Iris Berben zur Bedeutung des Filmförderungsgesetzes

Iris Berben, die Präsidentin der Deutschen Filmakademie, hat sich gestern in einer Rede, die sie im Rahmen der Filmkunstmesse Leipzig gehalten hat, zur Bedeutung des Filmförderungsgesetzes geäußert und die nachfolgende Erklärung der Deutschen Filmakademie angekündigt.



"Am 8. Oktober verhandelt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über das Filmförderungsgesetz (FFG) – und damit über die Berechtigung und Zukunft einer der wesentlichen, seit 45 Jahren etablierten Säulen der Kinofilmwirtschaft in Deutschland mit einem Etat von knapp 80 Millionen Euro jährlich. Die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes steht auf dem Prüfstand, weil das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 25. Februar 2009 die Klagen mehrerer Kinobetreiber gegen ihre Verpflichtung zur Zahlung einer Kinoabgabe abgewiesen und ein Teil der neun unterliegenden Kläger dagegen Verfassungsbeschwerde erhoben hat.

Dabei geht es inzwischen aber nicht mehr nur um die ursprünglich im Mittelpunkt der Klage stehende Auseinandersetzung um die sogenannte Abgabegerechtigkeit, bei der die diversen Verwerter von Kinofilmen bis zu einer Novelle des Gesetzes im Jahr 2010 zu unterschiedlich ermittelten Zwangsabgaben verpflichtet wurden. Inzwischen geht es ums Ganze: Denn die zu multinational betriebenen Kinokonzernen gehörenden Beschwerdeführer stellen weitergehend den dem FFG zugrunde liegenden und im europäischen Fördersystem selbstverständlichen Solidargedanken der Filmwirtschaft insgesamt und grundsätzlich in Frage. Sie lehnen es ab, aus den Erlösen aller Kinofilme (und damit auch von ausländischen, hauptsächlich amerikanischen) Filmen Abgaben für die Förderung der deutschen Filmwirtschaft zu entrichten. Darüber hinaus zweifeln die Kläger die konstitutionelle Legitimität des Gesetzes grundsätzlich an, da es sich nach ihrer Überzeugung um eine reine Kulturförderung handele, für die die Hoheit ausschließlich bei den Ländern liegt.

Da eine Presseerklärung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) im Zusammenhang mit der Terminbekanntgabe ausschließlich den oben beschriebenen Inhalt der Beschwerde wiedergab, was Agenturen und Medien letztlich unkommentiert übernommen und weitergeben haben, entstand in den letzten Wochen womöglich der Eindruck, als könne das Bundesverfassungsgericht gar nicht anders handeln, als am 8. Oktober der Beschwerde stattzugeben und damit schreiendes Unrecht korrigieren. Wir, die Kreativen des deutschen Films, halten das Gegenteil für richtig. Deshalb sind wir der Meinung, dass dieser einseitige und nicht der Realität entsprechende Eindruck keinesfalls unwidersprochen stehen bleiben darf.

Darum möchten wir uns auf diesem Weg ausdrücklich und direkt an die ganz offensichtlich nicht umfassend informierte Öffentlichkeit wenden. Dabei wollen wir nicht verschweigen, dass die Filmakademie als Forum aller kreativen Gewerke des Kinos zu einem vermeintlich theoretisch-juristischen Problem nicht allein mit faktisch nachvollziehbaren juristischen Argumenten, sondern auch aus einer Fülle von praktischen Erfahrungen Stellung nehmen kann und muss. Mitten aus der ökonomischen und künstlerischen Wirklichkeit des deutschen Films.

Darum erklären wir,
1. dass ein Gesetz, das seit 1968 in ständig neuer, den Gegebenheiten der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung regelmäßig angepasster Form die deutsche Kinofilmwirtschaft maßgeblich unterstützt, gerade in seiner auf Branchensolidarität basierenden Form Bestand haben muss. (Die entsprechenden Gesetze unserer europäischen Nachbarn basieren auf gleichen Prinzipien!)

2. dass es sich bei dem FFG um ein Gesetz handelt, das zur Stärkung und zum wirtschaftlichen Schutz des hybriden Gutes Film (das zugleich Kultur und Wirtschaft beinhaltet) wesentlich beiträgt und gerade auch wegen seiner Unabhängigkeit von einzelnen Länderinteressen ein Bundesgesetz sein darf und muss (was der Bundesrat in allen bisherigen Novellen des FFG jeweils ebenfalls so gesehen hat).

3. dass die deutsche Kinowirtschaft nicht, wie von den Klägern behauptet, ausschließlich von internationalem Produkt leben und gut auf den deutschen Film verzichten kann. Das ist bei einem Marktanteil des deutschen Films von bis zu 30 Prozent schon rechnerisch undenkbar.

4. dass die Produktion von Kinofilmen, die in Deutschland rund 60.000 Menschen beschäftigt und einen Umsatz von über 10 Milliarden Euro erzielt, per se einen hohen volkswirtschaftlichen Wert hat – unabhängig vom kommerziellen Erfolg einzelner Filme. Dieser Wert ist übrigens nachweislich seit Einführung des FFG deutlich gestiegen. Das Gesetz selbst hat die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bundesweit geprägt und zu einer deutlich dezentralen Produktionssituation beigetragen.

5. dass der deutsche Film auch deswegen für die deutsche Kinowirtschaft unentbehrlich ist, weil er seinem durchaus schwankenden, aber immer treuen Publikum Inhalte, Formen und Persönlichkeiten präsentiert, die per se mit ihrer Identität und Realität mehr zu tun haben als das internationale Produktionen können und wollen. Das Interesse an diesen Inhalten, Formen und Persönlichkeiten des deutschen Films ist nachweislich stark – und kann trotz erheblicher wirtschaftlicher Unterschiede in den Produktions- und Marketingbudgets zwischen US-amerikanischen und deutschen Filmen befriedigt werden. Auch dazu trägt die Filmförderung des Bundes erheblich bei.

6. dass neben allen Erfolgen zu Hause der künstlerische Erfolg des deutschen Films – auch und gerade im Ausland – ebenfalls einen starken wirtschaftlichen Aspekt generiert und zum Ansehen von Deutschland einen wichtigen, auch wirtschaftlich bedeutsamen Beitrag leistet.

In der im Vorfeld des Gerichtstermins bisher veröffentlichten Meinung spielen all diese Aspekte keine Rolle. Genau um diese Aspekte aber geht es – in der Wirklichkeit des Filmemachens in Deutschland und deshalb hoffentlich auch bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Es geht um die Erkenntnis, dass Film eine Kunst mit erheblichen und impliziten ökonomischen Faktoren ist. Dass das Gesetz zur Förderung dieser Kunst (also das FFG) die deutsche Filmwirtschaft in Ihrer Gesamtheit und Vielfältigkeit zu stärken und schützen angetan ist. Dass dieses Gesetz seit 45 Jahren für ein in seiner Art einzigartiges „Selbsthilfesystem“ der deutschen Filmwirtschaft steht, das sie ohne den Einsatz von Steuergeldern in all ihren Aspekten und Erscheinungsformen stützt und dabei ein hohes Maß an Pluralität und Vielfalt verbürgt.

Es steht aber auch für die Kinowirtschaft in Deutschland, die übrigens selber regelmäßig und nicht unerheblich besagte Förderung in Anspruch nimmt, viel auf dem Spiel: Für sie könnte es neben dem Verlust der Förderung deutscher Kinos ganz nebenbei vor allem auch darum gehen, wesentliche Inhalte zu verlieren. Inhalte, die ihr Publikum, der deutsche Kinogänger, vielleicht mehr schätzt, als man an den Schreibtischen und Rechenschiebern multinationaler Kinokonzerne zu ahnen ganz offensichtlich in der Lage ist.

Aber wenn sich nun schon einmal das höchste deutsche Gericht mit dem deutschen Film beschäftigt, sind wir zuversichtlich, aus Karlsruhe klare und richtungsweisende Worte für dessen künftige Rahmenbedingungen zu hören."

Quelle: www.deutsche-filmakademie.de