Melodie der Welt

Deutschland 1928/1929 Dokumentarfilm mit Spielhandlung

Melodie der Welt


Hamburger Volkszeitung, Nr.70, 23.3.1929


Vor einigen Tagen hatte ich Gelegenheit, den Großfilm der Hapag "Melodien der Welt" zu sehen und zu hören. Über den Film kann man nur sagen, die Bezeichnung stimmt nicht ganz. Nur zum geringen Teil kamen gute Naturaufnahmen und wirkliche Melodien der Welt zur Geltung. Die Not der Unterdrückten, die Ausbeutung der farbigen Rassen, diese Melodien fehlten ganz. Doch den Film zu kritisieren ist nicht meine Sache, das überlasse ich den Kritikern.

Um überhaupt einen Platz zu bekommen, mußte ich erst eine Stunde anstehen, aber das machte mir nichts aus. Als Prolet ist man dieses stundenlange Warten schon vom Arbeitsamt gewohnt. Allmählich kam ich immer weiter nach vorne, um schließlich meinen Platz zum Preise von 1 Mark zu erreichen. Neben mir saßen einige Leute, die sich den Anschein gaben, als wären sie etwas Besonderes.

Um mich in den Pausen nicht zu langweilen, denn das Programm, welches ich am Eingang erhielt, hatte ich schon x-mal durchgelesen, nahm ich meine "Hamburger Volkszeitung" aus der Tasche und las.

Es vergingen keine fünf Sekunden, da tönt es von meinem rechten Nachbarn an mein Ohr: "Sieh nur, Mann, ein Kommunist!" Ich wurde von ihnen bestaunt wie ein seltenes Prachtexemplar aus Hagenbecks Tierpark. Als sie sich von dem ersten Schrecken erholt hatten, fingen sie an, mich zu belästigen. Worte wie "Solche Bande soll man rausschmeißen, die haben gar nichts in einem Theater zu suchen", tönten an mein Ohr. Ich ließ mich jedoch von diesen "wohlerzogenen" Herrschaften nicht stören.

Ungefähr in der Mitte des Films zog allerhand Militär der verschiedensten Großmächte über die Leinewand. Für Deutschland paradierte der Stahlhelm. Das war etwas für die Pfeffersäcke. Sie ließen es sich nicht nehmen und klatschten "begeistert" in die Hände. Auch meinen Nachbarn zur Rechten packte der chauvinistische Spleen: Was andere können, kann ich auch.

Also brachte ich dem auf der Leinewand in Paradeschritt vorüberstolzierenden Stahlhelm ebenfalls meine Begeisterung dar, indem ich mit den Füßen auf den Fußoden trampelte.

Von irgendwo her begleitet mich jemand mit einem langgezogenen Pfiff. Das war auch eine "Melodie der Welt".

Also Prolet, diese "Melodien der Welt" spielt die Bourgeoisie. Wer als klassenbewußter Arbeiter in einem Bourgeoistheater die "Volkszeitung" liest, den beschimpfen sie. Wenn Pfingsten 1929 die Straßen Hamburgs von den Roten Frontkämpfern aller Länder überfüllt sind, dann können die Aktionäre der Hapag und die königlichen Pfeffersäcke aller Schattierungen einmal die richtigen "Melodien der Welt" kennen lernen.

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