Das 9. Fünf Seen Filmfestival (29.7. bis 9.8.2015) verzeichnet mit 19.000 Besuchern erneut einen Rekord. Neben den hohen Besucherzahlen mit einem Anstieg von fast 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (17.000) gibt es auch die Rekord-Anzahl von 100 nationalen und internationalen Filmemachern, die auf dem Fünf Seen Filmfestival ihre Werke persönlich präsentierten.
Am Sonntagabend, den 9. August 2015 wurden in der Starnberger Schlossberghalle die von hochkarätig besetzten Jurys ausgewählten Filme mit den wichtigsten Filmpreisen des Festivals ausgezeichnet. Mit dem deutsch-ungarischen Dokumentarfilm "Drifter" von Gábor Hörcher und dem deutsch-amerikanisch-griechischen Spielfilm "Petting Zoo" von Micah Magee konnten dabei gleich zwei Koproduktionen Preise abräumen.
Der Fünf Seen Filmpreis wurde in diesem Jahr erstmals für internationale Produktionen aus aller Welt geöffnet und geht an den kanadischen Film "Chorus" von François Delisle. Die Begründung der Jury-Mitglieder Veith von Fürstenberg, Hanns Christian Müller, Fredi Murer, Giulio Ricciarelli und Lena Schömann lautet:
"'Chorus' lässt uns bis an die Grenze des Ertragbaren erahnen, wie endgültig sich der Schmerz durch das Verschwinden des eigenen Kindes für die Eltern anfühlt, und wie dennoch Hoffnung auf die Überwindung eines solchen Traumas aufkeimen kann. Was wie das Ende von Allem erschien, wird von der grausamen Wahrheit noch übertroffen, die nach Jahren ein nun geständiger pädophiler Straftäter im Gefängnis preisgibt. Dies wird in durchkomponierten Schwarz-Weißbildern mit Wucht und Intensität erzählt. Die Schauspieler agieren subtil, glaubhaft und brillant. Inhalt und Form bilden eine wunderbare Einheit. Der Film hat uns tief berührt. In einem starken Programm ist 'Chorus' für uns der herausragende Film."
Der Film erhält ein Preisgeld von 5.000 Euro, gestiftet vom Landratsamt Starnberg.
Sieger im Drehbuch-Wettbewerb ist in diesem Jahr der russische Film "The Gulls" von Ella Manzheeva. Die Jury um Veith von Fürstenberg begründet dies wie folgt:
"Eine schöne Frau schmückt jeden Film. Die Figur der betörend schönen Kalmückin Elza im Film 'The Gulls' hat die Regisseurin Ella Manzheeva uns geschenkt, die auch Autorin des Drehbuchs ist. Mit sicherer Eleganz, atmosphärischer Dichte und psychologischer Genauigkeit zeichnet sie das Bild einer unerwartet modernen Frau buddhistischen Glaubens in der für uns exotischen Umgebung Zentralasiens, die zur Zeit der Handlung von Schnee, Wind und Nebel dominiert wird. Subtil trägt ein nur in Andeutungen geführter Thriller-Erzählstrang zur Spannung bei. Elzas Schmerz wegen des Verlusts ihres verschollenen Mannes, der von illegalem Fischfang lebt, spüren wir mit, während das unmerkliche Vergehen der Zeit ihr Bangen allmählich zur Gewissheit werden lässt. Die Souveränität und Ruhe, mit der Ella Manzheeva ihre ethnographisch präzis verortete Geschichte und das innere wie äußere Bild Elzas entfaltet, hat die (zugegeben männerdominierte) Jury davon überzeugt, ihr den Preis für das beste Drehbuch zu verleihen."
An den Film geht ein Preisgeld von 2.000 Euro, gestiftet von der Stadt Starnberg.
Der Dokumentarfilmpreis geht heuer an den deutsch-ungarischen Film "Drifter" von Gábor Hörcher. Die Entscheidung wird von den Jurymitgliedern Moritz Bundschuh, Fabian Hentzen, Bodo Klemz, Antonella Arseni Longhin und Helen Simon folgendermaßen begründet:
"In perfekter Dramaturgie erzählt er die zum Teil tragische Biografie seines Protagonisten, ohne dabei aber an Leichtigkeit zu verlieren. Keine Szene, kein Dialog wirkt erzwungen oder überflüssig - vielmehr entsteht eine beeindruckende Nähe zur Hauptfigur. Der Regisseur vertraut vollkommen auf seine Bilder. Auch durch die rhythmische Montage nimmt der Zuschauer hautnah am Leben eines jungen Mannes in der ungarischen Provinz teil. Die verzweifelte Suche seine Träume zu verwirklichen und dabei der Hoffnungslosigkeit und Monotonie seines Alltags zu entfliehen ist dramatisch und aufregend erzählt. Die Tatsache, dass dieser Film über einen Zeitraum von 5 Jahren gedreht wurde fordert hohen Respekt ab und zeigt zudem mit welcher Leidenschaft und großer Hingabe der Regisseur dieses Projekt verfolgt hat - und - nach Meinung der Jury - nun auch zu einem wahrlich beeindrucken Abschluss gebracht hat. Ein Film den man sich unbedingt ansehen muss!"
Der Film erhält ein Preisgeld von 3.000 Euro, gestiftet von der Kreissparkasse München-Starnberg-Ebersberg.
Den Horizonte-Filmpreis erhält in diesem Jahr "My Name is Salt", eine Produktion aus der Schweiz von Farid Pacht. Die Jurymitglieder Udo Hahn, Dagmar Kusche, Erika Littmann, Subramanian Venkat Raman und Sabine Zaplin nehmen dazu folgendermaßen Stellung:
"Regisseurin Farida Pacha und ihr Kameramann Lutz Konermann führen uns in einem poetischen Film mit eindrucksvollen Bildern und großartiger Musik die filigrane Welt der Salzgewinnung in Indien vor Augen. Sie erzählen von der mühseligen Handarbeit, die etwa 40.000 Familien Jahr für Jahr das Überleben sichert. Zu Wohlstand werden sie nie gelangen, denn der Händler drückt Jahr für Jahr den Preis. Die Salzwüste Kutch im Nordwesten Indiens gilt als der Ort, an dem das weißeste Salz der Welt zu gewinnen ist. Das einzige technische Hilfsmittel, das die Menschen haben, sind Pumpen, um das Wasser aus der rissigen Erdkruste an die Oberfläche zu pumpen, wo es in riesigen Wannen verdampft und das Salz zurücklässt. Acht Monate braucht es – von den Vorbereitungen bis zur Entstehung der Salzhügel –, ehe der Monsun die Wüste erneut in Meer verwandelt. Der Film schildert beispielhaft die Anpassungsbereitschaft des Menschen an die Natur. Er zeigt einen kleinen Ausschnitt des Lebens auf dem indischen Subkontinent – jenseits aller Klischees. Dabei wird das Schicksal der Menschen nicht melodramatisiert, sondern sachlich vorgestellt. Das ruhige Erzähltempo hat dennoch etwas Spannendes, denn man weiß nicht, was als Nächstes kommt. Ein Autoreifen, ein Radio, das Klingeln eines Mobiltelefons, vor allem aber die Arbeit mit Händen und Füßen – die archaische Welt verbindet sich mit der Moderne. Zu Beginn der Dokumentation erscheint ein Zitat aus Albert Camus' Essay 'Der Mythos des Sisyphos', wonach man sich diese Sagengestalt als einen glücklichen Menschen vorstellen muss. Sisyphusarbeit – ein Begriff, der zu einem geflügelten Wort geworden ist, um das Sinnlose und Schwere einer Tätigkeit zu kennzeichnen. Schwer ist und schwer bleibt die Arbeit der Salzbauern. Sinnlos ist sie nicht. Wer von dem leben muss, was die Natur hergibt, muss sich ihrem Rhythmus anpassen. Die Salzgewinnung in Indien lässt keine andere Möglichkeit zu. Sie beherrscht den Menschen – sie zwingt ihm eine Lebens- und Arbeitsweise auf, die ihn geduldig und demütig macht. Ob sie ihn auch zufrieden oder gar glücklich macht? Die Regisseurin zitiert wohl nicht ohne Grund Camus."
Der Film wird mit einem Preisgeld von 2.000 Euro, gestiftet von der Gemeinde Herrsching, ausgezeichnet.
Der auf dem diesjährigen FSFF erstmals verliehene Filmpreis "Perspektive Junges Kino" geht an den in Deutschland, den USA und Griechenland produzierten Film "Petting Zoo" von Micah Magee. Von der Jury, bestehend aus Roderich Fabian, Ingo Fliess, Thomas Heinemann, David Lindner Leporda und Eva Rottensteiner, wird diese Wahl wie folgt begründet:
"Es wird gejammert über den Zustand des Deutschen Films, nicht erst seit gestern, seit Jahrzehnten eigentlich, genau genommen, seit Mitte der 80er Jahre der europäische Autorenfilm verblüht war und Filme aus dem deutschsprachigen Raum immer seltener eingeladen wurden auf die A-Festivals Europas. Der deutsche Film konzentrierte sich seitdem immer mehr auf den heimischen Raum und ist damit – kommerziell gesehen – gar nicht mal schlecht gefahren. Und die Filmhochschulen versuchten entweder Filmemacher auszubilden, die den heimischen Markt bedienen können oder sie versuchten, Regisseure zu fördern, die an den klassischen Autorenfilm anknüpfen konnten. Aber um es mit Tom Petty zu sagen: 'The good old days will not return'. Wir haben in unserer ziemlich spannenden, fast auch schon filmreifen Jury-Sitzung sehr mit uns gerungen, hatten es eben auch mit sieben sehr unterschiedlichen, mehrheitlich aber sehr ernsthaften und ambitionierten Filmen zu tun, die verschiedene Schulen repräsentierten und wären – wegen sehr unterschiedlichen Auffassungen – fast zu keinem Ergebnis gekommen – eine klassische Pattsituation. Denn: Sollte man ein emotional aufgeladenes, actionreiches Psychodrama belohnen, das in seiner Intensität eben an den Autorenfilm der 70er erinnert oder doch lieber ein clever gescriptetes Kammerspiel, das in einer besseren Welt perfekte, weil ausnahmsweise mal intelligente Fernsehunterhaltung wäre? Und weil wir uns dabei partout nicht einigen konnten und – nebenbei bemerkt – beide Filme schon schöne Preise gewonnen haben, haben wir uns für weder noch entschieden und einem Film den Preis gegeben, der ganz anders war.Und wir hatten dann auch wenig Mühe, uns auf einen Film zu einigen, der eben nicht den ganzen Ballast der Diskurse um den Deutschen Film mit sich herumträgt, der stattdessen eine Geschichte nicht als Parabel und nicht als Eskalationsdrama erzählt, sondern ganz einfach als Geschichte. Und zwar die einer jungen Frau, die zu früh schwanger wird in San Antonio, Texas und dann zwischen religiösen Dogmen der Alten, den eigenen Ambitionen und Gefühlen ihr Leben führen muss, gedreht im Stile eines amerikanischen Independent-Films, beobachtend, urteilsfrei, aus der Hüfte geschossen, von Zentraleuropa aus damit immer leicht befremdlich wirkend, wie der Film aus und über eine andere Welt. Und weil wir aus dieser Mischung aus lässiger Distanz und beobachtender Empathie immer noch einiges lernen können für die Zukunft des europäischen Films geht der Filmpreis 'Perspektive Junges Kino' 2015 an die Regisseurin Micah Magee und ihren Film 'Petting Zoo'."
An den Film geht ein Preisgeld von 2.000 Euro, gestiftet von der mixtvision Mediengesellschaft.
Der Publikumspreis des 9. Fünf Seen Filmfestivals geht an "Conducta – Wir werden sein wie Che" aus Kuba, Regisseur ist Ernesto Daranas. Der Film kommt im Januar 2016 in die deutschen Kinos. Der Kairos-Filmverleih, der diesen Film in Deutschland verleiht, erhält 2.000 Euro, gestiftet von der Süddeutschen Zeitung, für die bessere Bewerbung dieses Films.
Quelle: www.fsff.de