Inhalt
Basierend auf dem überaus populären bayerischen Volksmärchen erzählt der Film die Geschichte des verwitweten Büchsenmachers Brandner Kaspar, der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Bergen am Schliersee lebt. Seinen spärlichen Lebensunterhalt bessert Kaspar durch Wilderei auf – ein riskantes Geschäft, bei dem ihn der junge Toni unterstützt, der in Kaspars hübsche Enkelin Nannerl verliebt ist.
Kurz vor seinem 70. Geburtstag bekommt Kaspar unerwarteten Besuch: Der Tod taucht bei ihm auf, um ihn mit in sein Reich zu nehmen. Kaspar aber will noch nicht sterben – und greift zu einem gewitzten Trick: Er macht den Tod betrunken und fordert ihn zu einem Kartenspiel um sein Leben heraus. Bei dem Spiel betrügt Kaspar den Tod und gewinnt so 20 weitere Lebensjahre. Allerdings muss er schon bald feststellen, dass seine Schummelei dramatische Folgen hat. Als seine geliebte Enkelin bei einem Unfall stirbt, macht ihm der Tod ein Angebot.
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Der idyllische Schliersee ist im 19. Jahrhundert ein begehrtes Urlaubsziel auch für den preußischen Adel. So ist der Brandenburger Karl Wilhelm von Zieten immer gern bei Prinz Carl von Bayern (Peter Mitterrutzner) zu Gast, zumal ihm dessen Hofjäger kapitale Rothirsche vor die Büchse treibt. Damit der Preuße auch das Geweih des von ihm erlegten Vielenders stolz seiner Sammlung daheim zufügen kann, engagiert Prinz Carl mit Kaspar stets den sichersten Schützen im Land. Was Alois Kugler jedesmal auf die Palme bringt. Als Kaspar ein Streifschuss des Hofjägers trifft, kümmert sich der Leibarzt des Prinzen (Rainer Weissenbacher) persönlich um den notorischen Wilderer und lässt ihn in der fürstlichen Kutsche nach Hause chauffieren.
Noch geschwächt von der Verletzung sieht ich Kaspar in seiner Stube plötzlich einer bleichen, schwarz gewandeten Gestalt gegenüber: Der Sensenmann, auf bairisch: Boandlkramer, will den Kaspar holen - begleitet von Blitz und Donner sowie seinem Pferd Aloysius. Das muss draußen noch eine Weile mit den Hufen scharren, denn Kaspar denkt nicht daran, dem grantigen Schnitter mit dem gelben Zähnen ins Reich der Toten zu folgen. Der kerngesunde 69-Jährige will 90 Jahre alt werden wie sein Großvater – und schindet bei reichlich Kirschgeist bei einem Spiel mit gezinkten Karten weitere 21 Lebensjahre heraus. Was Petrus (Jörg Hube) an der Spitze der strengen Himmels-Bürokratie die Zornesröte auf die umwölkte Stirn treibt.
Mit Sophie (Elisabeth Trissenaar) und ihrer Tochter Vroni (Lilian Naumann) kommt Verwandtschaft zu Besuch, die Kaspar freilich bald wieder loswerden möchte. Hat er doch erkannt, dass sich Sophie bei ihm nur ins gemachte Nest setzen möchte. An Kaspars im Dorf groß gefeiertem 70. Geburtstag gibt er die Verlobung von Toni und Nannerl bekannt, während sich die enttäuschte Resl mit Kreitmeier (Hans Schuler) begnügen muss. Das – trickreich verlängerte – Leben könnte für Kaspar so schön sein, da stirbt Nannerl bei einem Jagdunfall, bei dem einmal mehr Fonse seine von Eifersucht geführte Hand im Spiel hat.
Nun wittert der Tod seine Chance, sich bei Erzengel Michael und den anderen Himmlischen zu rehabilitieren: Er gewährt Kaspar probehalber einen Blick ins weiß-blaue Himmels-Paradies. Dort sieht er nicht seine im Alter von 27 Jahren im Kindbett gestorbene Gattin Traudl (Kroetz-„Ex“ Marie Theres Kroetz-Relin) wieder, sondern auch seine Tochter (Franz Xavers leibliche Tochter Josephine Kroetz). Da auch Enkelin Nannerl auf Wolke 7 gelandet ist, überdenkt Kaspar sein irdisches Dasein. Weil der Schlawiner aufgrund seines langen Sündenregisters viele Jahre Fegefeuer befürchten muss, nimmt er die unverhoffte Begnadigung durch Petrus an und beschließt, im bayerischen Himmel zu bleiben: Schließlich gibt’s dort immer Weißwürste, aber keine Preißn…
Franz von Kobells 1871 in altbayerischer Mundart in den „Fliegenden Blättern“ veröffentlichte, tragikomische „G'schicht' vom Brandner Kaspar“ besitzt seit ihrer Theateradaption 1934 von Joseph Maria Lutz nicht nur auf bayerischen Bühnen ein ewiges Leben. Der querköpfige Held, listig gegen irdische und himmlische Obrigkeiten kämpfend, wurde zum Mythos und Inbegriff bajuwarischer Mentalität. Klaus Richters Drehbuch fußt auf dem Stück „Der Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben“ von Kurt Wilhelm, Kobells Ururgroßneffe, aus dem Jahr 1975.
Bereits 1949 wurde die zeitlose Parabel mit Paul Hörbiger als Tod verfilmt. Regisseur Joseph Vilsmaier hat die Hauptrollen seiner hundertminütigen weiß-blauen Alpen-Comedy mit prominenten Charakterköpfen besetzt, allen voran mit dem „Kir Royal“-Star Franz Xaver Kroetz: der auch als Dramatiker erfolgreiche Schauspieler verkörpert einen eher gemütlichen Dickschädel denn gefürchteten Wilderer, dessen anarchische Ader ihn zum Verfemten bei der Obrigkeit (mit Ausnahme des ihm gewogenen Prinz Carl) und gleichzeitig zum Volkshelden macht. Comedian Michael „Bully“ Herbig nimmt dem Tod seinen Schrecken, indem er dem Boandlkramer schwermütig-menschliche Züge verleiht. 2008 wurden beide beim Bayerischen Filmpreis mit dem Sonderpreis der Jury ausgezeichnet und für Letzteren gabs im gleichen Jahr einen „Bambi“ der Burda-Medien. Der Nachfolgefilm „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“, nach dessen Fertigstellung Joseph Vilsmaier am 11. Februar 2020 im Alter von 81 Jahren in München starb, kommt pandemiebedingt wohl erst Ende 2020 in die Kinos.
Pitt Herrmann