Hans Trutz im Schlaraffenland
Hans Trutz im Schlaraffenland
Lichtbild-Bühne, Nr. 47, 24.11.1917
Der neue Wegener-Film, der an der Hand von Versen im Hans-Sachs-Ton ins Schlaraffenland führte, erreicht an Vielgestaltigkeit, Poesie und Belebtheit der Handlung freilich nicht seinen "Rübezahl", aber sie bringt doch ein sehr sehenswertes und künstlerisch harmonisches Bildermärchen, das die Möglichkeiten des Filmtricks wieder mit großem Geschick in den Dienst der Sagengewalten stellt. Die Handlung ist schlicht und starklinig: Der arme Bauer Hans Trutz, unzufrieden mit seinem engen und mühsamen Dasein, läßt sich vom Teufel um den Preis seiner Seele ins Schlaraffenland verlocken. Aber nicht lange gefällt es ihm beim Schwelgen und Nichtstun, und als er sich zum Entsetzen der Schlaraffen im Lande der Müdigkeit zur Arbeit entschließt, ist er dem Teufel schon halb entglitten, so daß ihn Weibes- und Kindesliebe leicht aus der Gewalt des Bösen befreien. Aus diesen einfachen Geschehnissen hat Wegener vier lange, an einigen Stellen sogar fast zu lange Akte gemacht, die er mit reizenden Bildern und vielen eigenartigen und technisch neuen Filmwirkungen abgefüllt hat. Die Darstellung ist – wie die Fassung der begleitenden Zweizeiler – auf den Stil der Hans-Sachs-Spiele eingestellt. Wegener gibt den Trutz in wirkungsvoller, wenn auch nicht sehr deutlicher Maske; er besitzt ganz die geraden, starken Gebärden und Mienen für solche an Holzschnittkunst anknüpfende Darstellung. Auch die innige, bescheidene Bäuerin der Lyda Salmonowa fügt sich glücklich in diesen Stil. Eine der bemerkenswertesten Leistungen ist der Satan Lubitschs, der mit Schwanz und Pferdefuß und geradezu teuflischen Grimassen und Sprüngen einen prächtig zwischen Komik und Grauen die Mitte haltenden Hollenfürsten abgibt; wie er mit seinen merkwürdigen Fledermausflügeln über die Wiesen schwebt, das ist dem Spielleiter Wegener besonders gut gelungen. Auch sonst ist das Bildhafte und Phantastische überall glücklich getroffen; für "Bildstellung" nennt der Zettel die Mitwirkung von Rochus Gliese. Die Schlaraffenszenen, in denen besonders der schmausende und schlafende Dickbauch Diegelmanns auffiel – er ist höchst drollig, so daß ihn der Zettel ruhig nennen dürfte – enthalten sehr viel hübsches. In der Sondervorstellung des Unionpalastes am Sonntag für das Kriegsblindenheim in der Bellevuestraße, durch das vorher ein sehenswerter Film vorgeführt wurde, leitete Wegener die Vorführung selbst ein. Er betonte dabei erneut seinen Wunsch, dem Unterhaltungsfilm zu künstlerischen und sogar – ohne Aufdringlichkeit – zu ethisch-erziehlichen Werten zu verhelfen. Bei seinem neuen Film ist ihm das auch zweifellos gelungen.