Im Babylon stehen vom 18. bis 27. Juli "Begierde und Schrecken" im Zentrum der fünften Edition des einzigen Stummfilm Orgel Festivals in Deutschland.
In den zehn Festivaltagen mit 21 Filmen aus den Jahren 1918 bis 1929 geht es um gesellschaftliche Tabubrüche mit Themen wie Erotik, Verführung, Homosexualität, Inzest, Prostitution, Rebellion, Lebensgier, Gewaltexzess und Mord.
Konkrete Auslöser dafür waren die mit dem Ende des Ersten Weltkriegs verbundenen, sozialen und seelischen Folgen. Die Filme spiegeln aber auch allgemeingültige, bis heute erkennbare Auswirkungen eines Krieges wider.
An der Philipps Kinoorgel interpretiert die Babylon Organistin Anna Vavilkina die ausgewählten Stimmungsbilder neu und live. Seit Januar 2014 ist sie fest im Babylon engagiert. Mit ihrem Gefühl für das Spezifische der Kinoorgel gelingt es ihr, das breite Klang- und Tonvolumen der Babylon Kinoorgel originell und adäquat einzusetzen. Während des Festivals erhält Vavilkina Unterstützung von dem Wiener Komponisten und Organisten Florian C. Reithner. Das Babylon trägt mit diesem ersten reinen Orgel Stummfilm Festival der Besonderheit Rechnung, dass es über die einzige Kinoorgel Deutschlands am originalen Standort verfügt.
Zu den Stars dieses Festivals gehört der Berliner Schauspieler Conrad Veidt (1893-1943). Als Ikone der Nachkriegszeit und des expressionistischen Stummfilms spielte er bevorzugt dämonische Rollen, gefährdete Menschen und Drogensüchtige. Sein Somnambuler in "Das Cabinet des Dr. Caligari" ging in die Filmgeschichte ein und ist während des Festivals in drei musikalischen Interpretationen zu erleben. Viele Kinozuschauer kennen Conrad Veidt als Major Strasser aus dem Tonfilm-Klassiker "Casablanca".
Zur Festivaleröffnung ist Veidt zudem in "Lucrezia Borgia" als skrupelloser Cesare Borgia in inzestuöser Liebe zu seiner Schwester zu sehen. Dies ist ein besonderes Highlight, denn die vom Bundesarchiv-Filmarchiv aufwändig restaurierte Ur-Fassung ist mit wiederhergestellten farbigen Viragen in (neuer) originaler Länge als deutsche Erstaufführung zu sehen.
Einen Berliner Bezug haben auch die drei charismatischen Schauspielerinnen Louise Brooks (1906-1985), Anita Berber (1899-1928) und Ossi Oswalda (1897-1947):
Die US-Amerikanerin Brooks war mit ihrem charakteristischen Pagenschnitt ein It-Girl der Goldenen Zwanziger Jahre. Ihre berühmtesten Filme drehte sie interessanterweise in Berlin: "Die Büchse der Pandora" und "Tagebuch einer Verlorenen", die beide nicht nur mit ihrer Andeutung der lesbischen Liebe die Zensurbehörde auf den Plan rief.
Die Urberlinerin Ossi Oswalda war als Typus der modernen, selbstbewussten Großstadt-Göre ein früher Star des deutschen Films. Zu sehen ist sie u.a. in der Komödie "Eine tolle Nacht" über die Jagd nach erotischen Abenteuern in der Großstadt.
Die bisexuelle und drogensüchtige Nackttänzerin Anita Berber, heute an ihrem früheren Wohnort in Berlin-Wilmersdorf mit einer Gedenktafel geehrt, galt als Femme fatal und frühe Ikone in der homosexuellen Szene. Für den Film entdeckte sie Regisseur Richard Oswald (1880-1963). Der Wahlberliner mit Wiener Wurzeln und eigenem Kino an der Charlottenburger Kantstraße drehte große Publikumserfolge, bediente dabei ohne Skrupel vor dem Tabubruch den Massengeschmack, darunter "Dida Ibsens Geschichte" mit Conrad Veidt und Anita Berber über eine sadomasochistische Beziehung oder "Feme" über einen terroristischen Mordanschlag auf einen Politiker.
Weitere Infos gibt es hier.
Quelle: www.babylonberlin.de