Verwirrung der Liebe

DDR 1958/1959 Spielfilm

Streit – woher, wohin?

Noch einmal „Verwirrung der Liebe"



Klaus Wischnewski, Deutsche Filmkunst, Berlin/DDR, Nr. 3, 1960


Nahezu jede Veröffentlichung zu Slatan Dudows jüngstem Film beteuert, wie viele Diskussionen der Film ausgelöst habe und wie gut das sei. Schön – aber wir sind ja nicht streitsüchtig. Also muß man nach dem Nutzen fragen. Von welcher Position streiten wir uns, und – wohin streiten wir? Der SONNTAG hat verdienstvollerweise eine Diskussion zum Thema "Komödie" eröffnet. Aber mir scheint, man muß noch allgemeiner beginnen. Warum diskutieren und streiten die Leute über "Verwirrung der Liebe"? Wenn man manchen Kritikern glauben soll, ist der Streit Folge und Beweis der Fehler des Films, seiner Fabel, seiner Gestaltung: "So redet unsere Jugend nicht …."; "Der Schluß ist keine Lösung …"; "Das Thema ist nicht ausgeschöpft …"; "Der Schluß gibt eine falsche Moral …" – so oder ähnlich las man es. Wenn trotzdem der Film positiv beurteilt wurde, so wird man manchmal den Eindruck nicht los, daß dabei viel Respekt vor dem Namen Dudow und nicht immer Verstehen des Films Pate gestanden hat. So werden frühere Filme des Regisseurs ja denn auch wie ein Feigenblatt vor die etwas aus der Art geschlagene "Verwirrung" gehalten. Aber es geht gar nicht um Dudow. Es ginge auch gegen ihn, wenn er nichts Neues, Nützliches, Gutes gegeben hätte. Aber gerade das hat er mit der "Verwirrung der Liebe" getan: Neues, Nützliches, Gutes gegeben – und Schönes. Und der Streit um den Film oder einzelne Details rührt, meine ich, aus den Grundqualitäten des Films her. Über die wäre zu sprechen. Dann sprechen wir über unsere Filmkunst – über das, was sie hat, nicht hat und haben soll.

Erste Qualität: Der Film wird besucht – gut oder sogar sehr gut. Was nützt es, das Argument dagegen zu setzen, daß auch schlechte Filme, spießige Rührarien und dergleichen gut oder gar besser besucht werden? Filme werden für alle gemacht. Kleinbürgerliche Konterbande findet auch in schlechter Qualität noch Freunde. Unsere Inhalte werden nur in guter Qualität abgenommen. Wollen wir uns darüber beklagen? Lügen verpacken sich leichter. Also: der Besuch eines Films bleibt ein Kriterium seiner Qualität. Jede halbleere Vorstellung ist eine verlorene Schlacht – von Finanzen wollen wir hier nicht reden. Über Filme, die man nicht sieht, redet man nicht.

Zweite Qualität: "Verwirrung der Liebe" erfüllt jene Forderung, ohne die es Kunst nie gegeben hat und gibt: er unterhält. Es macht Vergnügen – ich rede nicht vom speziellen Genre der Komödie –, eine interessante Geschichte zwischen interessanten Menschen zu sehen. Damit fängt alle Filmkunst an – und eben da hören so manche unserer Filmstoffe auf. Dudows Film lebt von Charakteren, Menschen, die ein Gesicht, Temperament, eigenen Willen haben, als Teil der Gesellschaft ihr Leben leben, dadurch in Konflikte kommen und so die Handlung auslösen. Seit Anfang 1958 sind etwa 35 DEFA-Filme herausgekommen. Rechnen wir bei jedem mit fünf wichtigen Rollen. Hundertfünfundsiebzig (175) Menschen. Wer blieb im Gedächtnis, über wen sprach man, stritt über sein Verhalten, sein Leben? (Ich rede nicht von den Schauspielern.) Für Sonja und Siegi, für Dieter und Edi interessierte man sich. Man war nicht immer mit ihnen oder ihrem "Erfinder" einverstanden. Aber es blieb nicht gleichgültig, wer wen kriegt und warum. Viele wünschten, Sonja sollte Edi heiraten. Warum? Weil sie die reifsten, vielleicht liebenswerteren Menschen waren, weil man fand, sie gehören zusammen. (Hier liegt ohne Zweifel ein Mangel in der Gestaltung der vier Charaktere, ein Mangel auch in der Darstellung der Liebe zwischen Sonja und Dieter vor der Verwirrung.) (…)

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