Razzia

Deutschland (Ost) 1946/1947 Spielfilm

Ein realistischer Zeitfilm

Erstaufführung des DEFA-Films Razzia in der Staatsoper



Tägliche Rundschau, Berlin/Ost, 3.5.1947


Nichts ist gemeiner, als sich skrupellos und kaltherzig an der Not der Mitmenschen zu bereichern. Niemand ist gemeiner als der Schieber, als der Schwarzhändler, der aus dem grauen Elend, das ihn rings umgibt, sein schmutziges Gewerbe nährt. Mag er es beschönigen, wie er will – was er tut, bleibt ein Verbrechen, wie er selber ein Verbrecher bleibt, auch wenn er die Maske des honetten Geschäftsmannes oder des fixen Jungen noch so täuschend zur Schau trägt. Das etwa ist der moralische Hintergrund des DEFA-Films "Razzia", der in der Staatsoper unter dem Beifall des Publikums uraufgeführt wurde. Der "reale" Hintergrund ist das Nachkriegsberlin, dessen Schattenseiten der Regisseur Werner Klingler mit der von Friedl Behn-Grund und Eugen Klagemann geführten Kamera belauscht.

Da sieht man immer wieder das Gewühl des Schwarzen Marktes in der trostlosen Trümmergegend des Reichstages (…). Da sieht man weiter, wo der Gewinn aus dieser Art von Handel sich in Alkohol und Liebe umsetzt; die Luxusbar mit Talmieleganz, mit Pseudokavalieren und mit Pseudokünstlern, zu deren Stammpublikum zu gehören der Wunschtraum der Akteure dieses Lebens ist. (…) und man lernt auch die andere Seite kennen; die Männer, die dem Verbrechen den Kampf angesagt haben und deren Alltag die Sensation ist, die die anderen sonntags im Kino betrachten – die Kriminalpolizisten, deren stille, unermüdliche, aufopfernde Arbeit zum eigentlichen Gegenstand des Films wird.

Vor diesen Hintergründen breitet sich eine kräftig akzentuierte Handlung aus, die von Alkohol- und Medikamentenschmuggel über Liebe, Verlobung und traute Familiengeburtstagsfeier bis zur Geheimtür im Verbrecherkeller und zum brutalen Mord alte Motive zusammenträgt, die herkömmlicherweise zu einem handfesten Kriminalfilm gehören. Moralische und realistische Absicht des Film gehen dabei nicht immer eine restlos glückliche Ehe ein – der ohnehin reichlich papierne Dialog hat eine spürbare Neigung zum Pastoralen, die die Spannung ebenso wie die Darsteller des öfteren empfindlich lähmt.


Vor allem der zahlreich auftretende Nachwuchs hat es schwer, sich dagegen schauspielerisch zu behaupten. Um so bemerkenswerter ist die Leistung, die Walter Groß mit seinem ganz und gar runden, prächtig beobachteten Biedermannsganoven gelang. Mit den präzise hingesetzten Pointen seiner populären Komik war er das versöhnende Exemplar in der Musterschau der Verbrechertypen, die Harry Frank mit kalter Glätte anführte. In größeren Rollen mühten sich Claus Holm, Heinz Welzel, Agathe Poschmann und Nina Konsta – der Werner Eisbrenner ein paar hübsche Lieder geschrieben hatte – mit wechselndem Erfolg. Die sichere Meisterschaft, mit der sich Paul Bildts unaufdringlich-energischer Kriminalkommissar oder – wo ihm seine Texte die Möglichkeit ließen – Hans Leibelts kluger, gütiger Abteilungsleiter gegen sie absetzte, bewies einen Abstand, den die Bemühung der Regie nicht zu überbrücken vermochte.

Mit ihren ersten Filmen hat die DEFA die Ziele abgesteckt und den Maßstab aufgestellt. Nun kommt innerhalb dieser Grenzen die Gebrauchsware in die Fertigung – zeitgemäß und realistisch auch hierin, ist sie nicht ohne Fehler des Rohstoffs und der Herstellung. Man wollte Größeres, als nur einen guten Kriminalfilm drehen. Zwar ist darum auch "Razzia" kein guter Kriminalfilm geworden, aber die Zustimmung, die die Premiere fand, bewies, daß dem Publikum wichtiger als dies die Erkenntnis der erzieherischen Bedeutung des Stoffes war, in dem es viel Bezeichnendes für die gefährliche moralische Situation der Zeit wie in einem Spiegel sah.

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