Rolf Aurich über Beate Jensen
Ihre leuchtend-blauen Haare beeindruckten damals alle. Als der Film "Mitten ins Herz" 1983 erst auf Festivals, dann in den Kinos für Furore sorgte, galt neben der Regisseurin Doris Dörrie auch die Hauptdarstellerin Beate Jensen als große Entdeckung. Ihre Anna Blume mit dem gefärbten Schopf sorgte für frischen Wind im bundesdeutschen Film.
Ohne Besorgnis geht die soeben gekündigte Supermarktkassiererin Anna auf das Angebot eines älteren Zahnarztes ein, bei ihm zu wohnen und dafür 2000 Mark zu kassieren - sonst keine Verpflichtungen, keine Gefühle. Doch die bleiben nicht aus, beide sind eine Nacht zusammen und am nächsten Morgen schon nicht mehr. Ist Anna schwanger? Josef Bierbichler als Doktor Thal glaubt das. Die Geschichte wendet sich, Anna kalkuliert und verfolgt eine Strategie, die sie bis zum tödlichen Ende durchzieht.
Beate Jensen zu ihrer ersten großen Rolle: "Natürlich bin ich ein Kind der Frauenbewegung. Aber deswegen muss ich doch nicht aufhören, mich weiblicher Mittel zu bedienen, oder?" Und über ihre Nähe zur Filmfigur: "Ich finde schon, dass man über die Leute, über die man etwas erzählt, auch selber etwas wissen muss." Im Jahr darauf, 1984, spielt sie Sara, die in dem italienischen Film "Il lungo inverno" (Lange Wintertage, Regie Ivo Barnabò Micheli) als vermeintlich taubstumme Vagabundin von der Polizei aufgegriffen und einer logopädischen Klinikbehandlung zugeführt wird. Dort begegnet sie einem rebellierenden Autobahnarbeiter, dessen Gehör beschädigt wurde, es entstehen Freundschaft und Liebe zwischen den beiden naiven Außenseitern. Sie brechen aus und verleben den Winter in einem einsamen Zufluchtsort in den Alpen. Sie suchen ihre Identität. Anschließend sagte Beate Jensen zu ihrer Arbeit: "Ich möchte einen neuen Frauentyp darstellen, selbständig und gefühlsbetont. Das heißt, weder "bigger than man" sein zu wollen noch schwach zu sein."
Mit der Rolle der Michèle in "Der Kuss des Tigers", dem Spielfilmdebüt von Petra Haffter, spielte Beate Jensen 1988 ein Au-pair-Mädchen, das alle Facetten einer abenteuerlichen, leidenschaftlichen und lebensgefährlichen Liebesgeschichte mit einem Mann erlebt - eine Rolle, die sie als den "ganz normalen Wahnsinn" beschrieben hat: "Ein Mädchen, das seine Sehnsüchte und Träume real auslebt, selbst dann, als es erkennt, dass es dabei sein Leben aufs Spiel setzt - diese Figur, das war mir beim ersten Lesen des Drehbuchs sofort klar, ist meine Abteilung. Ich bewundere sie - ich selbst bin viel ängstlicher."
Rolf Aurich (Deutsche Kinemathek) in: Monatsprogramm Kino Arsenal, Berlin, Freunde der Deutschen Kinemathek, Oktober 2002.