Der Dritte

DDR 1971/1972 Spielfilm

Von großer Dimension. "Der Dritte"



Margit Voss, Filmspiegel, Berlin/DDR, Nr. 6, 1972

"Man muß den Mut haben, das zu sagen, was notwendig ist." Johannes R. Bechers Forderung, auf den sozialistischen Künstler und sein Werk gemünzt. findet glänzende Bestätigung in diesem Film, der, aus der Gegenwart gewachsen, für die Zukunft Bedeutung hat. Am Beginn der Entwicklung des Stoffs stand die Lebensgeschichte einer Frau. Sie war zugleich alltäglich und ungewöhnlich – Ausdruck unserer neuen -und zugleich in sich widersprüchlichen Zeit. Als Eberhard Panitz diese Geschichte zu einer Reportage formte, enthielt sie viel Bitternis und Größe, spiegelte jedoch vorerst nur ein Einzelschicksal. Es bedurfte eines Meisters der Poesie, der künstlerischen Überhöhung wie Günther Rücker, um jenes Moment herauszufinden, das ein Problem darstellt, dessen Lösbarkeit noch nicht jedem bewußt geworden ist. Emanzipation der Frau – Bestandteil der Verwirklichung des Menschen im Sozialismus überhaupt – wird vorwiegend bezogen auf gesellschaftliche Bereiche. Man bemüht sich – auch durch Gesetze – um den sogenannten "privaten Bereich". Ausgespart aber bleibt jene Sphäre, die heute noch durch jahrhundertealte Moralbegriffe geprägt wird. Die Vorstellungen von der Rolle der Frau in dem Bereich der Liebe. Indem Rücker in seinem Szenarium diese Frage aufwarf, bewies er den Mut des sozialistischen Künstlers.

Ihm ist zu danken, daß diese Geschichte von Gisela Ufer die im Film eine Geschichte der Margit Fließer ist, bei aller detailreichen und genauen Ansiedlung in der Entwicklung der DDR, zu einer Geschichte wird, die die sozialistische Entwicklung allgemein bemüht. So werden Grenzen übersprungen, wird Weite gefunden und Tiefe zugleich. Genereller Vorzug des Szenariums ist die Erfindung jener zweiten Figur – Lucie –, die die Hauptgestalt ergänzt. Allerdings scheint sie den Preis eines nicht ganz bewältigten dramaturgischen Bogens zu fordern, der durch Rückblenden – ein fünfzehnjähriges Leben resümierend – ohnehin schon belastet ist.

Es sind auch die Schwierigkeiten gemeint, wenn es darum geht, die Gegenwart künstlerisch zu erfassen An dieser Stelle spätestens muß von Egon Günther die Rede sein. An ihm und seinen Filmen läßt sich nachweisen, daß jene in die Diskussion um den "Dritten" hineingeworfene Phrase vom Neubeginn in der DEFA-Geschichte, von einer Zäsur, die durch diesen Film gesetzt wurde, der Wahrheit entbehrt. Ist nicht vielmehr- manches in Ansätzen bereits in "Lots Weib" erkennbar? Sind Vorarbeiten – beispielsweise in der Persönlichkeits- und Schauspielerentwicklung der Jutta Hoffmann – nicht auch geleistet worden durch "Junge Frau von 1914"? Sind sowohl inhaltliche als auch handwerkliche Aspekte die Fülle nicht bereits nachzuweisen in "Anlauf"? Sollte also nicht viel mehr von Kontinuität und Entwicklung im Schaffen Günthers die Rede sein? Zunächst: Günther ist selbst Schriftsteller. Aber er weiß klug Fähigkeiten anderer zu nutzen, kollektiv zu arbeiten, den Autor Günther ganz den Erfordernissen des Regisseurs Günther unterzuordnen. Mit untrüglichem "Instinkt" probiert er sich und seine Möglichkeiten immer wieder aus, wagt, wagt nochmals und gewinnt. Er ist ein Verfechter der Wahrheit. Er sucht sie künstlerisch sichtbar zu machen.

Die Hauptfiguren des Films werden sozial eingeordnet. Sie werden an ihrem Arbeitsplatz vorgestellt. Der Regisseur befragt die Beteiligten – Laien – dazu die Schauspieler im Bild nach Arbeitsmerkmalen, Entlohnung. Die Einbeziehung von wahrheitsfordernder Wirklichkeit pflanzt sich in anderen Szenen fort. (…)

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