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Deutschland, 1989. Die Mauer fällt, Deutschland befindet sich im Freudentaumel, ganz Berlin ist eine einzige Party. Der DDR-Bürger Veit will die neu gewonnene Freiheit nutzen, um sich einen Traum zu erfüllen: nach San Francisco reisen, zum westlichsten Punkt der Welt. Dieses Abenteuer möchte sein bester Freund Tom sich nicht entgehen lassen und beschließt, ihn zu begleiten. In Wahrheit aber ist es ein anderer Grund, der Veit nach Amerika treibt. Er will seinen Vater finden, der in die USA ausgewandert ist, als Veit noch ein Kind war. Ein Bündel Geburtstagspostkarten aus San Francisco sind der einzige Hinweis auf seinen Aufenthaltsort. Dummerweise reicht das Geld der Freunde nur bis New York. Ohne Geld, ohne Kontakte und mit einem einzigen englischen Wort, "Friendship", im Sprachschatz, versuchen Veit und Tom, ihr Ziel doch noch zu erreichen.
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Weil Veit ohne Vater aufwachsen muss, ist er häufiger bei Tom zu Gast, wo er den Familienanschluss genießt, zumal dort ganz offen Westradio gehört wird. Ihre gemeinsame große Liebe gehört dem Film und so sind beide ständig mit der Super-8-Kamera unterwegs, um Szenen aus dem DDR-Alltag zu drehen, aber auch nur aus dem Westfernsehen bekannte Monsterfilme nachzustellen.
Als die Mauer fällt und ihnen plötzlich die ganze Welt offensteht, sind beide 23 Jahre jung und Veit weiß genau, was er als erstes machen wird: Nach San Francisco fliegen und die Golden Gate Bridge zu Fuß überqueren. Tom ist von der Aussicht, den „westlichsten Punkt der Welt“ persönlich in Augenschein zu nehmen, weniger begeistert, macht aber aus Freundschaft mit. Freilich bringt das bundesdeutsche Begrüßungsgeld die beiden nur bis New York, reicht aber für große Kinderaugen, die aus dem Staunen über Big Apple gar nicht mehr herauskommen.
Mit 55 Dollar und ihren DDR-Filmen in der Tasche trampen die naiven, aber sympathischen Jungs gen Frisco und erleben das Land der unbegrenzten Möglichkeiten aus vielerlei Perspektiven („I’m from GDR, no Aids“), nachdem Veit mit der ganzen Wahrheit herausgerückt ist: Er will seinen Vater wiedersehen, der ihm seit seinem zwölften Lebensjahr stets zum Geburtstag eine Postkarte aus San Francisco geschickt hat.
Auf ihrer Fahrt kommt es zu den abenteuerlichsten Begegnungen der „Greatest Underground Filmmakers from East-Germany“ – mit dem durchgeknallten Comiczeichner Darryl, den nicht weniger verrückten Western-Girls Amber und Dorothy, mit generösen Fast Food-Kellnerinnen und hilfsbereiten Motorrad-Rockern. Welche den beiden Milchgesichtern sogar einen alten Trans Am überlassen zur Überführung von Oklahoma nach San Francisco!
Dem Hochgefühl des Genusses einer ganz speziellen Apfelsorte folgt eine glatte Bruchlandung – erst im erfrischenden Nass eines Sees, dann in der ernüchternden Zelle der Polizei von Silver City. Und die Autoreparatur kostet 600 Dollar! Die Rettung kommt in Person einer attraktiven Blondine, die auch noch Deutsch spricht: Zoey lädt die Jungs in ihr gastfreundliches Elternhaus ein und rührt die Werbetrommel für eine Vorführung der wohl nicht nur hier in New Mexico sehr exotischen Super-8-Bilder aus einem untergegangenen Paradies anno 1989. Selbst der Bürgermeister ist begeistert und als er beim Empfang im Rathaus auch noch ein Stückchen echte Berliner Mauer in den Händen halten kann, brechen alle Dämme. Ost-Nostalgie gepaart mit amerikanisch-kapitalistischem Geschäftssinn - diese Mischung ist unschlagbar.
Obwohl: Zwei Jungs und ein Mädchen, das kann auf Dauer nicht gut gehen. Und dann klagt Tom auch noch über Zahnschmerzen. Der Straßenkreuzer ist repariert, die Rechnung beglichen, kein Geld mehr übrig. Das toughe US-Girl, dass sich den beiden kurzerhand angeschlossen hat, weiß Rat – und schließt einen Deal in einer Schwulenbar in Las Vegas ab...
„Friendship“, soviel darf verraten werden, macht seinem Titel alle Ehre und zum guten Schluss fährt tatsächlich ein Trabi über die Golden Gate Bridge. Das Duo Oliver Ziegenbalg und Markus Goller hat auf sehr ironisch-witzige Weise einen Spagat geschafft: Zum einen wird die DDR im Rückblick der beiden jungen Ossis weder nostalgisch verklärt noch in Grund und Boden geprügelt, sondern sehr (selbst-) ironisch geschildert, wobei auch anrührende Momente nicht fehlen. Zum anderen besteht die grenzenlose Freiheit Amerikas zumeist aus enormer Geschäftstüchtigkeit gepaart mit einem schon grotesken Antisozialismus, ja einer Kommunismus-Phobie, die übrigens schon bei der Einreise auf dem New Yorker Flughafen beginnt.
Das Protagonisten-Duo, Friedrich Mücke erhielt als „Bester Nebendarsteller“ den Bayerischen Filmpreis 2010, sorgt für situationskomische szenische Petitessen am laufenden Band und dem Schweizer Kameramann Ueli Steiger gelingen wundervolle Sehnsuchts-Bilder aus einem Land, das einen ganzen Kontinent füllt: Das ergibt zusammengenommen ein episodisch erzähltes, beinahe klassisches Road-Movie mit entsprechender Musik u.a. von Silbermond, Phoenix, AMP und Manfred Mann. Man spürt in jeder der insgesamt 108 Minuten, dass sich hier alle am Set einen (Kindheits-) Traum erfüllt haben und entsprechend motiviert gewesen sind.
Daß „Friendship“ dazu noch auf einer kaum glaublichen, aber wahren Geschichte beruht, ist nur das Tüpfelchen auf dem „i“: Der Erfolgsproduzent Tom Zickler („Knockin’ on Heaven’s Door“, „Barfuß“, „Keinohrhasen“) kehrte als 24-Jähriger 1989 und damit noch vor dem Fall der Mauer zusammen mit seinem besten Freund Veit Jagoda der DDR den Rücken und flog mit nur 55 Dollar und alten Super-8-Projektoren im Gepäck über den Großen Teich, um sich von New York aus bis nach Frisco durchzukämpfen. Als Tom Zickler wieder nach Europa zurückkehrte, war der Eiserne Vorhang gefallen.
Pitt Herrmann