Die Forderung nach Erhaltung des Kopierwerks in Hoppegarten, ein Plädoyer für Programmgestaltungsfreiheit und scharfe Verurteilung rechtsradikaler Übergriffe sowie die Forderung nach angemessener Bezahlung und Honorierung der aufwendigen Programmarbeit - der 14. Bundeskongress der Kommunalen Kinos in Hannover geht mit klaren Positionen und Forderungen zu Ende.
Unter dem Motto "Kino heute. Cinema & Beyond" beleuchtete der 14. Bundeskongress der Kommunalen Kinos am vergangenen Wochenende in Hannover die Rolle und die aktuellen Herausforderungen kommunaler und nichtkommerzieller Kinoarbeit. 23 Referent*innen berichteten in Vorträgen und Panels aus ihrem Fachgebiet und eröffneten neue Perspektiven auf und für die kommunale Filmarbeit.
Mehr als 100 Fachbesucher*innen sowie ein interessiertes Kinopublikum nahmen am 14. Bundeskongress der Kommunalen Kinos vom 7. bis 9. Dezember in Hannover teil, der am Sonntagnachmittag zu Ende ging.
Hannovers Kulturdezernentin Konstanze Beckedorf verwies in ihrem Grußwort bei der Eröffnung auf die generelle Relevanz der kommunalen und nichtkommerziellen Kinoszene und betonte zudem: "Besonders im Hinblick auf Hannovers Bewerbung als Kulturhauptstadt 2025 spielt die kulturelle Kinolandschaft unserer Stadt eine wichtige Rolle."
Diese Relevanz sollte für alle Mitglieder des Verbandes deutschlandweit betont werden. Von der Politik erwarte sie daher entsprechende Unterstützung und eine angemessene Kulturförderung, sagte die Medienpolitische Sprecherin des Bundesverbandes kommunale Filmarbeit, Borjana Gaković: „Es kann nicht sein, dass man die Verantwortung für die Sichtbarmachung von Filmkulturerbe auf den Schultern einiger weniger, oft ehrenamtlich arbeitender und politisch engagierter Individuen belässt. Unsere Arbeit soll angemessen bezahlt und honoriert werden!“
Begleitet von einem öffentlichen Filmprogramm, welches im Kommunalen Kino im Künstlerhaus sowie im Kino im Sprengel die historisch gewachsene Vielfalt unterschiedlicher Materialien vom Super8-Film über 16mm und neue digitale Formate bis hin zum elektronisch-musikalisch begleiteten Stummfilm präsentierte, diskutierten die Teilnehmer*innen in diversen Foren über die Bewahrung des Filmerbes und seine Sichtbarmachung, die Strategien zur Erhaltung schwindender Kinoberufe oder die Synergien mit digitalen oder Kunsträumen. Ralf Knobloch-Ziegan, Leiter des Kommunalen Kinos Hannover, beschrieb das beispielhafte Projekt LIVE SCORE, bei dem eine ganze Nacht lang Filme der Stummfilm-Ära auf die live eingespielten Soundscapes junger Künstler*innen, Musiker*innen und DJ(ane)s aus Hannover trafen und ganz neue Wahrnehmungssituationen schufen. "Das war eine sehr erfolgreiche Veranstaltung. Die nächste lange Kinonacht ist bereits für März 2019 in Planung." DJ Kollektiv Taler sowie DJane Luyu Zou beigleiteten beim Kongress das Stummfilmprogramm.
Derartige Konzepte fanden sich u.a. im Panel zu Synergien mit anderen digitalen Räumen wieder. So eröffnete der Dokumentarfilmer und VR/AR-Entwickler Cyril Tuschi neue Perspektiven auf die digitale Formate wie VR/AR (Virtual Reality/ Augmented Reality), ausdrücklich aber als eine Ergänzung des bestehenden Kinoangebots und nicht als dessen Ersatz. Insbesondere für die Vermittlungsarbeit und Bildungsangebote der Kinos könnten diese digitalen Formen von Nutzen sein.
Ein besonderer Fokus in den Debatten lag am vergangenen Wochenende zudem auf der Verfügbarkeit von Filmen und der Sicherung des Filmerbes. Diskutiert wurden Aspekte adäquater Aufführungspraktiken und angemessener Kontextualisierung der Filmprogramme. Es wurden darüber hinaus Modelle vorgestellt, die eine größere Vielfalt von Kinoräumen verhandelten – wie etwa von Dr. Lars Henrik Gass. Der Leiter der Oberhausener Kurzfilmtage entwickelte für eine geregelte Kinomusealisierung die Vorstellung architektonisch innovativer, nachhaltiger und preiswerter Kinoräume als Gegenmodell zu teuren Kulturbauten wie etwa der Hamburger Elbphilharmonie.
Besondere Beachtung fand außerdem der Vortrag von Dr. Dirk Alt. Er verwies auf die drohende Schließung des letzten, vom Bundesarchiv Filmarchiv betriebenen analogen Filmkopierwerks in Deutschland am Standort Dahlwitz-Hoppegarten. Die Fachbesucher*innen des Kongresses unterstützten geschlossen die Petition des Vereins Cinegraph Babelsberg gegen diese Schließung und forderten ausdrücklich die Erhaltung des Kopierwerks. Sie kritisierten die Fokussierung auf die Digitalisierung als einzige Strategie der Bewahrung von weiten Teilen des Filmerbes. Dies führe zu einer Verengung des Angebots, nicht nur im Sinne der Verfügbarkeit von marginalisierten Filmen der Filmgeschichte, sondern auch in dem eines ästhetischen Eingriffs – nicht zuletzt sei die Formatwahl eine wesentliche, künstlerische Entscheidung, die sowohl politisch als auch ästhetisch ein integraler Bestandteil des Films als Kunstwerk sowie als Zeitdokument sein kann.
Im Mittelpunkt des Referats der Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Annette Brauerhoch von der Universität Paderborn standen die dort von ihr und ihren Studierenden angelegten Experimental-, Amateur- und Familienfilmsammlungen. In den Jahren 2004 bis 2014 wurde hier kontinuierlich am Aufbau eines kleinen, sehr speziellen Archivs mit Avantgarde- und Experimentalfilmen von Filmemacherinnen gearbeitet. Ebenfalls dort ansässig ist das Archiv für den Amateur- und Familienfilm. Rund 300 von Amateurfilmer*innen zur Verfügung gestellte Super8-Filme aus Paderborn und Umgebung bewahren hier die regionale Filmgeschichte als Mentalitätsgeschichte.
Bei der Abschlussdiskussion am Sonntag rückte noch einmal die Bedrohung durch Rechtsradikale gegen das Kieler Kino in der Pumpe in den Mittelpunkt. Weil das Kino den Dokumentarfilm "Wildes Herz" im Programm hatte, gab es kürzlich sogar eine Bombendrohung. Der Bundeskongress stellte sich geschlossen hinter das Kieler Kino, verurteilte jegliche menschenverachtende, rechtsradikale Idee und solidarisierte sich mit allen, die für Freiheit und Demokratie einstehen – insbesondere in Bezug auf die Auswahl und Präsentation der Filmprogramme als Kulturgut.
Der nächste Bundeskongress der Kommunalen Kinos ist für Dezember 2019 geplant, dann voraussichtlich in Heidelberg und Mannheim.
Quelle: www.kommunale-kinos.de