste Leni daraufhin 1926 zum ersten Mal in die Vereinigten Staaten. Sein erster Hollywood-Film, "The Cat and the Canary" ("Spuk im Schloß", 1927), die Adaption einer gleichnamigen Broadway-Komödie von John Willard, wurde ein großer Erfolg.
Leni drehte noch drei weitere Filme in den USA: Auf "The Chinese Parrot" ("Der Chinesenpapagei") folgte "The Man Who Laughs" ("Der Mann der lacht"), der zunächst verhalten aufgenommen wurde, inzwischen aber als Klassiker gilt. Unmittelbar nach Fertigstellung von "The Last Warning" ("Die letzte Warnung") starb Paul Leni am 2. September 1929 in Los Angeles nach kurzer, schwerer Krankheit mit nur 44 Jahren an einer Herzhautentzündung – der Folge einer Blutvergiftung, die er sich bei einem Zahnarztbesuch zugezogen hatte.
Autor: Phil Abendroth
Dieser Text wurde im Rahmen des Masterstudiengangs "Filmkultur - Archivierung, Programmierung, Präsentation" erstellt, der von der Goethe-Universität Frankfurt am Main und dem Deutschen Filminstitut gemeinsam angeboten wird.