Christian Wahnschaffe. 2. Die Flucht aus dem goldenen Kerker
Christian Wahnschaffe, 2. Teil
p.m., Film-Kurier, Nr. 75, 31.3.1921
(...) Die Darstellung des Films war außergewöhnlich. Veidt als Wahnschaffe ist während der drei ersten Akte stellenweise hinreißend, später aber etwas zu gerne Christus, etwas zu sicher dieser künstlich gefahrvollen Nuance, die, wenn sie natürlich scheinen soll, immer heiligster Unsicherheit voll sein müßte. Ester Hagan als Karen Engelschall hat leider eine zu kleine Rolle für das Bedürfnis des Zuschauers, ihre wundervollen, alles Leid eines gebrechlichen Wesens ausdrückenden Augen zu sehen. Man denkt merkwürdigerweise: Vielleicht ist der Film schlecht geschnitten! Werner Krauß ist ganz außerordentlich. In jeder kleinsten Geste ein Meister, und mit seiner dankbaren Rolle das Stärkste, Beste in diesem Film. Margarete Kupfer, Karens Mutter, das kupplerischste aller kupplerischen Weiber. Ruth Hofmann wurde durch Rose Müller mit Anmut und vielen Feinheiten gegeben. Fritz Feld ist in der Rolle des Idioten überzeugend gut, ebenso alle anderen Darsteller.
Die Regie Urban Gads beherrscht die ganze Darstellung souverän. Die Waffenszenen sind, was man bei Waffenszenen selten sagen kann, erlebt. Etwas zuviel Kleinarbeit wird jetzt bei großen Filmen geleistet, sowie ein Überfluß an Großaufnahmen. Doch hatte man von der Regieleistung doch den Eindruck von etwas Starkem, Bewussten, der gemachten Einschränkungen unbeschadet. An dem imposanten Gesamteindruck haben Robert Dietrich durch seine immer stilgerechte und geschmackvolle Ausstattung und Willy Hameister durch eine reinliche, gut getönte Photographie ein zu würdigendes Verdienst.
Das Philharmonische Orchester gab unter der Leitung Alexander Schirmanns eine dem Film wirkungsvoll bereichernde Interpretation.